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# taz.de -- Ex-Bürgermeisterin Pforzheims angeklagt: Hochriskante Spekulationen
> Christel Augenstein steht wegen Untreue vor Gericht. Sie soll der Stadt
> Pforzheim mit Swap-Geschäften hohe Verluste beschert haben.
Bild: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hat für die Verteidigung seiner Parteifre…
Mannheim taz | Wenn sich FDP-Politiker verspekulieren, ist das nicht immer
gleich ein Fall für den Staatsanwalt. Anders liegt der Fall bei der
früheren Oberbürgermeisterin von Pforzheim, Christel Augenstein. Sie steht
zusammen mit ihrer Stadtkämmerin Susanne Weishaar als Angeklagte vor der
großen Wirtschaftsstrafkammer in Mannheim. Außerdem stehen Weishaars
Stellvertreter sowie zwei Banker vor Gericht. Am Dienstag war der Auftakt
in dem Untreueprozess.
Die FDP-Politikerin soll von 2004 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Amt 2008
dafür verantwortlich gezeichnet haben, dass die Stadt Pforzheim durch
Spekulationen mit Derivaten Millionen-Verluste erlitt. Die Rede ist von 57
Millionen Euro. Das sei allenfalls einer wirtschaftlichen Fehleinschätzung
zuzurechnen, findet ihr Anwalt, der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der für
die Verteidigung seiner Parteifreundin extra den Wahlkampf unterbrochen
hat. Die Angeklagten hätten aber keinesfalls etwas Strafbares getan.
Die Mannheimer Staatsanwaltschaft sieht das naturgemäß anders. Geschäfte
mit „Swaps“ genannten Derivaten sind für Städte laut Kommunalordnung nur
dann zulässig, wenn sie zur Absicherung von Krediten dienen. Swaps sind
hochspekulative Finanzprodukte, bei denen auf die Marktentwicklung von
Währungen Aktien oder anderen Gütern gewettet wird. Da diese Wetten nicht
in Abhängigkeit zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung stehen müssen,
sind Gewinne und Verluste schwer abzuschätzen und unterliegen enormen
Schwankungen.
Spätestens ab 2006 soll die Oberbürgermeisterin laut Anklage zusammen mit
ihrer parteilosen Stadtkämmerin, einer studierten
Wirtschaftsmathematikerin, Swap-Verträge abgeschlossen haben, die allein
der Gewinnerzielung dienten, also der Sanierung des kommunalen Haushalts.
Das ist jedoch für Kommunen nicht zulässig, sie dürfen mit solchen
Hebelprodukten nur Zinsrisiken absichern.
Wäre alles gut gegangen, hätte die 120.000 Einwohnerstadt schuldenfrei sein
können. Doch die meisten Swaps erzielten stattdessen Verluste in
Millionenhöhe. Um diese nicht aus dem Stadthaushalt bezahlen zu müssen,
versuchte die Angeklagten mit immer neuen Zinswetten Zeit zu gewinnen.
Diesem Versuch setzte die Finanzkrise 2008 endgültig ein Ende.
## Kein Einzelfall
Pforzheim ist kein Einzelfall. Hunderte deutscher Gemeinden hatten in den
nuller Jahren versucht, sich mithilfe von Derivaten von ihrer Schuldenlast
zu befreien. Oft mit desaströsen Folgen. Das zog Zivilverfahren gegen
Banken nach sich.
Der Prozess in Mannheim ist allerdings der erste in Deutschland, bei dem
Amtsträger wegen Untreue angeklagt worden sind. Anders in Österreich. Im
Juli wurde dort der langjährige Salzburger Oberbürgermeister Heinz Schaden
wegen ähnlich verlustreicher Spekulationen der Untreue für schuldig
befunden und zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Der Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer steht ein langwieriges Verfahren
bevor. Die Staatsanwaltschaft hält den Tatbestand der Untreue für erfüllt.
Zwei ebenfalls angeklagte Mitarbeiter der Investment-Bank J. P. Morgan
sollen Beihilfe geleistet haben. Der Stadt Pforzheim sei durch Gebühren und
Aufschläge für die Banken ein Schaden von insgesamt 13 Millionen Euro
entstanden.
Außerdem wirft der Staatsanwalt Augenstein und Weishaar vor, den
Gemeinderat in all der Zeit über die Spekulationsgeschäfte getäuscht und
dafür sogar ein Ausschreibungsverfahren zugunsten von J. P. Morgan
manipuliert zu haben. Die Verteidigung hält alle Vorwürfe für haltlos. Ein
Urteil wird nicht vor Januar 2018 erwartet.
8 Aug 2017
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Wolfgang Kubicki
Mannheim
Untreue
Gericht
Prozess
Kommunalpolitik
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