| # taz.de -- Victoria Meneses über Grundeinkommen: „Wir führen keine Modelld… | |
| > Die Spitzenkandidatin der Partei für Grundeinkommen über Existenzängste, | |
| > Karrierewünsche und Koalitionsgedöns. | |
| Bild: Mit dem Grundeinkommen wäre das wohl hoffentlich nicht mehr nötig | |
| taz: Frau Meneses, Ihre Partei wirbt für ein monatliches Bedingungsloses | |
| Grundeinkommen (BGE), Geld fürs Nichtstun also. Deutschland gilt als Land | |
| der Arbeit. Wie kann das BGE hier funktionieren? | |
| Victoria Meneses: Wer BGE erhält, darf trotzdem arbeiten, das wäre nicht | |
| verboten. Aber ja: Wir Deutschen sind eine leistungsorientierte | |
| Gesellschaft. Deshalb sind die zwei häufigsten Fragen zum BGE immer: Wer | |
| arbeitet noch, wenn das BGE kommt? Und: Wie soll das BGE finanziert werden? | |
| Pauschal heißt es stets, das funktioniere ja eh nicht. | |
| Was schlagen Sie vor? | |
| Eine essenzielle Frage vorab: Können wir uns vorstellen, unserem Nachbarn | |
| Geld zu gönnen – ohne dass dafür irgendeine Leistung vollbracht wird? | |
| Was glauben Sie? | |
| Die BGE-Szene geht von einem positiven Menschenbild aus. Wir sehen den | |
| Menschen als kreatives, soziales, hochkomplexes Tätigkeitswesen. Aber der | |
| Mensch ist im Rahmen des hierarchischen, später kapitalistischen | |
| Klassensystems und der daraus resultierenden Leistungsgesellschaft so | |
| konditioniert worden, dass er vor allem an sich denkt. Auch deshalb müssen | |
| wir erst mal mit der Identifikation zur Lohnarbeit brechen, weg vom | |
| Effizienzdenken. Dass wir uns gegenseitig einen Wert geben, der sich auf | |
| unsere Tätigkeit bezieht, ist grotesk. Und Kunst, Kultur, Soziales wird | |
| kaum wertgeschätzt! Das BGE könnte verschüttete Potenziale freisetzen, weil | |
| es die Abhängigkeit von der Lohnarbeit mindert. | |
| Trotzdem muss eine Gegenfinanzierung gewährleistet werden. Wozu rät die | |
| BGE-Partei? | |
| Wir unterbreiten keine Vorschläge und führen keine Modelldiskussionen, | |
| weder über Finanzierung noch Höhe des BGE. Würden wir einen fixen Betrag | |
| angeben, etwa ein BGE von 1.200 Euro monatlich, würden wir nur auf diese | |
| eine Zahl reduziert. Doch dafür ist das Thema zu komplex. Wir reden über | |
| etwas, das einer Revolution gleicht. Ökonomisch und im philosophischen | |
| Sinne. | |
| Gibt es Pläne, wie eine solche Revolution ablaufen könnte? | |
| So ein gewaltiger Umbruch braucht Zeit. Im Groben kann man von drei | |
| Schritten sprechen. Erstens: aufklären und informieren. Viele Menschen | |
| wissen vom BGE quasi nichts. Die können sich also noch keine fundierte | |
| Meinung bilden. | |
| Was kommt dann? | |
| Zweitens bräuchte es eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, ob wir das | |
| BGE wollen oder nicht. Dann erst würde Phase drei folgen: die Umsetzung. | |
| Unsere Teilnahme an der Bundestagswahl dient dem Ziel, den ersten Schritt | |
| anzugehen, aufzuklären und zu informieren. | |
| Viele Deutsche fahren mit der aktuellen Politik gut, Kanzlerin Merkel will | |
| bis 2025 Vollbeschäftigung erreichen. Warum sollte die Mehrheit ein anderes | |
| Wirtschaftsmodell und soziales Sicherungsnetz wollen? | |
| Vollbeschäftigung ist eine ungeheuerliche Volksverblendung! Frau Merkel | |
| umgeht damit nur die Komplexität der Herausforderungen. Nur drei | |
| Stichpunkte dazu: Automatisierung, Technologisierung, Digitalisierung. Aber | |
| die Gesellschaft fordert einfache Antworten. Und offensichtlich müssen | |
| Regierungen einfach antworten, damit sie weiterregieren können. Künftig | |
| aber werden Handwerksberufe größtenteils obsolet. Auch die sogenannte | |
| Mittelschicht, die jetzt noch vermeintlich sichere Berufe hat, ist | |
| betroffen. Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, all das erledigen Maschinen | |
| künftig rationaler und schneller. | |
| Wie könnte, wann auch immer, eine geeignete Übergangsphase hin zum BGE | |
