| # taz.de -- Versorgungsmangel: Hebamme, verzweifelt gesucht | |
| > Auf einer Deutschlandtour wollen Hebammen von Politiker*innen wissen, wie | |
| > sie die Situation für Schwangere verbessern wollen. | |
| Bild: Schreiende Babys, überforderte Neu-Mütter: Wochenbett-Hebammen können … | |
| Bremen taz | In Hannover, Kiel und Hamburg waren sie schon. Am heutigen | |
| Dienstagabend wollen Hebammen von Bremer Spitzenkandidat*innen wissen, wie | |
| die sich nach der Bundestagswahl für ihren Berufsstand einsetzen wollen. | |
| „Das ist kein Selbstzweck“, sagt Veronika Bujny, Vorsitzende des | |
| Hebammenverbandes Niedersachsen, der die [1][Wahlprüfsteine-Tour „Unsere | |
| Hebammen“] mit den anderen Landesverbänden und dem Deutschen | |
| Hebammenverband organisiert hat. „Wir wollen, dass Frauen ihren Geburtsort | |
| frei wählen und ihr Recht auf Hebammenbetreuung wahrnehmen können.“ | |
| Gerade die erste Zeit nach der Geburt sei eine schwierige Übergangsphase, | |
| in der Hebammen helfen können, weil sie sowohl die Mutter als auch das Kind | |
| sowie deren Beziehung im Blick haben. Sie helfen beispielsweise bei | |
| Stillproblemen und anderen Startschwierigkeiten. „Wie wichtig eine gute | |
| Versorgung im Wochenbett ist, dafür fehlt es in unserer Gesellschaft leider | |
| an Wertschätzung“, findet Bujny. | |
| ## Unterfinanziert nicht erst seit gestern | |
| Zum Ausdruck komme das in der seit Jahren viel diskutierten | |
| Unterfinanzierung der freiberuflichen Hebammenarbeit durch die | |
| Krankenversicherungen. In ganz Deutschland haben deshalb in den vergangenen | |
| Jahren Hebammen ihre Arbeit niedergelegt – während die Geburtenrate | |
| gestiegen ist. [2][Zunächst machte sich dies im ländlichen Raum] bemerkbar. | |
| Geburtshäuser und Belegkliniken schlossen. Damit verloren die | |
| freiberuflichen Hebammen einen Teil ihres Einkommens. Nur von der Vor- und | |
| Nachsorge können sie wegen der weiten Wege auf dem Land nicht leben. | |
| „Fast überall in Niedersachsen müssen sich Frauen schon in der sechsten bis | |
| achten Woche eine Hebamme fürs Wochenbett suchen“, sagt Veronika Bujny vom | |
| Hebammenverband. „Das heißt eigentlich sofort, wenn sie realisiert haben, | |
| dass sie schwanger sind.“ Viele Frauen müssten sich aber erst an den | |
| Gedanken gewöhnen und seien mit anderem beschäftigt, als sich ans Telefon | |
| zu klemmen. Manche hätten vielleicht auch schon mal ein Kind in der | |
| Frühschwangerschaft verloren und wollten warten. | |
| Mittlerweile sind davon auch Bewohnerinnen größerer Städte betroffen. | |
| Besonders gravierend ist der Mangel in Hamburg, wie mit einem Blick auf | |
| eine [3][Landkarte des Hebammenverbandes] zu sehen ist, auf der Eltern | |
| melden können, welche Betreuungsform sie nicht gefunden haben. „Je teurer | |
| die Lebenshaltungskosten in einer Stadt sind, desto weniger Hebammen können | |
| sich ihren Beruf noch leisten“, sagt Andrea Sturm, Vorsitzende des | |
| Landesverbands Hamburg. Einige satteln um, andere arbeiten nur noch auf 450 | |
| Euro Basis – als Zubrot zum Verdienst des Ehemanns, also in sehr begrenztem | |
| Umfang. | |
| ## Kapazitäten nicht bedarfsgerecht | |
| 2015 hatte die Hamburger Gesundheitsbehörde unter freiberuflichen Hebammen | |
| eine Umfrage durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass jede zweite Frau | |
| nicht im Wochenbett betreut wurde. „Es gibt Hinweise darauf, dass für eine | |
| bedarfsgerechte Versorgung zu wenige Kapazitäten zur Verfügung stehen“, | |
