# taz.de -- Oldenburger Filmfestival: Ein nobler Beruf | |
> Eine Retrospektive über den amerikanischen Produzenten Edward R. Pressman | |
> und sein Gespür für Regisseure und Themen | |
Bild: Wurde beim Oldenburger Filmfestival geehrt: Produzent Edward R. Pressman | |
Edward R. Pressman ist ein schmächtiger, älterer Mann – sanftmütig, ruhig, | |
fast scheu. Dabei ist er einer der bedeutendsten Produzenten in der | |
US-amerikanischen Filmgeschichte. Er hat die ersten großen Filme von | |
Regisseuren produziert, die danach dann große internationale Karrieren | |
hatten. „Badlands“ von Terrence Malick, „Bad Lieutenant“ von Abel Ferra… | |
„Wallstreet“ von Oliver Stone, „American Psycho“ von Mary Harron und vi… | |
andere waren zugleich kommerzielle Erfolge und Filmkunst – nur wenige | |
konnten diese Gegensätze so vereinen wie Pressman. | |
Auf der Gala des Oldenburger Filmfestivals wurde er geehrt und seine | |
Dankesrede auf der Bühne des Staatstheaters bestand aus einem einzigen | |
Satz: Er sei froh, dass mit ihm einmal ein Produzent geehrt würde, denn | |
dies sei ein „nobler Beruf“. | |
Was er damit meine? „Oft wird es so gesehen, als wäre der Produzent in | |
Opposition zum Regisseur, als wären die Wirtschaftlichkeit und der kreative | |
Prozess beim Filmemachen Gegensätze“, sagt Pressman. Vom ersten Film an war | |
ich dagegen der Meinung, dass der Produzent einvernehmlich gegen all die | |
Widerstände, die beim Filmemachen auftreten, mit dem Regisseur | |
zusammenarbeiten sollte.“ | |
Er sei mit den Filmen der Nouvelle Vague groß geworden und folge bis heute | |
den Werten, an die er seit damals glaube. Als unabhängiger Produzent sehe | |
er sich in der Rolle eines Erfüllungsgehilfen, der dafür sorgt, dass die | |
Regisseure ihre Visionen verwirklichen können. | |
Martin Scorsese hing ständig bei ihm rum | |
Pressman stammt aus einer Fabrikantenfamilie. Sein Vater war als der | |
„Murmel-König von Amerika“ bekannt und hatte mit dem Gesellschaftsspiel | |
„Chinese Checkers“, einer Variante von Halma, großen Erfolg. Die Familie | |
unterstützte die ersten Schritte von Pressman als unabhängigem Produzenten | |
in den frühen 70er-Jahren. | |
Junge Filmemacher wie Martin Scorsese und Brian de Palma hingen damals | |
ständig in seinem Büro im Gebäude der Spielzeugfabrik herum, und de Palma | |
wurde ein Freund. So entschied Pressman sich damals, als er von drei | |
Filmprojekten eines produzieren sollte, für den Horrorfilm „Sisters“ seines | |
Freundes. Ein schöner kleiner Erfolg, aber ausgeschlagen hatte er dafür | |
„Mean Streets“ von Scorsese und „American Griffiti“ von George Lucas. | |
Wann ist das Publikum reif für einen Film? | |
Pressman entwickelte dann eine Nase dafür, große Talente unter den vielen | |
jungen, hungrigen Filmemachern zu entdecken und sie bei den für sie | |
entscheidenden Filmen zu fördern. Wie sah er dieses Potenzial etwa bei | |
Terrence Malick, als er „Badlands“ mit ihm machte ? | |
„Solche Entscheidungen sind eher intuitiv als logisch“, sagt Pressman. „I… | |
erkenne die Persönlichkeit und Intelligenz bei solch einem Regisseur.“ Vom | |
ersten Film an hätten aber auch die Schauspieler und Techniker Terrence als | |
jemanden angesehen, der etwas Besonderes machte. Das sei für sie nicht nur | |
ein Job von vielen gewesen. „Dieses Charisma hat mich als ersten so | |
