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# taz.de -- Die Wahrheit: Und jeder ging über den Regenbogen
> Zeichen der Zeit: Aus Solidarität mit sämtlichen Minderheiten dieser Welt
> soll die berühmte farbige Flagge verändert werden.
Linke LGBT*-Kreise diskutieren zurzeit die Erweiterung der Regenbogenflagge
um mindestens zwei neue Streifen: braun und schwarz als Ausdruck von
Solidarität mit farbigen queeren Menschen. Die Diskussion wird engagiert
geführt, wie ein Plenumsprotokoll aus einer westdeutschen queeren
Hochschulgruppe belegt, das der Wahrheit zugespielt wurde.
Zunächst wird klargestellt, dass mittels der neuen Streifen Solidarität mit
PoC (People of Color) symbolisiert werden soll. Das Grundsatzziel wird von
allen Anwesend*en unterstützt. Ausgiebig diskutiert wird hingegen, ob Braun
als Farbe in Deutschland nicht anders belegt sei. Folgender Konsens wird
daraufhin erzielt: Um Verwechselungen auszuschließen und queeren Nazis die
Identifikation zu verunmöglichen, sollen in den braunen Streifen
AnfiFa-Symbole eingestickt werden.
## Streifen für alle
Gerrits Einwand, ob es nicht pietätlos sei, ausgerechnet im Todesjahr des
Rainbowflag-Erfinders Gilbert Baker die Flagge zu ändern, wird begegnet,
dass Baker als schwuler weißer Cis-Mann eine Gruppe repräsentiere, die die
LGBT*-Szene weltweit schon viel zu lange dominiert habe. Als Gerrit
(Masterstudium Design mit Nebenfach Gender Studies) insistiert, dass Bakers
Streifen immaterielle Werte repräsentierten (Liebe, Gesundheit, Natur,
Sonnenlicht usw.) und nicht Hautfarben, wird folgende Mehrheitsmeinung
gefasst: Schwarz und Braun stehen nicht für Hautfarben, sondern für
Solidarität mit allen PoC.
Anschließend angeregte Debatte, ob nun nicht asiatische und
nordamerikanische indigene Queers doppelt repräsentiert seien, durch
Inklusion im braunen PoC-Solidaritätsstreifen sowie die Streifen Gelb und
Rot. Kim gibt zu bedenken, dass, wenn man Gelb und Rot mische, doch Braun
rauskomme. Orange, korrigiert Gerrit. Zahlreiche Individuen in der Gruppe
empfinden Gerrits Beharren auf Fakten als verbale Gewalt. Sein*ihr Einwurf,
ob Grün dann für Aliens und Blau für queere Schlümpfe oder
LGBT-Alkoholiker*innen stehe, wird als unqualifiziert verworfen. Niemand
lacht.
Ausgiebig diskutiert wird Kays „theoretischer Einwand“, ob die Repräsentanz
für PoC durch monochrome Farbstreifen nicht eine Simplifizierung und
Reduktion auf bloße Äußerlichkeiten darstelle, also nichts weiter als eine
weitere Ausdrucksform des gesellschaftlich weit verbreiteten Lookism. Nach
etwa einstündiger Debatte besteht Konsens, dass Kay als weißer Cis-Person
es nicht zusteht, diese Zweifel zu äußern. Der braune Streifen soll dafür
aber in verschiedenen Brauntönen changieren.
Jules bringt folgenden Aspekt ein: Schwarz und Braun seien in
Fetischzusammenhängen farbsymbolisch anders belegt (sexuelle Vorlieben für
Lack/Leder bzw. Exkremente). In der Diskussion vertritt er*sie dann die
Minderheitsmeinung, die Farbsymbolik inklusiv zu interpretieren. Sie*er
habe einen Mitbewohner, und auch, wenn der manchmal rieche wie eine
mittelalterliche Burglatrine, solle er sich doch durchaus in der Flagge
wiederfinden können, wenn er es denn wolle. Mika wirft daraufhin ein, dann
sollten halt die Exkrement-Liebhaber*innen ganz viel Milch trinken, dann
repräsentiere sie der grüne Streifen, der stehe für Natur, also auch
Stoffwechsel. Anschließend massiver Widerspruch gegen Milch von allen
Veganer*innen.
Sascha wirft später folgende Frage auf: Wenn die Farben für Hautfarben
stünden, wo seien dann eigentlich weiße LGBT* in der Flagge repräsentiert?
