# taz.de -- „Spiegel“-Verfassungsbeschwerde: Waffengleichheit geschützt | |
> Wegen eines Berichts über Steuertricks von Fußballstar Ronaldo zogen | |
> dessen Anwälte vor Gericht. Nun errang der „Spiegel“ einen Teilerfolg. | |
Bild: Der „Spiegel“ berichtete über Cristiano Ronaldos Steueraffäre, das … | |
KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat der Pressekammer des | |
Landgerichts Hamburg einen Warnschuss verpasst. Künftig können schon gegen | |
einstweilige Verfügungen Verfassungsbeschwerden eingelegt werden, wenn | |
Medien glauben, dass sie im Verfahren unfair behandelt wurden. | |
Im konkreten Fall ging es unter anderem um einen Bericht des Spiegel über | |
steuerliche Machenschaften des Fußballers Cristiano Ronaldo. Dieser soll | |
mit Hilfe einer Briefkastenfirma in der Karibik Steuern vermieden haben, | |
möglicherweise illegal. Der Bericht erschien Anfang Dezember. | |
Kurze Zeit später beantragten Ronaldos Anwälte eine einstweilige Verfügung | |
gegen den Spiegel. Das Material, das Ronaldo belastet, stamme aus einem | |
illegalen Hackerangriff gegen eine Anwaltskanzlei und dürfe von Medien | |
nicht verwertet werden. Das Landgericht Hamburg erließ die erwünschte | |
einstweilige Verfügung. Teile des Artikels dürfen deshalb nicht mehr | |
verbreitet werden. | |
Das Landgericht Hamburg spielt in Deutschland eine zentrale Rolle, wenn es | |
um Klagen gegen Medien geht. Da bei bundesweit erscheinenden Publikationen | |
das Gericht frei gewählt werden kann („fliegender Gerichtsstand“), wählen | |
Kläger oft das Hamburger Gericht und seine Pressekammer, weil dort | |
Persönlichkeitsrechte in der Abwägung mit der Pressefreiheit besonders hoch | |
gewichtet werden. | |
Woran sich der Spiegel in diesem und einem anderen Fall störte: Das | |
Landgericht Hamburg erließ die Verfügungen ohne mündliche Verhandlung, | |
obwohl der Fall vom Gericht ohne besondere Dringlichkeit entschieden wurde. | |
Im konkreten Fall dauerte es fünf Wochen, bis das Landgericht die | |
Verbotsverfügung erließ. „In dieser Zeit hätte man durchaus eine | |
kurzfristig anberaumte mündliche Verhandlung durchführen können“, sagt | |
Spiegel-Anwalt Marc-Oliver Srocke. Stattdessen telefoniere das Gericht | |
einseitig mit den Klägern, ohne dass der Spiegel erfahre, was dort | |
gesprochen wurde. | |
## Die Anwälte dachten sich einen Trick aus | |
Aus Sicht des Spiegel steckt System dahinter. Das Gericht entschied in den | |
miterlebten Verfahren der letzten fünf Jahre stets ohne mündliche | |
Verhandlung über Anträge auf einstweilige Verfügung. Erst wenn der Spiegel | |
Widerspruch einlege, werde dann eine mündliche Verhandlung durchgeführt, | |
aber erst Wochen später, „nachdem sich das Gericht festgelegt hat und das | |
Verbot vollzogen ist“, so Anwalt Srocke. | |
Bisher hatte das Landgericht nichts zu befürchten. Gegen den Erlass einer | |
einstweiligen Verfügung konnte noch keine Verfassungsbeschwerde eingelegt | |
werden, weil ja noch ein Widerspruch möglich war. Und im | |
Widerspruchsverfahren wurde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches | |
Gehör „geheilt“, weil nun eine Verhandlung stattfand. | |
Deshalb dachten sich die Spiegel-Anwälte einen Trick aus und klagten gegen | |
die Zwangsvollstreckung des Verbots. Dort rügten sie den mutmaßlich | |
rechtswidrigen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung. Die Klage wurde wie | |
erwartet abgelehnt und dagegen erhob der Spiegel Verfassungsbeschwerde. Mit | |
indirektem Erfolg. | |
Die Verfassungsrichter erklärten die Spiegel-Klage für unzulässig, aber | |
auch den Trick für unnötig. Denn gegen eine einstweilige Verfügung könne | |
der Spiegel durchaus direkt Verfassungsbeschwerde einlegen – wenn die | |
Waffengleichheit der Streitparteien und das Recht auf ein faires Verfahren | |
verletzt sind. Das könne etwa dann der Fall sein, wenn das Gericht den | |
Klägern „telefonische Hinweise“ gab, deren Inhalt weder offengelegt wird | |
noch rekonstruierbar ist. | |
In der Sache betrifft der Karlsruher Beschluss auch alle anderen | |
Landgerichte in Deutschland. Ob bereits der sachwidrige Verzicht auf die | |
mündliche Verhandlung eine Verfassungsbeschwerde erlaubt, ist noch unklar. | |
Das werden künftige Verfahren zeigen, wenn der Spiegel und andere Medien | |
von diesem Recht Gebrauch machen. | |
Aktenzeichen: 1 BvQ 16/17 | |
25 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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