Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Luftreinhalte-Prozess in Stuttgart: Grün-Schwarz vor Niederlage
> Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart tendieren zu Maßnahmen gegen
> ältere Diesel-Pkw. Sonst stehen die Grenzwerte nur auf dem Papier.
Bild: Nach Stuttgart? Niemals – nachgebauter Hanomag-Diesel
Stuttgart taz | Baden-Württemberg muss wohl bald Dieselfahrverbote in
Stuttgart einführen. Das zeichnete sich in der mündlichen Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht Stuttgart ab. Der Prozess gilt als wichtiger
juristischer Wegweiser vor dem Dieselgipfel von Politik und Autoindustrie
am 2. August.
Seit Jahren scheitert Baden-Württemberg daran, die Grenzwerte für
Stickstoff-Dioxid (NO2) in Stuttgart einzuhalten. Hauptverursacher sind
Dieselmotoren. Das Land hat zwar einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Doch
den hält die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für nicht ausreichend und
[1][klagte deshalb gegen das grün-schwarz regierte Bundesland].
Im März legte das Land einen neuen Entwurf vor. Wichtigste Maßnahme: Ab
2020 soll das ganze Stadtgebiet zur „blauen Umweltzone“ werden. Dann
dürften in Stuttgart nur noch Dieselfahrzeuge mit Euro-6-Norm sowie PKW mit
Otto-Motoren und Elektro-Autos fahren. Für diese Fahrzeuge gäbe es eine
blaue Plakette.
„Ab 2020 könnten wir so die Grenzwerte einhalten“, versprach Christoph
Erdmenger, Abteilungsleiter im Stuttgarter Verkehrsministerium von Winfried
Hermann (Grüne). Das Problem dabei: Die „blaue Plakette“ müsste von der
Bundesregierung per Verordnung eingeführt werden – und Verkehrsminister
Alexander Dobrindt (CSU) lehnt sie bisher rundweg ab.
„Wir gehen deshalb davon aus, dass die blaue Plakette nicht kommt“, sagte
Wolfgang Kern, der Vorsitzende Richter des Verwaltungsgerichts. Die blaue
Umweltzone sei wohl keine geeignete Maßnahme, „wenn sie an ein Ereignis
geknüpft wird, das wahrscheinlich nicht eintreffen wird“. Baden-Württemberg
müsse also selbst aktiv werden.
## „Maximum an Optimismus“
Tatsächlich hatte das Land in seinem Planentwurf vom März auch die
Verhängung von punktuellen Dieselfahrverboten ab 2018 vorgesehen. An Tagen
mit akuter Grenzwertüberschreitung sollten an 22 Stuttgarter
Einfallsstraßen nur noch neue Diesel fahren dürfen, die die Euro-6-Norm
einhalten. Eine Woche vor dem Prozesstermin hat das Land diese Maßnahme
jedoch „zurückgestellt“ und setzte stattdessen zunächst auf eine
Nachrüstung von Dieselfahrzeugen. Das Land wolle, so Erdmenger, die „kaum
für möglich gehaltene Dynamik“ ausnutzen, die in der Industrie jüngst
entstand, um Fahrverbote abzuwenden.
Der Stuttgarter Beamte nannte im Prozess allerdings zwei Bedingungen: Bis
Dezember müssten Autoindustrie und Bund plausible Zusagen machen, dass die
Nachrüstung mindestens soviel Reduktion bringt wie die punktuellen
Fahrverbote. Außerdem müsse ein Monitoring im Jahr 2018 ergeben, dass die
Schadstoffwerte in Stuttgart wirklich sinken.
Das Verwaltungsgericht zeigte sich von der Nachrüstungsoffensive jedoch
überhaupt nicht beeindruckt. Da die Nachrüstung im Belieben jedes
Dieseleigentümers stehe, sei sie keine staatliche „Maßnahme“, mit der das
Land seine Pflicht erfüllen könne. Richter Kern attestierte dem Land zudem
ein „Maximum an Optimismus“, was die Bereitschaft der Autofahrer zur
Nachrüstung und deren technische Wirksamkeit angeht. Gleichzeitig sei die
so erreichbare Reduzierung der NO2-Werte um höchstens neun Prozent „nicht
sehr viel“, so der Richter. Erforderlich wäre in Stuttgart, insbesondere am
Vekehrsknoten „Neckartor“, eine Halbierung der NO2-Werte.
## Gesundheit der Leute in Stuttgart schützen
Die Richter halten offensichtlich die kurzfristige Einführung von
ganzjährigen Fahrverboten für ältere Diesel im ganzen Stadtgebiet für
erforderlich. Auf präzise Vorgaben wird das Gericht aber wohl verzichten.
„Wir müssen nur feststellen, ob der vorliegende Plan ausreicht oder nicht“,
sagte Richter Kern.
Die Landesregierung verteidigte sich vor allem mit dem Hinweis auf drohende
Verkehrsverlagerungen. Es sei verboten, durch Fahrverbote in der Stadt
Grenzwertüberschreitungen im Stuttgarter Umland zu erzeugen, betonte der
Anwalt des Landes, Wolfram Sandner, „wir dürfen keine rechtswidrigen
Maßnahmen anordnen“. Richter Kern reagierte ärgerlich: „Es kann doch nicht
sein, dass Sie die Gesundheit der Leute in Stuttgart nicht schützen, weil
jemand sonst außenrum fährt.“ Wenn es Ausweichverkehre gebe, dann müsse die
Umweltzone eben vergrößert werden und notfalls den ganzen Ballungsraum
Stuttgart umfassen.
Das Urteil wird am Freitag nächster Woche verkündet – fünf Tage vor dem
Diesel-Gipfel.
20 Jul 2017
## LINKS
[1] /!5431329
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Diesel
Stuttgart
Fahrverbot
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Diesel
Dieselskandal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einladung zum „Dieselgipfel“: Ökos müssen leider draußen bleiben
Verbraucher- und Umweltverbände wurden zum Dieselgipfel nicht eingeladen.
Die Aktivisten wollen vor Gericht Fahrverbote erreichen.
Gericht zu Dieselfahrzeugen in Stuttgart: Fahrverbot gefordert
Das Verwaltungsgericht Stuttgart verlangt ein rasches Fahrverbot für
Dieselfahrzeuge. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe.
Diesel-Skandal bei Daimler: Millionen Autos werden nachgerüstet
Zehntausende Autos ließ Daimler bereits umbauen, um den Schadstoffausstoß
zu verringern. Nun sollen es mehr als drei Millionen Fahrzeuge werden.
Dicke Luft im Stuttgarter Talkessel: Streit um Fahrverbote
Die Deutsche Umwelthilfe will Baden-Württemberg zur Grenzwert-Einhaltung
zwingen. Aber das Land tut sich mit Fahrverboten schwer. Warum nur?
Fahrverbote und Dieselskandal: 12 Millionen Stinker dürfen nicht irren
Trotz des offensichtlichen Betrugs der Autoindustrie: Die Verantwortlichen
in Bund und Ländern scheuen Fahrverbote für schmutzige Diesel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.