| # taz.de -- Eröffnung Tanz im August in Berlin: Without a story we would go mad | |
| > Fela Kuti ist eine Legende, als Musiker und politischer Kämpfer. Ihm | |
| > setzt der Choreograf Serge Aimé Coulibaly ein Denkmal. | |
| Bild: Szene aus Serge Aimé Coulibalys Stück „Kalakuta Republic“ | |
| Fela Kuti, der Prinz des Afro-Beat, war ein Visionär – aber auch ein | |
| Tyrann. In seiner Künstler-Kommune „Kalakuta“ – der Name verweist auf ei… | |
| überfüllte Gefängniszelle, in der Kuta einst saß -, eingerichtet mitten in | |
| der Zeit der nigerianischen Militärdiktatur als eine freie und utopische | |
| „Republik“, lebten bis zu 40 Personen – seine Familie und Bandmitglieder. | |
| Ein Studio gehörte dazu und eine kostenlose Sanitärstation. Das Leben dort | |
| war arbeitssam und gleichförmig, bestimmt von seinen Ideen und Befehlen. | |
| So erzählt es der Choreograf Serge Aimé Coulibaly in seinem Tanzstück | |
| „Kalakuta Republic“, mit dem heute Abend das Festival Tanz im August im | |
| Hebbeltheater eröffnet wird. Dann reist die Produktion weiter zum | |
| Sommerfestival auf Kampnagel. | |
| „Without a story we would go mad“, eine Songline aus einem Kuta-Stück, | |
| flimmert auf der Leinwand vorbei, man sieht Landschaften und Bilder des | |
| Musikers. Es ist eine schillernde Geschichte, diese Kommune von Kuti, die | |
| nur sieben Jahre dauerte, bis sie brutal vom Militär niedergeschlagen | |
| wurde. Kutis eigene Mutter stürzte dabei aus dem Fenster und starb später. | |
| ## Chef mit Macho-Allüren | |
| Sieben Tänzer, Burkinabé, Kameruner und eine weiße Französin, durch | |
| Farbflecken im Gesicht markiert, simulieren im funky treibenden Rhythmus | |
| Baubewegungen, beziehen sich aufeinander, arbeiten am gleichen Projekt, | |
| sind stereotyp und in meditativer Untergebenheit vereint im 45-minütigen | |
| Kuti-Stück „Army Arrangement“. Coulibaly ist mitten unter ihnen, als | |
| Erzähler, Chef, und Kuti-Verkörperer mit Macho-Allüren. | |
| Fela Kuti feierte in seinem verwinkelten Haus in Lagos, das heute ein | |
| Museum ist, zwar auch manche Drogenparty oder die eigene Hochzeit mit 27 | |
| Frauen. Aber als Aktivist und „antikolonialistischer Panafrikaner“ störte | |
| er empfindlich die Abläufe des Regimes. Mit seinen Texten hat Kuti das | |
| politische Denken in ganz Westafrika geprägt – aber im Privaten konnte es | |
| leicht dekadent werden. | |
| Auf der Bühne sieht man wie die Freiräume in Privatwahn und Missbrauch | |
| kippen und ihre utopische Kraft verlieren. „Dekadenz kann Selbstzweck | |
| sein“, wird als Motto eingeblendet, während Männer Machtfantasien ins Mikro | |
| brüllen („Ich werde Präsident sein!“, „Krieg ist ein Reinigungsritus!�… | |
| Stühle fliegen und sich die Einheit in selbstverliebtes, aber auch | |
| mitreißendes Chaos auflöst – zum Schluss werden die Frauen aber dann doch | |
| auf den Schultern getragen. | |
| ## Die Paradoxien der Macht | |
| Wie schnell können Helden kippen? Eine ziemlich relevante Frage im | |
| Kontinent, wo Freiheitskämpfer sich öfters mal in korrupte | |
| Militärdiktatoren verwandeln. Davon war Kuti natürlich weit entfernt: Er | |
| gilt heute noch als einer der Vordenker von schwarzer Bürgerrechtsbewegung | |
| und afrikanischem Selbstbewusstsein und wird, trotz aller dunklen Seiten, | |
