# taz.de -- Chaotische Bildungsreform in Uganda: Stipendien streichen ohne Plan | |
> Jahrelang erhielten Privatschulen Geld vom Staat, weil es zu wenig | |
> öffentliche Schulen gab. Bildungsministerin Museveni will das ändern. | |
Bild: Janet Museveni will Ugandas Schulen fit macht | |
KAMPALA taz | Es herrscht Totenstille im Pausenhof: Kein lautes | |
Kindergeschrei. Das Grundstück der City-Side-Makerere-Schule in Kyebando, | |
einem armen Bezirk am Stadtrand von Ugandas Hauptstadt Kampala, ist | |
verwaist. Selbst der Sicherheitswachmann am Eingangstor hat sich aus dem | |
Staub gemacht. Dabei ist das Schuljahr in Uganda noch nicht zu Ende. | |
Nur aus einem Konferenzraum neben dem Lehrerzimmer dringen Stimmen: Knapp | |
ein Dutzend Lehrer diskutieren lautstark. Als Schuldirektor David Zzimbe | |
die Runde schließt, wirkt er entmutigt. „Wir haben aus der Zeitung | |
erfahren, dass die Regierung sich zurückzieht“, seufzt er und nimmt in | |
seinem kleinen Büro Platz. „Wenn wir nächstes Jahr kein Geld mehr vom | |
Ministerium bekommen, müssen wir schließen.“ Um das Problem zu klären, habe | |
er die 700 Sekundarschüler erst einmal nach Hause geschickt. Mehr als die | |
Hälfte davon, fürchtet er, muss er im nächsten Schuljahr abweisen – vor | |
allem die aus armen Familien. Weil die Regierung deren Schulgebühren nicht | |
weiter subventionieren will. | |
Ugandas Bildungssektor steckt im Reformchaos fest. Vergangene Woche | |
veröffentlichte das Bildungsministerium in der Tageszeitung Daily Monitor | |
eine Liste von 870 Privatschulen, die ab dem nächsten Semester keine | |
Staatsgelder mehr erhalten sollen, darunter auch die | |
City-Side-Sekundarschule von Direktor Zzimbe. „Es scheint, dass die | |
Regierung von heute auf morgen beschlossen hat, die | |
Public-Private-Partnerships mit uns Privatschulen aufzukündigen“, sagt er. | |
Das bedeute: „Die Kinder aus armen Familien, die bei uns die klügsten in | |
der Klasse sind, werden wieder einmal verlieren.“ | |
Der Schuldirektor klappt seinen Laptop auf und öffnet eine Tabelle. Pro | |
Schüler verlangt Zzimbe auf seiner Privatschule 200.000 Schilling Gebühren | |
pro Trimester, umgerechnet rund 46 Euro. Ein Schuljahr hat drei Trimester. | |
Von den Einnahmen bezahlt er seine Lehrer, die Ausrüstung in den | |
Chemielabors, Materialien, Strom, Wasser und das für die Schüler kostenlose | |
Mittagessen. Doch für die meisten Familien in dem armen Vorstadtbezirk | |
Kyebando ist das zu teuer, vor allem, wenn sie – wie in Uganda üblich – | |
mehr als fünf Kinder haben. Die Kinder auf die Sekundarschule schicken, das | |
können sich nur die wenigsten Familien leisten. | |
## Nur eine Schule für den gesamten Bezirk | |
Genau hier sollte das 2007 eingeführte allgemeine Sekundarbildungsprogramm | |
(USE) der Regierung einsetzen: Seit zehn Jahren unterrichten Privatschulen | |
wie die von Zzimbe auch Schüler mit Regierungsstipendien. Sprich: Kinder, | |
die nach der Grundschule die Tests für die Sekundarschulen bestehen, aber | |
deren Eltern kein Geld haben, werden subventioniert. 47.000 Schilling pro | |
Schüler bekommt Zzimbe vom Bildungsministerium. Die Lücke der ausstehenden | |
153.000 Schilling zum normalen Schulgeldsatz muss er selbst schließen. | |
Bisher hat das immer geklappt. Doch was passiert, wenn die Regierung jetzt | |
nicht mehr zahlt? „Das wissen wir auch nicht, ich habe keine Informationen | |
bekommen und weiß nicht, was ich den Eltern sagen soll“, sagt er ratlos. | |
Klar sei: In dem ganzen Bezirk gibt es nur eine einzige öffentliche Schule | |
und die liegt vier Kilometer entfernt. Laut Zzimbe ist sie komplett | |
überfüllt. Sein Urteil: „Die Regierung lässt die armen Familien jetzt im | |
Stich.“ | |
In Uganda wird das Thema Bildung derzeit heiß debattiert. Hintergrund ist | |
die Ernennung von Janet Museveni, der Frau von Präsident Yoweri Museveni, | |
zur Bildungsministerin nach den Wahlen 2016. Die Präsidentengattin hatte | |
verkündet, sie werde den Bildungssektor fit machen, um die hehren Ziele der | |
„Vision2040“ zu erreichen, die ihr Ehemann ausgerufen hatte. Der seit 31 | |
Jahren amtierende Präsident will das kleine ostafrikanische Land bis 2040 | |
zur industrialisierten Mittelstandsnation entwickeln. Doch angesichts einer | |
