Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Antifa: Mit Gott gegen Nazis
> Auf dem Kirchentag erlangten sie Berühmtheit: Die AkteurInnen der
> „Befreiungstheologischen Gruppe Berlin“.
Bild: Werden als Exoten wahrgenommen: Johann, Isabelle und Astrid
In der Antifaszene werden Astrid, Isabelle und Johann eher als Exoten
wahrgenommen. Und das nicht nur, weil die drei Studenten, die nur mit
Vornamen in der Zeitung stehen wollen, sehr intellektuell-abwägend über
Antifeminismus, strukturellen Rassismus und die Neue Rechte sprechen. Die
drei sind Christen und gehören der „Befreiungstheologischen Gruppe Berlin“
an.
„Unter linken AkteurInnen werde ich manchmal belächelt, weil ich Christin
bin und Theologie studiere“, sagt Astrid. Die blonde Frau wirkt ein wenig
brav. Das ist der erste Eindruck, aber er täuscht. Wenn Astrid spricht,
kann sie ordentlich austeilen. „Und in der Kirche höre ich dagegen oft, ich
sei ja so politisch. Das klingt dann wie Kritik,“ sagt die Studentin.
Das besondere an ihrer Gruppe ist, dass die AkteurInnen linke Politik mit
dem christlichen Glauben verbinden und in die Kirchen hineinwirken. Für
viele Leute aus Antifagruppen ist es sicher gewöhnungsbedürftig, dass die
Treffen der Gruppe in einem Studentencafé der Theologischen Fakultät
stattfinden.
Vor allen aber, dass die rund 20 MitstreiterInnen mit einem geistlichen
Input beginnen. Doch der ist den AkteurInnen genauso wichtig, wie die
Aktionen, die sie im Anschluss vorbereiten und die Bildungsveranstaltungen,
die sie besuchen. Zu Beginn ihrer Treffen lesen sie beispielsweise zusammen
religiöse Texte oder essen gemeinsam.
## Der linke Kontext
Die Themen nach dem geistlichen Input könnten auch in anderen linken
Kontexten vorkommen: Sie unterstützen Flüchtlinge, interessieren sich für
Feminismus, protestieren gegen die AfD, die Identitäre Bewegung und andere
rechte Gruppierungen. „Einige aus unserer Gruppe sind auch in verschiedenen
linken Kontexten unterwegs“, sagt Johann. Der Vater einer kleinen Tochter
studiert Theologie auf Lehramt.
Das ökumenisch angelegte befreiungstheologische Netzwerk, als dessen Teil
die Berliner Gruppe sich sieht, wurde 2009 in Marburg von Menschen mit
christlichem Hintergrund und biografischen Stationen in Ländern des Südens
gegründet. Mit dem Umzug einzelner AkteurInnen nach Berlin entstand eine
Gruppe in der Hauptstadt.
Auf dem Kirchentag haben sie mit einem T-Shirt auf sich aufmerksam gemacht.
„Antifaschistische Kirchen“ steht darauf. Das haben die mehr als 20
Christinnen und Christen nicht nur selbst getragen, sondern als fliegende
HändlerInnen auch verkauft. Seitdem kennt man sie in ihrer Kirche. Der
Erlös des T-Shirt-Verkaufs geht an „Asyl in der Kirche.“
Auch auf der Diskussionsveranstaltung zwischen Landesbischof Markus Dröge
und der AfD-Vertreterin Anette Schultner trugen die Antifaschisten ihre
T-Shirts. „Wenn Frau Schultner dort zur Flüchtlingspolitik erklärte, dass
man unkontrollierte Zuwanderung stoppen müsse und wenn sie von Menschen in
ihrem natürlichen Lebensraum sprach, dann wollten wir das nicht
unwidersprochen lassen“, sagt Isabelle.
## Nichts, wovor die Kirche gefeit wäre
Zwar hätte Schultners Kontrahent, Landesbischof Markus Dröge, auf der
Veranstaltung mehr Beifall bekommen als Schultner. „Aber es wäre ein
Trugschluss, anzunehmen, dass Frau Schultner dort isoliert gewesen wäre.
Die AfD hat für die Veranstaltung mobilisiert.“ Und die junge Frau ergänzt:
„Antisemitische, rassistische und antifeministische Ansichten sind nichts,
wovor Kirche gefeit ist. Damit müssen wir uns auch innerhalb unserer Kirche
auseinandersetzen.“
2013 unterstützte ihre Gruppe die Flüchtlinge auf dem Pariser Platz und dem
Oranienplatz. Sie brachten ihnen Decken und Essen. An der Theologischen
Fakultät der Humboldt-Uni organisierten sie Veranstaltungen mit
Geflüchteten aus Burkina Faso. Gemeinsam mit der Versöhnungsgemeinde an der
Bernauer Straße haben sie angestoßen, dass in der Kapelle an der
Mauergedenkstätte nicht nur für die Toten an der Berliner Mauer gebetet
wird, sondern auch für Tote an den europäischen Außengrenzen. Seit zwei
Jahren gibt es jeden Monat ein solches Gebet.
