| # taz.de -- Die Wahrheit: „Koffer machen keine Haufen!“ | |
| > Das Wahrheit-Interview: Florian von Trabbel über das erste Volksbegehren | |
| > für eine rollkoffergerechte Stadt. | |
| taz: Herr von Trabbel, wieso Ihr Volksbegehren? | |
| Florian von Trabbel: Ganz einfach: Rollkofferführerinnen und -führer werden | |
| im deutschen Verkehrsrecht bislang systematisch vernachlässigt. Wir fordern | |
| die völlige Anerkennung von Rollkoffern als Verkehrsmittel, zweitens, die | |
| Einrichtung separater Rollkofferspuren auf den Gehwegen im Umfeld von | |
| Bahnhöfen und Flughäfen und, drittens, die Entfernung sämtlichen | |
| Kopfsteinpflasters in allen deutschen Innenstädten. | |
| Aber das sind dann doch Milliardeninvestitionen! | |
| Ich bitte Sie. Wie viele Millionen werden für Radwege ausgegeben? Überall | |
| behindertengerechte Bahnhöfe! Was unterscheidet Rollkofferführer von | |
| Rollstuhlfahrern? Nichts! Ein Rollkoffer schränkt mindestens so sehr ein | |
| wie eine Querschnittslähmung. | |
| Ein gewagter Vergleich! | |
| Ich weise lediglich darauf hin, dass für einige Verkehrsteilnehmer viel | |
| getan wird, für andere hingegen nicht. Nehmen Sie diese neuen | |
| Blindenleitsysteme an Bahnhöfen, diese geriffelten weißen Bodenplatten. | |
| Furchtbar! Wie schnell gerät auf diesem Blindengeriffel ein Rollkoffer ins | |
| Schlingern oder, ich möchte es gar nicht aussprechen, eine Rolle bricht ab! | |
| Wie furchtbar! | |
| Eben! Selbst Hundehalter werden besser behandelt, dabei laufen Rollkoffer | |
| immer bei Fuß und machen keine Haufen auf die Straße! | |
| Aber man tritt auch oft rein. | |
| Hinzu kommt: Der durchschnittliche Rollkoffer nimmt ja an Gewicht zu. Schon | |
| heute sind die meisten Trolleys so schwer, dass viele Kofferführer sie gar | |
| nicht mehr heben können! Da muss der Staat doch handeln! | |
| Wäre es nicht einfacher, Sie würden mit anderen Initiativen | |
| zusammenarbeiten: Menschen, die auf Rollstühle angewiesen sind oder Eltern | |
| mit Kinderwagen? Ihnen allen geht es doch um Barrierefreiheit. | |
| Barrierefreiheit ist ein gutes Stichwort! Rollifahrer mit ihren klobigen | |
| Elektrorollstühlen oder Mütter mit Kinderwagen – große Güte, es gibt sogar | |
| Zwillingskinderwagen! –, die verstopfen uns Rollkofferführern regelmäßig | |
| die Aufzüge! Aber wir sind schneller, wir sind die Leistungsträger der | |
| Gesellschaft. Im Grunde sollte man heutzutage schon von „Leistungsrollern“ | |
| sprechen. | |
| Aber könnte es nicht sein, dass viele Menschen einfach zu doof sind, mit | |
| einem Trolley umzugehen? Wie viele Rollkoffer mir schon über die Zehen | |
| gezogen wurden … | |
| Richtig. Rollkoffer werden in der Verkehrserziehung völlig vernachlässigt. | |
| Das Führen eines Rollkoffers muss von Kindesbeinen an erlernt werden! | |
| Wie soll das passieren? | |
| Wie oft wird über schwere Schulranzen geklagt! Die Lösung liegt auf der | |
| Hand: Mit dem Rollkoffer zum Unterricht. Und dann Fahrschule! Der | |
| Ethikunterricht in vielen Bundesländern bietet sich dafür regelrecht an. | |
| Wie bitte? Ethikunterricht?! | |
| Rollkoffer sind eine moralische Frage. Ich sage nur: Rücksichtnahme! Es | |
| sollte einfach eine Selbstverständlichkeit sein, dass Fußgänger, sobald | |
| sich ein Rollkofferführer nähert, aus dem Weg springen. Perspektivisch | |
| fordern wir, nach Stilllegung des Berliner Flughafens Tegel auf dem | |
| Rollfeld ein Rollkofferübungsgelände einzurichten. | |
| Planen Sie auch Aktionen? | |
| Natürlich. Schon jetzt wählen wir den Weg des zivilen Ungehorsams. Um auf | |
| das Problem zu enger Züge hinzuweisen, steigen wir regelmäßig in ICEs ein | |
| und laufen mit unseren Rollkoffern einmal längs durch den Zug und möllern | |
| alles platt, was im Wege ist. | |
| Das sind also gar keine Horden von Volldeppen, die zu dämlich sind, den | |
| Wagenstandsanzeiger zu lesen? | |
| Nein, das sind wir. Wir zeigen, dass gute 100 Prozent aller deutschen Züge | |
