| # taz.de -- Highlife im Yaam: Das Publikum aufkratzen | |
| > Pat Thomas gehört zu den besten Highlife-Musikern der Welt. Seine | |
| > epischen Songs klingen so verschlungen wie die Wanderbewegungen seines | |
| > Lebens | |
| Bild: Ist seit 1978 „The Golden Voice of Africa“: Der ghanaische Highlife-V… | |
| Die Elektroorgel tanzt Schlangenlinien, Schlagzeug und Perkussion wollen da | |
| nicht hintenanstehen und haben sich untergehakt, ein Bläsersatz betet | |
| unisono die Sonne an und ja, dann wird es wirklich warm. Dann kommen | |
| getupfte Keyboardschlieren und ein unaufgeregter Gesang, der der Band, dem | |
| Chor das Stichwort zuruft: „Amaehu.“ | |
| Es zieht sich, einer Beschwörungsformel, einem Zauberspruch gleich, durch | |
| das gesamte Stück. Der Sänger ist ein Mittsechziger aus Ghana, auf seiner | |
| vor zwei Jahren erschienenen Doppel-LP, die schlicht seinen Namen und den | |
| seiner Begleiter trägt: Pat Thomas und die Kwashibu Area Band. | |
| Thomas’ Vater war Musiklehrer, die Mutter Bandleaderin, sein Onkel King | |
| Onyina hatte als Gitarrist mit Nat King Cole gearbeitet und dessen Musik | |
| und die von Miriam Makeba, Ray Charles und Ella Fitzgerald seinem Neffen | |
| vorgespielt. Thomas’ Musikereltern waren, wie er sich erinnert, anfänglich | |
| nicht gerade enthusiastisch, als sie bemerkten, wie ihr Sohn begann, es | |
| ihnen gleichzutun. Während er bei seinem Onkel lebte, lernte Thomas Gitarre | |
| und Schlagzeug und begann, als Sänger aufzutreten. | |
| ## Zuerst London, dann Kanada | |
| 1974 erschien Thomas’ erstes Album „False Lover“ mit der Band The Sweet | |
| Beans. Es beginnt mit einem sehr schönen, unpolierten Ska-Song, der | |
| „Revolution“ heißt. Anhören kann man sich ihn auf der im vorigen Jahr | |
| erschienenen, opulenten 3 LP / 2 CD-Compilation „Coming Home“ – „Origin… | |
| Ghanaian Highlife & Afrobeat Classics 1967–1981“. | |
| Die Chronologie umfasst die Zeit von Thomas’ ersten Aufnahmen bis zu dem | |
| Jahr, da er Ghana nach dem Militärputsch Jerry Rawlings verließ und zuerst | |
| nach London, dann nach Kanada zog. Er sollte nach Ghana zurückkehren. | |
| Thomas hat in seinem Wanderleben an die dreißig Alben veröffentlicht und | |
| gilt als einer der prominentesten Vertreter des Highlife, eines | |
| westafrikanischen Musikstils, dessen Geschichte nach einem Dokumentarfilm | |
| verlangt. | |
| Sie lässt sich bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen, vermischt | |
| die traditionelle Musik Ghanas mit europäischem Instrumenten. Es ist ein | |
| Stück Kolonialgeschichte, geht zurück auf die Zeit, als westafrikanische | |
| Matrosen auf europäischen Schiffen die Gitarre kennenlernten und die | |
| Kolonialverwaltung Militärkapellen und Polizeiorchester gründete, um ihre | |
| Angestellten zu unterhalten. | |
| In einer ironischen Wendung der Geschichte bildeten die ghanaischen Musiker | |
| daraus einen Stil, der heute mit Afrobeat, als dessen Vorläufer Highlife | |
| gilt, und dem nordafrikanischen Desert Blues unsere Vorstellung | |
| afrikanischer Musik prägt. Es wird, sicher nicht zu Unrecht, angenommen, | |
| dass der Name Highlife auf eine Oberschichtenmusik anspielt. Auch da liegt | |
| eine Ironie der Geschichte; nichts lässt sich so leicht stehlen, oder | |
| besser gesagt, transformieren wie Musik. | |
| ## Die Teufel vor die Tür | |
| Auf „Coming Home“ gibt es dafür etliche Beispiele: Eine der frühen | |
| Aufnahmen von Pat Thomas ist „(Super) Yaa Amponsah“, ein Stück der | |
| Ogyatanaa Show Band, mit einem perlenden Gitarrenintro, tiefenentspanntem | |
| Beat und Call-and-Response-Gesang. Dann der Song, der Thomas’ Werkschau den | |
| Titel gab, „We Are Coming Home“ aus den Mittsiebzigern mit der Band | |
| Marijata: hochenergetisch, dabei nicht aggressiv, ein pulsierender | |
| Rhythmus, aus dem Trompeten- und Gitarrensoli ausbrechen, ohne dass jemand | |
| einen Ego-Trip fährt. Das Stück „Sack The Devils“, „schick die Teufel v… | |
| die Tür“, scheint programmatisch. | |
| Pat Thomas gastiert beim 15 Jahre älteren, ehemaligen Mentor Ebo Taylor. | |
| Mit ihm schließt sich der Kreis zum nigerianischen Afro-Beat-Pionier Fela | |
| Kuti und dessen Drummer Tony Allen. Thomas hat in Taylors Band The Blue | |
| Monks gespielt und ohne Allen, der damals bei den Sweet Beans trommelte, | |
| gäbe es laut Kuti keinen Afrobeat. | |
| Beide sind auf dem „Kwashibu“-Album zu hören. Wer an die schon mal ganze | |
| Plattenseiten einnehmenden Stücke Fela Kutis denkt, kommt auch bei Thomas | |
| auf die Kosten. Drei der Songs auf „Coming Home“ dauern 10 bis 15 Minuten, | |
| werden jedoch nie langweilig. | |
| ## Bezahltes Interview | |
| Lang geworden sein muss Thomas hingegen, als er vor zwei Jahren ein | |
| dreißigminütiges Telefoninterview mit den USA führte und danach anmerkte, | |
| er würde das nicht für umsonst tun: „Du musst mich bezahlen, wenn du mich | |
| interviewst. Ich verlange keine feste Summe, aber was sein muss, muss | |
| sein.“ | |
| Auch täten die Journalisten gut daran, sich vorzubereiten. Für den Begriff | |
| Highlife hat Pat Thomas, dem 1978 die „Goldene Stimme Afrikas“ verliehen | |
| wurde, übrigens eine sehr profane Erklärung. Die Musik solle ihr Publikum | |
| in Hochstimmung und Aufgekratztheit versetzen. Das wird ihm auf dem Konzert | |
| im Berliner Yaam sicher gelingen. | |
| 28 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Mießner | |
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