| aussehen? | |
| Soziale Leistungen könnten schrittweise entfallen und durch ein anteiliges | |
| BGE ersetzt werden. Ralf Boes von der Bürgerinitiative BGE Berlin schlägt | |
| ein 5-Stufen-Modell vor. So könnte in einem ersten Schritt für alle | |
| Studierenden der Bafögbeitrag über ein jährlich stufenweise eingeführtes | |
| BGE ersetzt werden. Gehen wir fiktiv mal von 200 Euro Bafög aus. Dann | |
| bekämen die Studierenden als Ersatz 200 Euro BGE im ersten Jahr, im zweiten | |
| 400 Euro, im dritten 600 Euro – bis zur bis dahin festgelegten BGE-Höhe. | |
| Alle anderen Einwohner aber auch. Niemand wäre schlechter dran. | |
| Abstriche für niemanden, mehr Geld für alle. Klingt nach „Wünsch dir was�… | |
| und etwas realitätsfremd. | |
| Modelle zeigen, dass eine Finanzierung möglich wäre. Und was ist denn | |
| Realität? Der 40-Stunden-Job sorgt dafür, dass Menschen kaum bis gar keine | |
| Zeit mehr haben, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als ihrer Arbeit. | |
| Das führt dazu, dass manche teilweise überhaupt nicht wissen, warum Sie 40 | |
| Stunden arbeiten. | |
| Wahrscheinlich, um eine Familie zu ernähren. Der Nachwuchs soll ’s ja gut | |
| haben. | |
| Vollkommen richtig. Und bestimmte Wünsche, die an Einkommen gebunden sind, | |
| sollen sich auch erfüllen. Haus, Auto, eine neue Einbauküche. Aber Karriere | |
| machen spielt genauso eine Rolle. | |
| Wer erfolgreich Karriere macht, kann eben den Nachwuchs besser ernähren. | |
| Was daran ist falsch? | |
| Ist Karriere nicht vielmehr ein gewisser Status und hat mit | |
| gesellschaftlicher Anerkennung zu tun? Viele Lohnarbeiter würden | |
| wahrscheinlich lieber andere Tätigkeiten ausführen, wenn Sie nicht darauf | |
| angewiesen wären. | |
| Woher wollen Sie wissen, ob Maurer nicht gern mauern? | |
| Das weiß ich natürlich nicht. Tatsächlich sind Jobs, die von Akademikern | |
| abmoderiert werden, für die Betroffenen nicht unbedingt schlecht. | |
| Qualitative Umfragen zeigen: Müssten die Leute nicht mehr für ihr Einkommen | |
| arbeiten, würden Sie trotzdem ihren Beruf weiterführen. | |
| Das BGE würde also vor allem den Konsum befördern. | |
| Es würde vor allem Existenzängste nehmen. Aber genau darauf beruht ja die | |
| kapitalistische Gesellschaft, auf Angst: vor sozialem Abstieg, davor, die | |
| soziale Absicherung zu verlieren. So lässt sich eine Gesellschaft besser | |
| kontrollieren. Anträge stellen, ständig beweisen, dass man Geld braucht. | |
| Ein wahnsinniger Psychoterror. | |
| Haben Sie Angst? Zum Beispiel vor einem schlechten Ergebnis bei der | |
| Bundestagswahl? | |
| Sehr gut wären zwei Prozent, aber generell ist das Ergebnis zweitrangig. Es | |
| wird nichts darüber aussagen, ob die Deutschen das BGE wollen oder nicht. | |
| Das aktuelle System wurde über Jahrhunderte kultiviert. Das BGE ist so tief | |
| einschneidend für unser normiertes Denken und Verhalten, das dürfte ein | |
| generationsübergreifendes Projekt werden. | |
| Auch etablierte Parteien wie Grüne oder Linke, aber auch die FDP, | |
| thematisieren das BGE. Wo im politischen Spektrum verorten Sie sich? | |
| Aktuell wollen wir uns nirgendwo einordnen… | |
| … so wie die großen Parteien! | |
| Von diesem Politikgequatsche und Koalitionsgedöns halte ich nicht viel. Es | |
| wird vor allem um Macht gekämpft. | |
| Und wenn Sie irgendwann die Macht hätten, das BGE einzuführen? | |
| Das wäre schön, klar! Aber aktuell ist unsere Partei sehr heterogen. Von | |
| links bis rechts, Jung und Alt haben wir alles dabei. Deshalb sehen wir | |
| überhaupt keine Notwendigkeit, uns irgendwie zu positionieren. Ich hab da | |
| irgendeinen Wahlspruch im Kopf: Wir wollen nicht nach links, wir wollen | |
| nicht nach rechts, wir wollen nach vorne! | |
| 31 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| David Joram | |
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