# taz.de -- Kenias Oppositionsführer Raila Odinga: Für seine Feinde ein Kommu… | |
> Er studierte in der DDR und saß in Kenia im Knast. Mit der mutmaßlich | |
> fünften Wahlniederlage geht Raila Odingas Karriere jetzt wohl zuende. | |
Bild: Raila Odinga, umgeben von seinen treuen Wählern in Kibera, Nairobi, am W… | |
Nairobi taz | Man liebt ihn oder man verabscheut ihn, aber niemanden in | |
Kenia lässt Raila Odinga kalt. Der alte Politveteran wird von seinen | |
Bewunderern als das Gravitationszentrum der kenianischen Politik | |
bezeichnet. Seine Feinde nennen ihn grinsend den ewigen Verlierer. Und nun | |
könnte tatsächlich das Ende einer langen und tumultuösen politischen | |
Karriere gekommen sein. | |
Raila Odinga wurde in eine politische Elite hineingeboren. Sein Vater | |
Jaramogi Oginga Odinga war Kenias erster Vizepräsident nach der | |
Unabhängigkeit 1964. Präsident damals war Jomo Kenyatta, der Vater des | |
heutigen Präsidenten Uhuru Kenyatta. | |
Beide Väter waren erst Freunde, dann zerstritten sie sich. Das sorgte nicht | |
nur für Rivalität zwischen zwei politischen Familien, sondern auch zwischen | |
zwei Völkern: Die Kikuyu im kenianischen Hochland, zu denen die Kenyattas | |
gehören, und die Luo am Victoria-See, im Westen Kenias und Teilen der | |
Nachbarländer, zu denen Odingas Familie gehört. | |
Gegner von Raila Odinga nennen ihn einen Kommunisten, ein Schimpfwort im | |
kapitalistischen Kenia. Das geht auf die Zeit nach der Unabhängigkeit | |
zurück, als Kenyatta die Westbindung Kenias betrieb, während Odinga engere | |
Kontakte zum sozialistischen Lager und den Befreiungsbewegungen des | |
östlichen und südlichen Afrika hielt. | |
## Ein Kenianer am Checkpoint Charlie | |
Tansanias sozialistischer Unabhängigkeitsführer Julius Nyerere gab Odinga | |
seinen ersten Reisepass, weil Kenyatta der Familie von Oginga Odinga keine | |
Pässe ausstellte. Mit dem tansanischen Pass konnte Raila Odinga reisen. | |
Der Kommunistenvorwurf geht auch auf die Zeit zurück, als Raila Odinga | |
zwischen 1962 und 1970 Maschinenbau in Leipzig, Magdeburg und Ost-Berlin | |
studierte. Er ist bis heute stolz darauf das er als Kenianer durch den | |
Checkpoint Charlie von West- nach Ost-Berlin reisen durfte und so einiges | |
mitbrachte, wenn er zurück in die DDR kam. | |
Gleich nach seiner Rückkehr in Kenia fing sein politisches Leben an. 1982 | |
wurde er ins Gefängnis gesteckt, weil er der Mitplanung eines | |
Militärputschversuchs gegen Kenias zweiten Präsidenten Daniel arap Moi | |
bezichtigt wurde. | |
## Folter- und Isolationshaft | |
Odinga wurde nicht nur sechs Jahre inhaftiert, sondern auch schwer | |
gefoltert und die meiste Zeit von seinen Mithäftlingen isoliert. Er hat es | |
Moi nie verziehen, dass er vom Tode seiner Mutter erst nach zwei Monaten | |
durch das Gefängnispersonal benachrichtigt wurde. | |
Seitdem sieht Odinga sich als Vorkämpfer für Demokratie in Kenia. Seit der | |
Einführung des Mehrparteiensystems in 1992 hat Odinga verschiedene Parteien | |
gebildet und wieder aufgelöst. Mittlerweile war der Ost-West-Konflikt | |
vorbei. Odinga passte sich an. | |
Er nannte sich jetzt Sozialdemokrat und sagte, er wolle den Unterdrückten | |
und Ärmsten helfen. Seine Gegner hielten fest am Schimpfowrt „Kommunist“. | |
Seine Anhänger waren die Bewohner der Armenviertel, sein Wahlkreis war | |
Kibera, der größte Slum in Nairobi, wo die Armut alles bestimmt. | |
## Immer wieder Wahlen verloren | |
In all den Jahren ist es ihm nie gelungen, in seinem Wahlkreis bessere | |
Lebensumstände zu schaffen. Und er machte sich viele Freunde zu Feinden, | |
seit er 1997 zum ersten Mal bei Präsidentschaftswahlen antrat und Dritter | |
wurde. | |
2002 zog er gegen Uhuru Kenyatta den Kürzeren, als es um die Führung der | |
historischen Regierungspartei KANU (Kenia Afrikanische Nationalunion) ging; | |
er zog in die Opposition, gemeinsam mit dem Politiker Mwai Kibaki, und | |
verhalf diesem zum Sieg. Fünf Jahre später waren sie Rivalen bei den | |
nächsten Wahlen, die Odinga verlor, woraufhin es zu Gewalt mit über 1300 | |
Toten kam. | |
Aber das Wort „aufgeben“ kennt Raila Odinga nicht. Er musste und sollte | |
Präsident von Kenia werden. Er färbte seine grauen Haare wieder schwarz, | |
rannte viele Kilometer auf Tretmühlen, tat alles um Jung und energisch | |
auszusehen. | |
Doch seine rauhe, brummende Stimme wurde sanfter und matter, seine Tänze im | |
Wahlkampf immer weniger. 2013 verlor er die Wahlen erneut – gegen Uhuru | |
Kenyatta. Und jetzt scheint für Odinga auf der politischen Bühne der | |
Vorhang zu fallen. | |
11 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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