# taz.de -- Kommentar Krise in Venezuela: Nicht einfach den Hahn zudrehen | |
> Venezuela wird von einer machtgierigen Clique beherrscht. Um sie zur | |
> Vernunft zu bringen, bräuchte es intelligente Sanktionen. | |
Bild: Was würde wohl Simon Bolivar zur Krise in Venezuela sagen? | |
Venezuelas regierende Chavisten haben das demokratische System abgeschafft. | |
Vier Jahre nach dessen Tod ist der von Hugo Chávez proklamierte Sozialismus | |
des 21. Jahrhunderts unter seinen NachfolgerInnen zu einem Totalitarismus | |
des 21. Jahrhunderts verkommen. | |
Man muss nicht mit der rechten Opposition sympathisieren, um zu erkennen, | |
dass unter dem Deckmantel einer verfassunggebenden Versammlung ein | |
willfähriges Einheitsparlament an die oberste Spitze des Staates gesetzt | |
wurde. Zwei Jahre Zeit haben sich die Delegierten für ihre totalitäre | |
Herrschaft genehmigt, Verlängerung nicht ausgeschlossen. | |
Präsident Nicolás Maduro ist kein Diktator. Maduro ist Teil einer | |
Führungsclique, die sich auf Biegen und Brechen an der Macht halten will | |
und zu deren Gesichtern seit Freitag die ehemalige Außenministerin Delcy | |
Rodríguez als Präsidentin der verfassunggebenden Versammlung gehört. Kaum | |
im Amt, bezeichnete sie die politischen Gegner als „gewalttätige | |
Faschisten“. | |
Dass ihren markigen Worten Taten folgen, wurde am Samstag mit der | |
Amtsenthebung der unbequemen Generalstaatsanwältin Luisa Ortega deutlich. | |
Zwar stieß die Versammlung weltweit auf Ablehnung, harte Sanktionsmaßnahmen | |
wurden jedoch bisher keine verhängt. | |
Auch die Mitgliedstaaten der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft | |
Mercosur, Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, haben am Samstag | |
mit der „politischen Suspendierung“ Venezuelas einen eher symbolischen Akt | |
vollzogen, mit wenig praktischen Konsequenzen. Die USA, als einer der | |
wichtigsten Abnehmerinnen venezolanischen Öls, verhängten nur gegen | |
Einzelpersonen Sanktionen. | |
## Mächtige Verbündete | |
Schon lange gleicht die Versorgungslage mit Lebensmitteln und Medikamenten | |
in Venezuela einer humanitären Katastrophe. Venezuelas Landwirtschaft | |
produziert nur 30 Prozent der für den Bedarf der Bevölkerung notwendigen | |
Nahrungsmittel. Ähnlich ist es bei Medikamenten. | |
Doch statt ausreichend Devisen für die nötigen Lebensmittel- und | |
Medikamentenimporte bereitzustellen, unternimmt die Regierung alles, um | |
ihre Auslandsschulden zu bedienen und nicht als zahlungsunfähig eingestuft | |
zu werden. Es sollte international darüber nachgedacht werden, intelligente | |
Wirtschaftssanktionen zu verhängen, die die Regierung zu einer Änderung | |
ihrer Prioritäten zwingen. | |
Dass die USA dem südlichen Nachbarn einfach den Hahn zudrehen, wäre wenig | |
hilfreich, ist aber auch nicht zu erwarten. Allerdings nicht aus | |
humanitären, sondern aus geopolitischen Gründen: Mit Russland und China hat | |
Venezuelas Führungsclique zwei mächtige Verbündete. Die sind jedoch mehr an | |
den Öllieferungen, den Tilgungen ihrer Kredite und der zukünftigen | |
Ausbeutung der immensen Lagerstätten von Rohstoffen interessiert sind als | |
an demokratischer Ordnung und einer ausreichenden Versorgung in dem | |
Karibikstaat. | |
6 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Venezuela | |
Hugo Chavez | |
Nicolás Maduro | |
Luisa Ortega Díaz | |
Venezuela | |
Venezuela | |
Venezuela | |
Jeremy Corbyn | |
Venezuela | |
Venezuela | |
Nicolás Maduro | |
Venezuela | |
Venezuela | |
Venezuela | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Latin Affairs: Zum Abschuss freigegeben | |
„Hier spricht man nicht schlecht von Chávez“: Dieser Satz ist eine Drohung | |
an alle, die sich in Venezuela dem Regierungsdiskurs verweigern. | |
Essay Die Linke und Venezuela: Blinde Solidarität aufgeben | |
Dass die Krise in Venezuela sozial und ökonomisch so dramatisch ist, liegt | |
nicht an ausländischen Interventionen. Sie ist hausgemacht. | |
Krise in Venezuela: Alleinherrschaft übernommen | |
Der Verfassungsgebenden Versammlung sind jetzt alle staatlichen Gewalten | |
unterstellt. Aus dem Ausland kommt heftige Kritik. | |
Maduros Politik in Venezuela: Corbyn träumt weiter | |
Labour-Chef Jeremy Corbyn tut sich schwer damit, Maduros Politik zu | |
kritisieren. Der Wunsch nach einem funktionierenden Sozialismus scheint zu | |
groß. | |
Angriff auf eine Kaserne in Venezuela: Militär und Staatsgewalt | |
Militäraufstand oder Wiederherstellung der Demokratie? Ein ehemaliger | |
Kommandant lehnt sich in Venezuela gegen Präsident Nicolás Maduro auf. | |
Politische Krise in Venezuela: Generalstaatsanwältin entlassen | |
Die Verfassungsgebende Versammlung enthebt Luisa Ortega Díaz ihres Amtes. | |
Die kritische Juristin weigert sich jedoch, diesen Schritt anzuerkennen. | |
Krise in Venezuela: Durchmarsch zur Verfassung | |
Trotz internationaler Kritik, Protesten und Vorwürfen der Wahlfälschung: | |
Die Verfassungsgebende Versammlung konstituiert sich. | |
Venezuelas Verfassungsversammlung: Ein Eilantrag in letzter Minute | |
Mit einem Eilantrag versucht die Generalstaatsanwältin Venezuelas | |
Verfassungsversammlung noch zu stoppen. Doch Präsident Maduro scheint | |
unbeirrbar. | |
Kommentar Linkspartei und Venezuela: Brüder im Geiste | |
Viele Linke setzen ihre Hoffnungen auf Venezuela. Deshalb reagieren sie mit | |
Wegschauen, Beschönigen und Rechtfertigung des Regimes. | |
Linkspartei und Präsident Maduro: Lasst die Finger von Venezuela! | |
Die erste Reihe der Linken hält sich zu Venezuela zurück. Die zweite Reihe | |
weiß genau, wer an der Krise in Caracas schuld ist: Opposition und Ausland. |