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# taz.de -- RoG-Vertreter zu türkischen Ermittlungen: „Exil ist für mich ke…
> Erol Önderoğlu ist der türkische Vertreter von Reporter ohne Grenzen. Nun
> wird er selbst der „Propaganda für eine Terrororganisation“ beschuldigt.
Bild: Erol Önderoğlu dokumentiert die Repressionen und Gerichtsverfahren gege…
taz: Herr Önderoğlu, was wirft man Ihnen in der Türkei vor?
Erol Önderoğlu: Dass, was man den meisten kritischen Journalisten in der
Türkei mittlerweile vorwirft. Ich soll Propaganda für eine
Terrororganisation gemacht haben. Tatsächlich habe ich im Rahmen einer
Solidaritätsaktion im Frühjahr vergangenen Jahres zusammen mit vielen
bekannten Journalisten und Intellektueller für einen Tag symbolisch die
Chefredaktion der von Schließung bedrohten kurdischen Tageszeitung Özgür
Gündem (Freier Tag) übernommen. Der Staatsanwalt wirft mir nun vor, drei
Artikel, die an diesem Tag erschienen sind, seien Propaganda für die PKK
gewesen.
Was erwartet Sie, wenn Sie verurteilt werden?
Theoretisch mehrere Jahre Haft, aber tatsächlich wohl „nur“ ein gutes Jahr.
Ein Kollege, der ebenfalls angeklagt war, weil er sich an der
Solidaritätsaktion beteiligt hat, wurde gerade zu 18 Monaten verurteilt und
wird wohl nach 13 Monaten das Gefängnis wieder verlassen können.
Anders als viele andere derzeit in der Türkei Angeklagten können Sie noch
reisen. Gerade sind Sie in Berlin. Gehen Sie wieder zurück?
Ja, ich habe neben dem türkischen auch einen französischen Pass. Damit kann
ich ausreisen. Ich werde aber auf jeden Fall zurückfahren. Es ist zwar
immer wieder nervenaufreibend, am Flughafen die Polizeikontrolle zu
passieren, aber ins Exil zu gehen ist für mich keine Option. Es ist
wichtig, dass Leute vor Ort die Entwicklung beobachten.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist auf einem
historischen Tiefpunkt abgekommen. Vor einer Woche hat der SPD
Kanzlerkandidat Martin Schulz und anschließend auch die Bundeskanzlerin
angekündigt, die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei
beenden zu wollen. Halten Sie das für einen sinnvollen Schritt?
Nein, auf keinen Fall. Rund 50 Prozent der türkischen Wähler haben im April
gegen das Verfassungsreferendum von Erdoğan gestimmt. Diese Menschen wollen
die Demokratie in der Türkei am Leben erhalten und verhindern, dass sich
das Land völlig von der EU und dem Westen abwendet. Solange das
Beitrittsverfahren lebt, selbst wenn faktisch gar nichts passiert, hat die
EU so immer noch etwas Einfluss auf die Türkei, kann der Opposition
gelegentlich auch indirekt Hilfestellung geben. Mit der Beendigung des
Beitrittsverfahrens bekäme Erdoğan die Chance, alle Kontakte abzubrechen.
Aber tatsächlich wird es ja dazu nicht kommen. In der EU wird es keinen
dafür notwendigen einstimmigen Beschluss geben. Wenn Deutschland ihn
dennoch einfordert und dabei unterliegt, wäre das ein schöner
Propagandaerfolg für Erdoğan.
Gibt es noch andere Punkte, bei denen Sie mit der Kritik der türkischen
Regierung an Deutschland übereinstimmen?
Ich verstehe nicht, warum die deutsche Regierung pauschal alle Leute
schützt, denen die türkische Regierung aktive Unterstützung des
Putschversuches und der Gülen Bewegung vorwirft. Es gibt in Deutschland
Flüchtlinge, die diesen Schutz nicht verdienen. Einer davon ist der frühere
Chefankläger Zekeriya Öz. Der Mann hat etliche Journalisten aber auch
andere Oppositionelle unschuldig ins Gefängnis gebracht. Er war einer von
Erdoğans Lieblingsjuristen. Erst als er sich im Machtkampf zwischen der
Gülen-Bewegung und Erdoğan auf die Seite Gülens stellte, musste er fliehen.
Der Mann ist wie andere Flüchtlinge auch, ganz und gar kein unschuldiges
Opfer. Indem Deutschland solche Menschen schützt, macht es sich angreifbar
und gibt den Vorwürfen der türkischen Regierung in der Bevölkerung mehr
Plausibilität.
11 Sep 2017
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