| heißt es dazu in dem Bericht. | |
| Was das aus Sicht der betroffenen Frauen heißt, kann sich die Hamburger | |
| Verbandsfrau Andrea Sturm gut vorstellen. Jeden Tag rufen bei ihr zwei oder | |
| drei verzweifelte Schwangere an, die schon erfolglos 50 Hebammen | |
| abtelefoniert haben. Sturm kann ihnen als Berufsvertreterin nicht helfen. | |
| Eine zentrale, von der Stadt finanzierte Hebammenvermittlung wie etwa in | |
| Oldenburg gibt es in Hamburg nicht. | |
| Viele Anruferinnen vertrösten muss auch Britta Höpermann, die | |
| Geschäftsführerin des Hamburger Geburtshauses. 180 Kinder kommen hier | |
| jährlich zur Welt. Es könnten wesentlich mehr sein. Seit Anfang 2016 | |
| beobachtet Höpermann eine gestiegene Nachfrage, seitdem gibt es auch eine | |
| Warteliste. | |
| „Wir wollen expandieren“, sagt Höpermann, „damit so viele Frauen wie | |
| möglich die Geburtshilfe bekommen, die sie sich wünschen.“ Sie erklärt sich | |
| die steigende Nachfrage damit, dass immer mehr kleine Geburtskliniken | |
| geschlossen werden. „Wenn eine Frau dann in einer Klinik gebären soll mit | |
| jährlich 3.000 bis 4.000 Geburten, denkt sie vielleicht doch über | |
| Alternativen nach.“ | |
| 5 Sep 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.hebammenverband.de/aktuell/nachricht-detail/datum/2017/03/29/ar… | |
| [2] /!5065176/ | |
| [3] https://www.unsere-hebammen.de/mitmachen/unterversorgung-melden/ | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
| ## TAGS | |
| Hebammen | |
| Geburtshilfe | |
| Mutterschaft | |
| Geburtshilfe | |
| Babyboomer | |
| Geburtshilfe | |
| Geburt | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Hebammen | |
| Geburtshilfe | |
| Debattenreihe Familienangelegenheiten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Vorwürfe gegen Harburger Geburtsklinik: Aufklärung erwünscht | |
| ÄrztInnen und Hebammen verlassen die Geburtshilfe in der Harburger | |
| Helios-Klinik Mariahilf fluchtartig. Politiker suchen nach der Ursache. | |
| Berlin und der Babyboom: „Nicht nach dem Gießkannenprinzip“ | |
| Staatssekretär Boris Velter (SPD) über die Gesundheitspolitik in der | |
| wachsenden Stadt, über fehlende Kreißsäle und Hebammen – und | |
| Investitionen. | |
| Geburtshilfe in Berlin: Gebären soll leichter werden | |
| Runder Tisch verkündet Maßnahmen für „gute und sichere Geburt“ – etwa | |
| bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen und mehr Geld für Kreißsäle. | |
| Senat reagiert auf Krise im Kreißsaal: Geburten sollen jederzeit möglich sein | |
| Gesundheitssenatorin Kolat verspricht, angesichts steigender Geburtenzahlen | |
| die „nötigen Kapazitäten“ bei der Geburtshilfe bereit zu stellen. | |
| Hebammenkrise in Berliner Kreißsälen: Wehe, du kommst! | |
| In Berlins Kliniken fehlen Hebammen. Nun treffen sich Politik und | |
| Krankenhausträger zum Krisengespräch. Für unsere Autorin kommt das zu spät. | |
| Neuer Abrechnungsmodus könnte helfen: Senat sucht Hebammen | |
| Als im Juni die letzten drei Bremer Beleghebammen aus finanziellen Gründen | |
| ihre Arbeit niederlegten, sagte der Senat, er könne nichts tun. Jetzt fällt | |
| ihm etwas ein. | |
| Geburtshilfe in Bremen: Konsens, aber keine Lösungen | |
| Die Bürgerschaft debattiert über die Geburtshilfe – und fordert für | |
| Hebammen Hilfen vom Bund. Nur die Linke sucht nach kommunalen Lösungen | |
| Debatte Geburt und Familie: Gebärende haben keine Lobby | |
| Die Geburt ist das prägendste Ereignis im Leben, aber nur selten schön. In | |
| der deutschen Geburtshilfe ist noch Luft nach oben. |