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# taz.de -- Fan-Kultur zu Lady Diana: Und weil sie nicht gestorben ist …
> Vor zwanzig Jahren kam Lady Diana ums Leben. Ein Roman fantasiert nun
> eine Welt, in der es den tödlichen Unfall von Paris nie gegeben hat.
Bild: Lady Diana, 1997 in Saint Tropez
Ein Jahr vor ihrem 40. Geburtstag waren die Narbenbehandlungen nicht mehr
die einzigen Injektionen, die sie bei Dr. Imber erhielt. Alle drei Monate
kamen Botox-Touch-Ups dazu, um die Haut weich zu halten. Doch es war Diana
extrem wichtig, dass man ihre kosmetischen Eingriffe nicht sah – das
unterschied sie von den mumienhaft und ausdruckslos wirkenden Frauen in
ihrer Upper-East- Side-Nachbarschaft.“
Moment, Moment mal, I’ll beg your pardon: Diana? DIE Diana? 40 Jahre alt?
Upper East Side? Botox-Touch-Ups?!
Nein. Natürlich nicht. Wie und in welchem Alter Lady Diana Spencer starb,
ist hinreichend bekannt, auch, [1][dass ihr Todestag sich am Donnerstag zum
20. Mal jährt]. Denn wie bei anderen jung verstorbenen Persönlichkeiten des
öffentlichen Interesses ist der Kult um sie reziprok zum Lauf der Zeit
gestiegen – um dann, nach einer Weile, vor allem [2][den Zeitzeugen im
kollektiven Gedächtnis] zu bleiben. Und dem Rest der Welt nur noch zu
solchen Jubiläumsanlässen wie diesem aus allen Rohren präsentiert zu
werden.
Was mit Dianas Familie, ihren Freund*innen, der Presse, dem Königreich, der
Welt passiert wäre, wenn die Paparazzimeute damals nicht Wind von ihrem
späten Dinner in Paris bekommen und wenn Dianas und Dodis Auto den Tunnel
nicht mit überhöhter Geschwindigkeit befahren hätte, ist Spekulation – und
als solche interessant.
## „Imagining Diana“
In ihrem Fan-Fiction-Roman „Imagining Diana“ beschäftigt sich die
US-amerikanische Women’s Week- und Vanity Fair-Autorin Diane Clehane mit
einer alternativen Zukunft und beschreibt ein Paralleluniversum, in dem
Lady Di den Unfall mit schweren Gesichtsverletzungen überlebt hat,
Liebhaber Dodi jedoch ums Leben kam.
Clehane, die 1998 bereits ein Buch über Lady Dianas „Style Secrets“
geschrieben hat, orientiert sich dabei am klassischen Groschenroman mit
seiner erwartbaren Dramaturgie aus Tragik und Wiederauferstehung, aber auch
mit einer klaren Zuteilung von Gut und Böse: Nach einer schweren Zeit im
Krankenhaus und mit dem Schreck über das „neue Gesicht“ rappelt sich die
tapfere Prinzessin wieder auf. Sie verlobt sich mit dem reichen
Geschäftsmann und Philanthropen Teddy Forstmann, fühlt sich „hübsch und fit
in ihrem Diane von Fürstenberg-Wrap Dress und ihren Manolo Slingbacks“, tut
weiterhin Gutes, versöhnt sich nach und nach mit Charles und der
königlichen Familie, pflegt ein entspanntes Verhältnis zu William und Harry
(kein Wort von Partys in Nazi-Outfits) und lässt sich von Freundin Hillary
Clinton bezüglich ihrer Memoiren-Attitüde beraten.
Der (spoilerfreie, weil in Teilen bereits bekannte) letzte Teil des Romans
spielt bei und nach der Hochzeit von William und Kate, die Diana für ihren
modernen Umgang – Stichwort „branding“ statt „manipulating“ – mit d…
Presse bewundert. Kurz vor dem Ende „schlüpft Diana in eine weiße
Oversized-Tunika“ und schlendert über den malerischen Strand. Und weil sie
nicht gestorben ist, lebt sie noch heute.
## Ein Traum jeden Barbara-Cartland-Fans
[3][Dass man nicht schlecht über Tote reden soll], hat Clehane in ihrer
ulkigen Spinnerei aus echten Personen (wie Diana oder auch der tatsächlich
existierende Park-Avenue-Schönheitschirurg Imber, der sich bestimmt über
die Werbung freut) und ausgedachten Figuren auf alle Fälle berücksichtigt:
Ihre Diana ist der Traum eines jeden Barbara-Cartland-Fans. Und einer jeden
Schwiegermutter – bis auf die echte natürlich. Doch lange hält sich Clehane
in ihrem vor Kitsch triefenden, mit übergriffigen Hypothesen gefüllten
Traumbild nicht mit Schwierigkeiten auf: Zwar lässt auch Dianas und Teddys
Sexleben nach ein paar Jahren zu wünschen übrig – „wie lange hatten sie
keinen Sex mehr? Zwei Monate? Drei?“, und die durch den Unfall und die
Medien traumatisierte Diana braucht ein wenig Zeit, um wieder Fotos von
sich in der Öffentlichkeit zu akzeptieren. Aber sie betreibt
glücklicherweise vorausschauend Pilates. Und außerdem: „life happens while
you’re busy making other plans“, um Dianas Landsmann John Lennon zu
zitieren.
