| # taz.de -- Die Wahrheit: Bruder Leichtfuß, Schwester Bleifuß | |
| > Besonders vor Schulen ist ein erhöhtes Aufkommen monströser | |
| > Geländepanzerwagen zu beobachten, die gern von besorgten Müttern gefahren | |
| > werden. | |
| Mein Bruder ist ein Verkehrsteilnehmer, wie ihn die Grünen sich nicht | |
| hübscher ausmalen könnten – er nimmt nicht teil am Verkehr. Und wenn doch, | |
| dann auf seinem Rennrad. Wenn er mit seiner Frau unterwegs ist, nehmen | |
| beide aus Platz- und Zweisamkeitsgründen das Tandem. Wenn es in den Urlaub | |
| geht, etwa nach Kopenhagen, dann nehmen sie sich etwas Zeit und ebenfalls | |
| das Rad. Da kennen die nix. | |
| Mein Bruder verzichtet mit einer Inbrunst aufs Auto, dass er diese | |
| Leidenschaft gern auch meiner Schwester vermitteln würde, die neulich die | |
| Anschaffung eines Kleinwagens erwogen hat. Mein Bruder gab richtig Gas, | |
| steigerte sich in hochtourige Agitation. Dreckig sei das Auto, gestrig und | |
| teuer, wo es doch in Berlin so innovative Verkehrskonzepte gebe. Bus | |
| beispielsweise. Carsharing, in Gottes Namen. Oder das Rad. | |
| Im spanischen Städtchen meiner Schwester dagegen sind Autos nicht teilbar. | |
| Der Bus kommt, wenn überhaupt, nur alle anderthalb Stunden. Auf dem Rad | |
| kann man sich von der Sonne grillen oder eben vom Bus überfahren lassen, | |
| weil niemand mit Zweirädern rechnet. Den entsprechenden Vorschlag meines | |
| Bruders quittierte meine Schwester denn auch abschlägig: „Zur Schule sind | |
| es vierzig Minuten, Freundchen. Aber stimmt schon, in einem Land, wo | |
| Leitungswasser kein Trinkwasser ist, sollten alle nur Rad fahren! Und dann | |
| eben die läppischen zwölf Liter Mindestbedarf an Wasser im | |
| Vierpersonenhaushalt easy im Rucksack heimgondeln.“ | |
| Ich selbst halte mich da raus. Habe alles um die Ecke und bringe meine | |
| Töchter zu Fuß in die Schule. Wir gehen etwa zwanzig Minuten. Ist immer was | |
| los. Unser Weg führt uns durch den Park an der kleinen Wasserburg vorbei, | |
| wo uns einmal ein sehr junges oder auch sehr dummes Eichhörnchen verfolgt | |
| hat, über eine vierspurige Straße und durch die Unterführung unter den | |
| Gleisen hindurch, über die Güterzüge daherdonnern, und dann erst wird’s ein | |
| bisschen brenzlig. | |
| Das Viertel, in dem die Schule liegt, hat enge Gassen, und durch diese | |
| Gassen schieben sich jeden Morgen ganze Karawanen besorgter Eltern. Es | |
| könnte so idyllisch sein, hockten diese Eltern nicht alle hinter dem Steuer | |
| ihres Cayenne, X5, Touran, Q7 oder wie diese aufgebockten | |
| Geländepanzerwagen alle heißen, die speziell bei Frauen sehr beliebt sind. | |
| Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen. Männer fahren keine SUV, zu feminin, | |
| die Fahrzeuge. | |
| Mir soll’s recht sein, solange meine Töchter nicht den | |
| Sicherheitserwägungen verletzlicher Frauen zum Opfer fallen. Aber es geht | |
| auf den letzten Metern ohnehin nur in Schrittgeschwindigkeit voran. Was | |
| daran liegt, dass diese Giganten bis direkt vor den Eingang der Schule in | |
| eine Sackgasse manövriert und dort umständlich wieder gewendet werden | |
| müssen. Ideal wäre eine Drive-in-Schule, bei der Eltern ihren Nachwuchs bis | |
| direkt ins Klassenzimmer helikoptern können, aber zu solchen Innovationen | |
| fehlt uns hierzulande mal wieder die Kraft. Armes Deutschland! | |
| 30 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
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