# taz.de -- Ermittlungen gegen Kommunalpolitiker: Pforzheim zockte mit Zinsderi… | |
> Die Staatsanwalt Mannheim ermittelt gegen Pforzheimer Politiker wegen | |
> riskanter Finanzgeschäfte. Kriminalforscher erwarten andersorts noch | |
> weitere spektakuläre Fälle. | |
Bild: Riskante Geschäfte im Rathaus Pforzheim. | |
HAMBURG taz | In Pforzheim ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht gegen | |
Banken, die den Kommunen riskante Finanzgeschäfte angedreht haben, sondern | |
umgekehrt – gegen die Kommune. Pforzheim ist dabei in das Visier der | |
Mannheimer Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen geraten. | |
Die 100.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg hatte seit 2002 riskante | |
Finanzgeschäfte, sogenannte Zinsderivate, abgeschlossen. Daraus drohen nun | |
Verluste in den Jahren 2014 bis 2017 von bis zu 77,5 Millionen Euro. Zu | |
diesem Ergebnis kommt ein 40 Seiten starker Bericht der | |
Gemeindeprüfungsanstalt (GPA). Die verzockten Millionen könnten die Stadt | |
am nördlichen Rand des Schwarzwaldes künftig in den finanziellen Abgrund | |
stürzen. | |
Dem Prüfbericht der Gemeindeprüfungsanstalt zufolge hätte die Stadt einen | |
Großteil dieser riskanten Finanzgeschäfte gar nicht abschließen dürfen, | |
denn Derivate seien nur zulässig, um die Zinsbelastung aus bestehenden | |
Krediten zu verringern. | |
Insbesondere die zu hohen Verlusten führenden Transaktionen mit der | |
Deutschen Bank und JP Morgan standen laut Gemeindeprüfungsanstalt nicht | |
mehr in Verbindung mit real existierenden Schulden und deren Zinsen. Daher | |
seien diese Geschäfte spekulativ und verstießen gegen das gesetzliche | |
Spekulationsverbot, das für Kommunen und Bürgermeister gilt. | |
Die Staatsanwaltschaft Mannheim stellte mittlerweile in der für die | |
kommunalen Finanzen Pforzheims zuständigen Stadtkämmerei Akten und Computer | |
sicher. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen nach Angaben von | |
Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) die frühere Oberbürgermeisterin Christel | |
Augenstein (FDP). | |
Sie soll zudem den Gemeinderat nicht von den spekulativen Geldgeschäften | |
informiert haben. Die Staatsanwaltschaft Mannheim sieht laut Pforzheimer | |
Zeitung in dem für Christel Augenstein und ihre Kämmerin Susanne Weishaar | |
belastenden Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt nun ihren Anfangsverdacht | |
wegen Untreue bestätigt. | |
In der Vergangenheit hatten viele Kommunen in Deutschland die | |
Steuerzahlungen ihrer Bürger mehr oder weniger hochriskant angelegt. Als | |
diese Finanzanlagen mit der weltweiten Immobilien- und Finanzkrise seit dem | |
Sommer 2007 immer mehr zu einem teuren Flop für die Städte und Gemeinden | |
wurden, klagten die Kommunen gegen ihre Bankberater vor Gericht. | |
Bislang meistens vergebens. Oft konnten die Banken in der Regel nachweisen, | |
dass sie die betreffenden Kommunen korrekt beraten hatten und es offenbar | |
die Gier der Kämmerer war, die sie zu Spekulanten gemacht hatte. | |
Seltener sind dagegen Fälle wie in Pforzheim oder Köln, bei denen die | |
jeweiligen Staatsanwaltschaften nicht gegen die Bank, sondern gegen die | |
Kommune ermitteln. In Köln wurde das Verfahren der Strafverfolger | |
allerdings zwischenzeitlich eingestellt. | |
Der Kölner Kriminalitätsforscher Werner Rügemer erwartet allerdings noch | |
viele weitere spektakuläre Fälle in Sachen zweifelhafter | |
Kommunalfinanzierung: "Oberbürgermeister und Kämmerer haben im Laufe des | |
letzten Jahrzehnts zahlreiche Geschäfte gemacht und Verträge | |
unterschrieben, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt haben." | |
9 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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Wolfgang Kubicki | |
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