Interessanter und auch absurder ist jedoch die Annahme, das öffentliche
Interesse an Diana hätte im Falle ihres Überlebens kaum nachgelassen.
Clehane ignoriert bewusst die digitale Veränderung der Welt, die
Globalisierung und die Zunahme von Informationen und Tempo – hätte die Lady
heute wirklich noch eine Schnitte gegen all die anderen wichtigen oder
pseudowichtigen Personen und Ereignisse, und würden tatsächlich noch so
viele Menschen Anteil an ihrem Leben nehmen wollen? Dianas Hochzeit mit
Charles im Jahr 1981 verfolgten weltweit 750 Millionen Menschen – bei einem
schlechter ausgebauten Rundfunknetz als heute. Die „Traumquoten“ bei Kate
und Williams „Traumhochzeit“ vor sechs Jahren beliefen sich dagegen auf
zwischen 120 und 170 Millionen Zuschauer*innen vor den weltweiten Glotzen,
die meisten von ihnen aus einer Generation stammend, für die ferne,
fantastische Adelsgeschichten sowie das Fernsehen als relevanteste
Freizeitgestaltung die Eckpfeiler ihres Lebens darstellten.
In der Versenkung verschwunden wäre Lady Diana wahrscheinlich dennoch nie.
Zu ungewöhnlich war ihr persönlicher Umgang mit der verkrusteten britischen
Monarchie, zu politisch ihre privaten Entscheidungen (wie die für zwei
muslimische Liebhaber nacheinander) oder ihre öffentlichen Statements wie
das angst- und handschuhlose Händeschütteln mit HIV- und Aids-Patienten im
Jahr 1991.
## Dokumentation von HBO
Erst Ende Juli dieses Jahres – und damit pünktlich zum 20.
Todestag-Jubiläum – wurde die für HBO produzierte Dokumentation „Diana, o…
mother – her life and legacy“ gezeigt, in der ARD lief sie vor zehn Tagen
in einer deutschen Version (und kann noch in der Mediathek angeschaut
werden). In der einstündigen Doku sprechen Dianas Söhne offen über den
Verlust ihrer Mutter im Kindesalter und über das Verbot, den Schmerz zu
zeigen, das den jungen Prinzen auferlegt wurde.
Laut ist die Kritik zwar auch in diesem mit sanftem Klaviergeklimper und
atmosphärisch-seichten Bildern unterlegten Emo-Portrait nicht. Aber sie ist
– teilweise jedenfalls – Dianas Verdienst, die ihre Söhne laut Eigenaussage
bewusst zu für ihre Verhältnisse couragierten und meinungsstarken Männern
erzog: Mit etwas Glück und dem nötigen Mut hätte sich Diana in einem
längeren Leben peu à peu vielleicht ebenfalls zu einer starken Kritikerin,
zu einem selbstbewussten Freigeist und damit letztlich zu einem nötigen
Enfant terrible der britischen Monarchie entwickeln können.
Denn Dianas Bedeutung für „Royals“ in Großbritannien und anderswo liegt
weniger in ihrem vielgepriesenen modischen Stil, der letztlich – tuffige
Locken! Schulterpolster! – seiner Zeit unschön verhaftet war. Sondern vor
allem in der Chance, die sich durch ihre Unangepasstheit ergab: Mit einer
lebendigen Diana hätte sich über die Jahre besser manifestieren können,
dass nicht blaublütige Menschen mehr als rosarote, euphemistische
Prinzessinnenfantasien und absurdes Gefasel über „patrilineare
Primogenituren“ hören wollen, bei denen zu einer Prinzengeburt 42
Salutschüsse abgegeben werden. Und dass eine aufgewühlte Öffentlichkeit das
Abspeisen mit solchen Geschichten durchschaut und mehr als oberflächlich
berichtete Krisen und glückliche oder unglückliche Lovestorys sieht, wenn
sie auf ihre altehrwürdigen, aber politisch sinn- und nutzlosen
Königshäuser blickt.
Mit Diana und ihrem leisen Kampf gegen die royalen Konventionen hätten sich
die verschrobenen Adeligen modernisieren können. Sie wären glaubhafter
geworden, wären vielleicht ein wenig mehr in der Realität der Gegenwart
angekommen. Vielleicht hätte Diana sogar jedes Mal einen Tweet abgesetzt,
wenn sie eine karitative Reise antritt oder sich mal wieder (laut Clehane
alle drei Monate) Botox spritzen lässt. Was die Follower betrifft, hätte
sie die Queen eh übertroffen. Garantiert.
31 Aug 2017
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## AUTOREN
Jenni Zylka
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