angezogen“, sagt Pressman. | |
Die Persönlichkeiten der Regisseure könnten dabei ganz unterschiedlich | |
sein. Sie können sehr extrovertiert und grob sein wie Abel Ferrara oder | |
Oliver Stone, aber auch ruhig und feinsinnig wie die Brüder Taviani und | |
David Byrne. „Aber auch diese haben eine bestimmte Aura, die mich anzieht“, | |
sagt Pressman. | |
Seine Arbeit ändere sich mit jedem Film und jedem Regisseur. Zum Beispiel | |
habe Oliver Stone beim ersten gemeinsamen Film „Die Hand“ noch das Handwerk | |
gelernt: „Ich war sehr eng mit allen Aspekten des Filmemachens verbunden. | |
Er und ich suchten zusammen den Kameramann, die Schauspieler und die Musik | |
aus. Als wir dann später „Wallstreet“ machten, konnte er in diesem Sinne | |
seinen Film selber produzieren und ich war für ihn wie ein Resonanzboden, | |
an dem er seine Ideen austesten konnte.“ | |
Zu einer erfolgreichen Karriere als Produzent über viele Jahrzehnte gehört | |
es auch, ein genaues Gespür dafür zu haben, wann das Publikum reif für | |
welche Filme ist. „Badland“, „Wallstreet“ und Barbet Schroeders „Reve… | |
of Fortune“ waren genau auf der Höhe ihrer Zeit. Pressman selber gebraucht | |
dafür das deutsche Wort Zeitgeist: „Das macht das Kino für mich so | |
aufregend. Es verändert sich ständig und deshalb macht die Arbeit immer | |
noch Spaß.“ | |
Er habe Philosophie studiert und der Film sei für ihn genauso umfassend: Er | |
beinhalte Politik, Kunst, Umwelt und Musik. „Ich bin politisch engagiert | |
und lese ständig, denn es ist immer noch schwierig, etwas zu schaffen, mit | |
dem man eine Verbindung mit dem Publikum findet“, sagt Pressman. Dennoch | |
denke er bei jedem Film töricht, er würde ein kommerzieller Erfolg. | |
Auch Flops gehören dazu | |
Hat es für ihn auch Flops gegeben ? „Natürlich! Ich habe einen Film mit | |
James Marsh gemacht, der für ‚Man on the Wire‘ einen Oscar bekam. Direkt | |
davor drehten wir einen sehr guten Film mit dem Titel „The King“, den | |
niemand gesehen hat, denn in ihm ging es um Inzest und deshalb blieben die | |
Leute weg.“ | |
Eine Niederlage für Pressman war auch der Versuch, den Roman „Das Boot“von | |
Lothar-Günther Buchheim zu verfilmen.: John Sturges sollte Regie führen und | |
Richard Dreyfuss den U-Boot-Kommandanten spielen. „Wir hatten schon damit | |
begonnen, das Boot zu bauen, als Buchheim entschied, dass er unser Drehbuch | |
nicht mochte, weil er es für antideutsch hielt“, erzählt Pressman. | |
In Europa hat der Autor das Recht, bei einer Verfilmung die Rechte wieder | |
zu entziehen. „Es gab einen Prozess, wir bekamen einen Teil unseres Geldes | |
zurück, konnten aber den Film nicht machen“, sagt Pressman. „Drei Jahre | |
später wurde er dann auf Deutsch gedreht und sie konnten dabei das Boot | |
benutzen, das wir gebaut hatten.“ | |
Statt dessen machte Pressman dann einen kleineren Film in Deutschland: Eine | |
Adaption des Romans von Nabokov „Despair“ nach einem Drehbuch des | |
britischen Autoren Tom Stoppard. Und Pressman „wollte unbedingt mit Rainer | |
Werner Fassbinder arbeiten, weil er so wild war.“ Also genau der richtige | |
Mann für ihn. | |
Die Blue-Ray von „Badland“ ist ab 28. September im Handel | |
20 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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