Es bilden sich zwei Lager: Das eine argumentiert, sie bräuchten nicht in
die Flagge mit rein, die Welt um die Flagge rum sei ja weiß dominiert
genug. Das zweite Lager besteht aus René (Bachelor Physik), die*der
ausführt, dass lichtsphysikalisch gesehen, in der Optik Weiß entstehe, wenn
man alle Farben zusammenmische: Weiß sei quasi die „Meta-Farbe“ der
Rainbowflag. Daraufhin wird René von einem Karton CSD-Flyer am Kopf
getroffen. Sitzungsunterbrechung, um ihre*seine blutende Platzwunde zu
versorgen.
Anschließend Einmütigkeit darüber, dass das Werfen von Flyern nicht als
Gewalt gelten kann, da der Luftraum das natürliche Habitat von Flugblättern
ist (1 Enthaltung, da René noch nicht bei Bewusstsein ist).
Lyle erinnert an einen schwulen Albino-PoC und daran, dass Minderheiten
innerhalb von Minderheiten oft ganz besonders benachteiligt sind. Nach
erneut hitziger Diskussion wird folgender Kompromiss gefunden: Auf der
Grenze zwischen Schwarz und Braun soll ein weißer Punkt („wie ein
Pixelfehler“) queere Albinos symbolisieren.
## Streifen für Juden
In der Folge wird diskutiert, ob jüdische LGBT*-People einen eigenen
Streifen brauchen, aber niemandem fällt eine unverfängliche Farbe ein,
allerdings wird im Zuge der Diskussion beschlossen, dass ein schwarzweiß
karierter Streifen in PLO-Tuch-Optik die Solidarität mit queeren
Palästinenser*innen bekunden soll. Kim lobt, dass sich damit auch queere
Emos in der Flagge wiederfinden könnten.
Später wird diskutiert, ob Lila eigentlich auch die FrauenLesben-Bewegung
repräsentiere. Doch welche Geschlechter repräsentieren dann die anderen
Farben? Schnell besteht Einigkeit, dass der lila Streifen nicht parallel
verlaufen darf. In einer Kampfabstimmung gewinnt Diagional vor Quer und
Bogen. Zudem besteht Konsens, dass schnurgerade Parallelstreifen ein zu
gleichförmiges Menschenbild vertreten und durch Zacken, Bögen und
Mischverläufe gebrochen werden sollen.
Gerrits Einwand, die Rainbowflag würde dadurch (Zitat) „potthässlich“, wi…
als verbale Gewalt zurückgewiesen. Vielmehr besteht Konsens, dass eine
politische Rainbowflag nicht schön sein muss, da Ästhetik nur Lookism für
Dumme sei. Eine „echte“ Regenbogenflagge müsse das sein, was die
heteronormative Umwelt als hässlich abwerte. Gerrit verlässt daraufhin den
Raum und die Gruppe.
Luka bringt in diesem Kontext ein, dass PoC nicht die einzigen von Lookism
Betroffenen seien. Dicke LGBT*-Personen würden in der Szene auch regelmäßig
diskriminiert. Nach eingehender Diskussion besteht Konsens, einen Streifen
der Flagge breiter zu machen als sichtbares Zeichen gegen das Fat Shaming.
Als passende Farbe wird Rot ausgewählt, weil Rot in der Flagge für Leben
stehe („fat life matters“). Die Frage, ob das nicht die indigenen Völker
Nordamerikas diskriminiere, wird hitzig, aber ergebnislos diskutiert.
## Streifen für Blinde
Die Repräsetanz gehandicapter Queers erweist sich als besonders schwierig.
Für blinde LGBT* wird Gelb mit schwarzen Punkten oder ein dünner weißer
Streifen (= Blindenstock) erwogen. Den Durchbruch erzielt Kims Hinweis, der
weiße Albino-Punkt lasse sich auch als Querschnitt durch einen Blindenstock
interpretieren. Für gehörlose Queers wird noch keine Lösung gefunden, da
die einzige Farbe, die das Plenum mit Ohren assoziiert, das schon mehrfach
belegte Rot ist.
Lyle bringt ein, dass wenn Dicke in der Flagge seien, natürlich auch
Kleinwüchsige repräsentiert sein müssten. Daraufhin Beschluss, dass die
Rainbowflag einen kurzen Streifen braucht. Die Entscheidung, welcher das
sein soll, führt zu einem heftigen Streit, der auch nach dreistündiger
Diskussion nicht im Konsens gelöst werden kann. Vertagt wird auch die
Frage, wessen Mutter die Flagge näht.
8 Jul 2017
## AUTOREN
Volker Surmann
## TAGS
Queer
Minderheiten
Schwerpunkt LGBTQIA
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