der höchsten Geburtenraten weltweit und einer immens hohen | |
Jugendarbeitslosigkeit ist klar: Der Bildungssektor muss dafür dringend | |
überholt werden. | |
Nach Einführung der Allgemeinen kostenlosen Schulbildung hat die Regierung | |
jahrzehntelang den Bildungsauftrag quasi an private Unternehmen | |
outgesourct. Nicht nur an Privatschulen wie die von Direktor Zzimbe, die | |
örtliche Geschäftsleute gegründet haben und die sämtliche Einnahmen direkt | |
wieder investiert, sondern auch an profitorientierte, ausländische | |
Unternehmen. | |
Erst eine Inventur sämtlicher Bildungseinrichtungen vergangenes Jahr hat | |
den Wildwuchs sichtbar gemacht. Nach der Inspektion hatte | |
Bildungsministerin Janet Museveni Ende 2016 die Schließung von über 60 | |
Grundschulen unter Leitung der US-amerikanischen Firma Bridge International | |
Academies angekündigt. Die Toiletten seien unter dem Hygienestandard, und | |
die Lehrer würden nicht den Bildungsansprüchen genügen, lautete die | |
Begründung. Bridge zog dagegen vor Gericht. Hinter geschlossenen Türen aber | |
wird mit dem Bildungsministerium verhandelt. Offenbar erfolgreich. | |
Gegenüber der Tageszeitung Observer bestätigt Bridge vor wenigen Tagen: | |
„Bridge-Schulen sind offen und die Einschreibungsphase beginnt, wir werden | |
fortfahren, für über 14.000 Schüler in vernachlässigten Gemeinden | |
hochwertige Bildung anzubieten.“ | |
## Bildungssektor auf Platz drei | |
Ugandas Bildungsministerium erklärt auf Anfrage: „Wir führen aktuell eine | |
Diskussion über die zukünftige Rolle von privaten Betreibern in der | |
Umsetzung unseres Regierungsvorhabens bei den Allgemeinen | |
Sekundarbildungsprogrammen“. Die Regierung habe die Unternehmen beauftragt, | |
um Lücken zu schließen. Dies sei jetzt entweder „nicht mehr machbar oder | |
notwendig“, so das Ministerium, da nun mehr staatliche Schulen und Plätze | |
zur Verfügung stünden. Das bedeute also nicht, dass das Förderprogramm USE | |
damit auslaufe. Den Bridge- Schulen sei die Möglichkeit gegeben worden, auf | |
die festgestellten Mängel zu regieren. Weitere Nachfragen, etwa ob die | |
öffentlichen Schulen die nicht mehr unterstützen Privatschüler aufnehmen | |
können, blieben unbeantwortet. | |
Im aktuellen Haushaltsjahr prangt der Bildungssektor wieder auf Platz drei | |
der Staatsausgaben, hinter Investitionen in Infrastruktur und in den | |
Energie- und Ölsektor: rund 560 Millionen Euro. Doch Bildungsministerin | |
Museveni weiß: Es fehlen 4 Millionen Euro, um die dringend notwendigen | |
4.700 Lehrerstellen in den öffentlichen Sekundarschulen zu besetzen. | |
Bei den Zahlen lacht Schuldirektor Zzimbe: „Unser Bildungsbudget steigt | |
jedes Jahr und nie ist es genug – Zeit, dass die Ministerin der Korruption | |
den Kampf ansagt.“ | |
30 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Uganda | |
Privatschule | |
Subventionen | |
Privatschule | |
Yoweri Museveni | |
Uganda | |
Uganda | |
Uganda | |
Uganda | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Privatschulen: Der falsche Gegner | |
Privatschulen fördern nicht per se gesellschaftliche Spaltung. Ihre | |
Gebühren aber müssen auch für Eltern mit schmalem Einkommen erschwinglich | |
sein. | |
Protest in Uganda: Razzia mit Sonnenbrille | |
Viele Festnahmen begleiten in Uganda ein umstrittenes Verfassungsvotum. | |
Oppositionelle wurden daran gehindert, ihre Häuser zu verlassen. | |
Machtkampf in Uganda: Der Rapper und der Präsident | |
Präsident Yoweri Museveni darf ab sofort im Amt noch älter werden. Dagegen | |
geht der jüngste Abgeordnete, der Musikstar Bobi Wine, in die Offensive. | |
Gesundheit in Uganda: Neue Hoffnung für Krebskranke | |
Fast anderthalb Jahre lang blieben zehntausende Patienten unbehandelt. | |
Jetzt wird Ostafrikas wichtigstes Krebsinstitut wieder arbeitsfähig. | |
Kommentar Kampf um die Binde: Was Afrikas junge Generation braucht | |
Beim Kampf um die Binde für Schulmädchen in Uganda geht es auch um | |
Mädchenbildung und geschlechtergerechte Bildungschancen. | |
Menstruations-Tabu in Uganda: Blutiger Kampf um Emanzipation | |
Die ugandische Feministin Stella Nyanzi forderte vom Staat die | |
versprochenen kostenlosen Binden für Schulmädchen ein. Jetzt sitzt sie im | |
Knast. |