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# taz.de -- Die Wahrheit: Krieg der Autoparker
> Der 7. Sinn: Guerilla Parking als neuer Trend in deutschen Städten. Schon
> ein halber Meter kann den Unterschied machen.
Bild: Auch eine Möglichkeit, sich einen Parkplatz zu sichern: So lange parken,…
Jeder Autobesitzer kennt das Phänomen: Man fährt die Straße rauf und
runter, findet partout keine passende Parklücke, aber zwischen mindestens
zehn parkenden Wagen ist Platz. Doch so wenig, dass gerade kein Auto mehr
reinpasst. Warum ist das so? Zufällige Verschiebungen durch wiederholtes
Ein- und Ausparken, wie fantasielose Statistiker vorrechnen? Oder sind
allein egoistische Arschlochparker schuld, die ihren SUV aus Prinzip mittig
in eine Doppelparklücke stellen? Ja auch, lautet die Antwort. Doch
wichtigster Grund für das Phänomen ist mittlerweile: Guerilla Parking –
eine ökologisch motivierte Bewegung, die immer mehr Metropolen erfasst.
Wir verabreden uns mit Mario Stoll, Ingenieur für einen
Windenergie-Betrieb, Bezirksverordneter der Grünen in Berlin-Mitte. Stoll
kommt mit dem Auto, einem weißen Toyota mit Hybridantrieb und
Windkraftlogo. Er steuert zielgenau die größte Parklücke in der Straße an,
parkt lässig vorwärts ein, doch anstatt aufzurücken zum Fahrzeug vor ihm,
rangiert er noch einmal zurück und lässt seinen Wagen mittig in der Lücke
stehen. Gute zwei Meter bleiben vorne und hinten frei, da passt nicht mal
ein Smart rein.
Stoll begrüßt uns freundlich, schaut sich um. „In Köln müssten wir jetzt
rennen, da gibt’s schnell mal was auf die Fresse, wenn man so parkt“, lacht
der bärtige Wohlfühlbär. „Da lob ich mir die Ignoranz der Berliner!“
## Große Lücken, großes Plus
Wir gehen mit dem Mitvierziger in ein vegetarisches Café um die Ecke, wo
schon Susanne Fritzsche auf uns wartet, ebenfalls eine überzeugte
Guerilla-Parkerin. „Schauen Sie“, deutet sie resolut nach draußen, wo sich
gerade eine ältere Dame zwischen zwei parkenden Autos hindurchzwängt. Ihr
Rollator verfängt sich in der Anhängerkupplung eines SUV, sie kommt zu Fall
und wird von einer Straßenkehrmaschine weggefegt.
„Deshalb mache ich Guerilla Parking!“ Fritzsche hebt eindringlich ihre
Stimme. Eine Straße mit großen Lücken zwischen parkenden Fahrzeugen bedeute
eben ein großes Plus an Lebensqualität. „Da passen auch Leute mit Hund oder
Kinderwagen durch, man kommt mit dem Fahrrad von der Straße zur Haustür.
Nichts ist menschenfeindlicher als eine Stoßstange an Stoßstange zugeparkte
Straße!“, erklärt Fritzsche das Grundprinzip des Guerilla Parking. „Das i…
wie bei großen Waldbränden, wo man manchmal Feuer mit Feuer bekämpfen
muss“, ergänzt Windenergie-Ingenieur Stoll. „Wir bekämpfen Autos mit
Autos!“
## „Wir schaffen urbane Freiräume!“
Stoll betreut Windparks im Brandenburgischen. Da ist er auf ein Auto
angewiesen, kein Windpark hat einen Busanschluss. „Ich muss Auto fahren,
bin mir aber meiner Verantwortung als Pkw-Besitzer bewusst.“
Guerilla Parking stehe für ein integratives Verkehrskonzept, in dem alle
Verkehrsteilnehmer gleichermaßen Berücksichtigung finden. „Wir schaffen
urbane Freiräume!“, ruft Susanne Fritzsche und nippt an ihre Latte. „Und da
ist es mir egal, wenn es hinterher wieder heißt, Frauen könnten nicht
einparken! Völliger Fehlschluss, wir Frauen sind uns einfach stärker
unserer ökologischen Verantwortung bewusst.“
Polizei und Ordnungsämter sind machtlos gegen den Trend. „Außer jut
jemeinten Hinweisen könn’ wa denen nix“, erklärt Luise Knoll,
Kontaktbereichsbeamte in Berlin-Kreuzberg. „Ick würd denen jern ma’ den
Spiegel abtreten, darf ick leida nich.“ In der StVO gebe es nun mal keine
Pflicht zum platzsparenden Parken.
## Motorisierte Bürgerwehren
Eine Gesetzeslücke, wie der ADAC findet. Wie zu erwarten, treffen die
sozialökologischen Ziele der Bewegung hier auf wenig Gegenliebe. „Das sind
einfach nur Arschlöcher!“, verliert Timo Burger von der ADAC-Taskforce
„Motor der Großstadt“ jede Contenance. In einigen besonders betroffenen
Arealen habe man es mit motorisierten Bürgerwehren versucht: Einsatzwagen
patrouillierten, gaben Einparkhilfe oder sollten rücksichtslose
Parkraumfresser auf frischer Tat ertappen und zur Rede stellen. Gelungen
ist das allerdings noch nie. „Immer wenn wir welche beobachtet hatten,
fanden wir keine Parklücke, um sie zu stellen“, räumt Timo Burger ein.
Eine letzte Frage fällt uns ein, als wir Mario Stoll zurück zu seinem Wagen
mit dem Windkraftlogo begleiten. Wenn er selbst abends mal heimkommt und
keine Parklücke mehr findet: Ärgert er sich? Und was macht er dann? „Das
ist in der Tat ein Problem“, so Stoll. Aber für diesen Fall seien die
Guerilla-Parker im Viertel in einer WhatsApp-Gruppe organisiert. Einer
finde sich immer, der aufrücke und ihn mit in seine Doppelparklücke
reinnehme.
Doch verrät er damit nicht die Ziele des Guerilla Parkings? „Also
päpstlicher als der Papst muss man nicht sein“, sagt er. Wenn er morgens
seine Tochter zur Kita bringe, könne er mit ihr nicht erst einen Kilometer
zum Auto laufen. Dann, meint Stoll, „kann man ja gleich zu Fuß zur Kita
gehen“.
6 Apr 2017
## AUTOREN
Volker Surmann
## TAGS
Verkehr
Autos
Falschparken
Restaurant
Pedelec
Queer
Schnee
Sommer
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