| für handelsübliche Rollkoffer zu schmal gebaut sind. | |
| Gibt es nicht dringendere Probleme bei der Deutschen Bahn? Pünktlichkeit? | |
| Oder Klimaanlagen im Sommer? | |
| Hitze in Zügen ist dann ein Problem, wenn man kein Handtuch aus dem Koffer | |
| ziehen kann, weil der nicht mit in den Zug reinpasste. | |
| Aber könnte man nicht einfach die Rollkoffer kleiner machen? | |
| Ich bitte Sie! Verkehrsmittel sind für den Menschen da. Freiheit ist auch | |
| immer die Freiheit des Großbekofferten. Rollkoffer sind Kennzeichen der | |
| Individualität! In den USA gibt es schon erste | |
| Mensch-Trolley-Look-alike-Wettbewerbe. | |
| Bleiben wir lieber beim Thema Bahnfahren. | |
| Gern. Nirgends werden Rollkoffer mehr benachteiligt. Oft passt er ja nur | |
| noch auf den Nebensitz des Reisenden. Da verlangte neulich ein Schaffner | |
| ernsthaft eine zweite Fahrkarte für den Koffer! Das sollte er mal bei einem | |
| Übergewichtigen probieren, da hätte er aber sofort die Menschenrechtslobby | |
| am Hals! Doch was ist ein Rollkoffer anderes als outgesourctes Übergewicht? | |
| Und dann müssen wir mit ansehen, wie Rollstuhlfahrer per Hebebühne in den | |
| Zug gehoben werden, aber Schwerstbekofferten wird diese Einstiegshilfe | |
| verwehrt. Das ist Diskriminierung! | |
| Aber wie groß sollen Rollkoffer denn noch werden? Die neue Generation kommt | |
| ja schon auf vier Rollen daher. | |
| Finden Sie dafür mal ein Schließfach! Aber an jedem verdammten Bahnhof gibt | |
| es Fahrradparkhäuser. Wo sind die Rollkofferparkgaragen? Und vergessen Sie | |
| nicht die Chancen der Großkoffer! Der Wohnungsmarkt in den Ballungszentren | |
| ist eng. Erste Studenten leben nicht mehr aus ihrem Rollkoffer, sondern in | |
| ihm! | |
| Ist das richtig: Sie wollen das Thema auch im Grundgesetz verankern? | |
| Genau! Wir fordern: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner | |
| Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, | |
| seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder | |
| seines Rollkoffers benachteiligt oder bevorzugt werden.“ | |
| Wäre das Recht auf selbstbestimmte sexuelle Identität da nicht eine viel | |
| drängendere Ergänzung? | |
| Die ist doch bei den Rollkoffern quasi mit drin! Wer hat denn immer die | |
| größten? Das sind doch die Schwulen! Wir hingegen fordern die sofortige | |
| Abschaffung der 23-Kilo-Grenze im Flugverkehr sowie staatliche | |
| Schutzmaßnahmen für Rollkoffer. | |
| Was meinen Sie denn damit? | |
| Der Staat hat die Pflicht, das Eigentum seiner Bürger zu schützen. Wir | |
| sagen: Vor Flugreisen muss die Verpackung von Rollkoffern in | |
| Frischhaltefolie eine steuerfinanzierte Leistung sein. | |
| Was sagen Sie Anwohnerinitiativen an Flughäfen? Am künftigen Berliner | |
| Flughafen BER werden 32 Millionen Fluggäste erwartet. Das sind im | |
| schlimmsten Fall 32 Millionen Rollkoffer – dabei verursachen schon zehn | |
| Rollkoffer auf einem Gehweg den Lärm einer startenden Tupolew 204. | |
| Deshalb ja unsere Forderungen nach internationaler Ächtung von | |
| Kopfsteinpflaster sowie Flüsterasphalt auf Gehwegen. Das Problem am BER | |
| geht aber noch weiter, alle reden von der Entrauchung, aber niemandem ist | |
| aufgefallen, dass alle BER-Planungen noch aus der Vor-Rollkoffer-Ära | |
| stammen. Die Nachrüstung wird Jahre dauern! | |
| Haben Sie denn schon Unterstützer gefunden für Ihr Volksbegehren? | |
| Wir arbeiten auf der Basis von Spenden. Hinter uns steht ein breites | |
| Bündnis aus ADAC, CDU, FDP, Teilen der AfD sowie einigen mittelständischen | |
| Firmen. | |
| Also ein Bündnis „Vollkoffer für Rollkoffer“. Welche Firmen sind das denn… | |
| Titan, Delsey und Samsonite. Wieso? | |
| Herr von Trabbel, wir danken Ihnen für das Gespräch. | |
| 21 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Volker Surmann | |
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