| immer noch verehrt wie ein Heiliger. | |
| Das ist es wohl, was den 45-jährigen Choreografen Coulibaly interessiert: | |
| Die Paradoxien und Fallstricke von Macht. Die alte Frage, wie man mit Kunst | |
| – und sogar mit etwas so Sprachlosem wie Tanz – in Politik eingreifen kann, | |
| und wie es nach erfolgreichen Umstürzen weitergeht. | |
| Als 2014 seine Arbeit „Nuit blanche à Ouagadougou“ in der Hauptstadt des | |
| westafrikanischen Burkina Fasos Premiere feierte, trug eine der | |
| Hauptpersonen auf der Bühne, der Rapper Smokey, gerade parallel auf den | |
| Straßen entscheidend zum Sturz des Quasi-Diktators bei, zuweilen kam er | |
| sogar zu spät zur Vorstellung, da er die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ | |
| organisierte. | |
| ## Politik auf der Straße | |
| Selten gingen Politik und Kunst so nahtlos ineinander über wie im | |
| friedlichen Volksaufstand von Burkina Faso, der schließlich zum Sturz des | |
| Präsidenten führte. Tagsüber demonstrierte Coulibalys Company „Faso Dance | |
| Théâtre“ auf den aufgewühlten Straßen der Stadt, nachts tanzten sie die | |
| Zustände nach, wegen derer es in dem bitterarmen Land Revolution zu machen | |
| galt, peitschten die Zuschauer auf, forderten zum Sturz des Machthabers | |
| auf. Heute versucht die junge Demokratie in Burkina Faso zögernd, | |
| wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. | |
| Serge Aimé Coulibaly pendelt immer noch zwischen der Hauptstadt | |
| Ouagadougou, seinem Wohnort Brüssel und Australien hin und her, wo er seit | |
| 12 Jahren mit Aborigine-Tänzern zusammenarbeitet. Verheiratet ist er mit | |
| einer Inderin: „Ich glaube, dass die Mischung von Kulturen die | |
| Grundkonstante des Menschen ist“, sagt er. | |
| Geboren wurde er 1972 in Bobo-Dioulasso, zweitgrößte Stadt von Burkina | |
| Faso. Mit 21 Jahren, ohne jegliche Tanzausbildung, wurde Coulibaly Mitglied | |
| der Tanzkompanie „Feeren“ von Amadou Bourou, legendärer Gründervater des | |
| burkinischen Theaters. | |
| ## Große Tournee | |
| Fünf Jahre später, 1998, choreografierte er bereits die Eröffnungszeremonie | |
| der Afrika-Fußballmeisterschaft. 2001 traf er dann auf zwei renommierte | |
| Choreografen aus Europa, tanzte im geblümten Mädchenkleid | |
| kraftvoll-artistische Macho-Parodien in Alain Platels „Wolf“ und lässige | |
| Gentleman-Verführungsszenen in „Tempus Fugit“ von Sidi Larbi Cherkaoui. | |
| 2002 gründete er dann die eigene Kompanie „Faso Danse Théâtre“, mit der … | |
| bereits neun Stücke inszeniert hat. Er unterrichtet an Tanzakademien in | |
| Rom und Frankreich und tourt unermüdlich durch die Welt. Zuletzt war er mit | |
| großem Erfolg beim Festival von Avignon. | |
| Auch „Kalakuta Republic“ wird weltweit zu sehen sein, erst im Sommer 2018 | |
| geht es auf Afrika-Tournee. Obwohl schon lange Weltbürger, bleibt Afrika | |
| das Hauptthema von Serge Aimé Coulibaly, er unterstützt junge Tänzer in | |
| Bobo-Diolassou, auch heute noch Hauptsitz der Kompanie. „Es bleibt ein | |
| politischer Akt, in Europa afrikanische Choreografen zu zeigen. Dass die | |
| Finanzierung meiner Arbeit nicht aus Afrika stammt, macht mich allerdings | |
| nachhaltig traurig“, sagt er. | |
| 11 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Marcus | |
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