Zum G20-Gipfel sagt Astrid: „Befreiungstheologie bemüht sich darum, die
Stimme der Ohnmächtigen zu erheben und gemeinsam Hoffnung auf eine gerechte
Welt zu leben. Damit geht natürlich eine Kritik an die Mächtigen einher,
wenn diese mit Beschlüssen und Abkommen zu mehr Ungerechtigkeit beitragen
und sowieso schon Benachteiligte weiter klein halten.“ Zu den
Ausschreitungen in Hamburg wollen sie und ihre MitstreiterInnen nichts
sagen.
Die evangelische Landeskirche, der viele Gruppenmitglieder angehören, sehen
die AkteurInnen des befreiungstheologischen Netzwerks als Heimat, aber mit
kritischer Distanz. Isabelle beispielsweise stört, „dass da bisher kaum
eindeutige Position gegen homofeindliche Familienbilder bezogen wurde“. Und
die Position ihrer Kirche zu Abtreibungen teilt sie ebenfalls nicht. Johann
ergänzt: „Es geht uns darum, strukturelle Diskriminierungen in den Kirchen
aufzudecken und gegen sie Position zu ergreifen.“
## In Indonesien
Struktureller Rassismus ist auch etwas, das Astrid mit einer biografischen
Station ihres eigenen Lebens in Verbindung bringt. Nach dem Abitur hat sie
einen Freiwilligendienst in Indonesien verbracht und unterrichtete Englisch
an einer Schule. „Ich hatte keine pädagogische Ausbildung. Ich hatte
keinerlei Lehrerfahrung. Und die Landessprache verstand ich so gut wie
nicht. Da fragte ich mich, was mich eigentlich qualifiziert, hier Englisch
zu unterrichten.“
Die Antwort gab sie sich selbst: „Ich wurde auf diesen Platz gestellt, weil
ich eine Weiße bin.“ Beruflich möchte sie nach ihrem Studium nicht in einem
Land des Südens arbeiten. „Ich will den Bewegungen vor Ort nicht im Weg
stehen. Mein Platz ist hier in den Gemeinden.“
Pfarrerin möchte Astrid werden. Aber sie habe viel gelernt in Indonesien.
Globalisierung kennt sie nicht nur aus Büchern, sondern aus eigenem
Erleben. Gerechtigkeit hat für sie eine globale Komponente. „Das
Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen Hinduismus, Christentum und
Islam an einem Ort habe ich sehr positiv erlebt. Davon können wir lernen.
Ich verstehe nicht, warum es in Deutschland schon wegen Kopftüchern in
Schulen Diskussionen gibt.“
Auch Johann, der Lehrer für Mathe und Theologie wird, sieht seinen Platz
nach dem Studium in Deutschland. „Ich stamme aus einem Dorf in Sachsen. Und
in ein ostdeutsches Dorf will ich zurückkehren. Da kann ich etwas verändern
und mich am besten in die Strukturen hineindenken.“
14 Jul 2017
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
Glaube, Religion, Kirchenaustritte
Christentum
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Abtreibung
Glaube
Religion
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umstrittene Podiumsdiskussion: Katholikentag steht zu AfD-Einladung
Der Katholikentag hält an einer Veranstaltung fest, zu der auch ein
Vertreter der AfD erwartet wird. Eine Theologen-Initiative warnt vor
„Normalisierung“.
Evangelikale beim „Marsch des Lebens“: Busfahren für das Leben
Die Martini-Gemeinde mobilisiert für den „Marsch des Lebens“ in Berlin. Die
Bremer CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann fährt nicht mit.
Autor Björn Bicker über den Glauben: „Denk an den Balken in deinem Auge“
Für „Urban Prayers“ hat der Björn Bicker Gespräche mit Menschen jeden
Glaubens geführt. Sein Fazit: Wir müssen noch mehr über Religion sprechen.
EKD-Vorsitzender über Pegida: „Das Gegenteil von Christentum“
Mit den Pegida-Demos ist das Abendland wieder hoch im Diskurs. Heinrich
Bedford-Strohm über christliche Werte, Rassismus und Strategien gegen
Vorurteile.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.