# taz.de -- Förderung der „Free Open Airs“: Rave einfach machen | |
> Illegale Raves – ein Freiraum, in dem man sich ausprobieren kann. Auch | |
> die Industrie- und Handelskammer unterstützt die freien Open Airs | |
Bild: Joggen sie noch oder tanzen sie schon? Der Tiergarten hat Platz für viel… | |
Ein Sonntagnachmittag in Treptow: Auf einer von städtischer Gestrüppnatur | |
umgebenen Wiese steht ein mobiles DJ-Pult, eingerahmt von zwei kniehohen | |
Boxen, aus denen Elektro kommt. Vor dem Pult tanzen etwa 20 Leute, | |
ringsherum sitzen weitere 30, rauchend, redend, trinkend. An einem | |
improvisierten Tresen gibt es Billig-Pils für 1,50 Euro. Eine Genehmigung | |
für dieses kleine Open Air hat hier niemand. | |
Berliner Feierkultur, wie sie im Sommer immer wieder an vielen | |
verschiedenen Orten zu erleben ist. Doch diese Open-Air-Veranstaltungen | |
haben es schwer in einer Stadt, die immer dichter bebaut wird – und in der | |
es etliche Anträge braucht, wenn man eine solche Veranstaltung legal auf | |
die Beine stellen will. Die pragmatischere Variante darum: aufbauen, Musik | |
an, hoffen, dass sich niemand beschwert. | |
Dass das dann manchmal in die Hose geht, weiß Tom Kern. Der Berliner hat | |
mit seiner Open-Air-Crew bereits mehrmals erlebt, wie solche | |
Veranstaltungen durch die Polizei aufgelöst wurden. „Meistens waren der | |
Grund Anwohner, die sich durch die Musik gestört gefühlt haben“, sagt Kern. | |
Eine Anmeldung kam auch für ihn meist nicht infrage: „Zu kompliziert, | |
lieber einfach machen.“ | |
Die Berliner Clubcommission will Leute wie Tom Kern unterstützen. Der | |
Zusammenschluss von Club- und KultureventveranstalterInnen hat sich vor 17 | |
Jahren gegründet. Freiräume für die Szene sollten erhalten bleiben. „Das | |
Motto gilt damals wie heute“, erklärt Marc Wohlrabe, Mitinitiator der | |
Clubcommission. | |
## Freiräume erhalten | |
Der Verein und die Politik liegen da gar nicht so weit auseinander. Im | |
Regierungsvertrag schreibt Rot-Rot-Grün: „Die Koalition strebt die | |
Entwicklung von Orten im öffentlichen Raum an, die unbürokratisch für nicht | |
kommerzielle Musik- und Party-Veranstaltungen unter freiem Himmel genutzt | |
werden können.“ Darüber und über einen clubaffinen Kultursenator freue man | |
sich bei der Clubcommission, sagt Lukas Drevenstedt. | |
Er hat sich in den letzten Jahren im Verein schwerpunktmäßig mit dem Thema | |
der Free-Open-Airs auseinandergesetzt und betont, wie wichtig diese Art von | |
Veranstaltungen ist: „Für viele Leute, die noch kein Teil einer Szene sind | |
oder als Künstler keine Referenzen haben, sind Open-Airs der Raum, in dem | |
sie sich ausprobieren können.“ Das sei auch für die Clubszene in Berlin | |
wichtig, denn „die Szene professionalisiert sich immer stärker, darf dabei | |
ihren Nachwuchs aber nicht vergessen“. | |
Für die Förderung der „Free Open Airs“ plädiert auch die Industrie- und | |
Handelskammer (IHK) Berlin. Seit 2015 veranstaltet der Unternehmens- und | |
Wirtschaftsverband gemeinsam mit der Clubcommission Workshops. Auf die | |
Frage, was den Unternehmensverband mit illegalen Raves verbindet, erklärt | |
Jürgen Schepers von der IHK Berlin: „Avantgarde und Subkultur ist Humus für | |
neue Ideen und wirtschaftliche Erlösmodelle.“ | |
Rund 15 Milliarden Euro ziehe Berlin laut Schepers aus der Kunst- und | |
Kreativwirtschaft jährlich, „ein triftiger Grund, die Open Airs zu | |
unterstützen“, findet er und fügt hinzu: „Berlin ist groß geworden durch | |
das, was jenseits der Restriktionen passierte.“ | |
## „Nehmt euren Müll mit“ | |
Den jetzt im Juni abgehaltenen „Free Open Air“-Workshop prägte dann doch | |
etwas weniger die Anarchie und mehr das Motto Zukunftsinvestition. Rund | |
hundert Open-Air-Veranstalter*innen und jene, die es werden wollen, kamen | |
dazu in der IHK in Charlottenburg zusammen, hörten Vorträge zur rechtlichen | |
Rahmensituation, machten sich, wenn es nicht so ganz illegal sein soll, mit | |
Genehmigungsverfahren vertraut, erhielten Praxistipps („Nehmt euren Müll | |
mit, seid nett zu den Polizisten“) – und netzwerkten. | |
Auch Tom Kern war dabei: „Um mich auszutauschen und Leute kennenzulernen.“ | |
Und Markus Rau*. Zum Workshop zog es ihn, weil er sich gern auf Open Airs | |
herumtreibe, „vielleicht mal selber was organisieren“ wolle. Und weil er | |
sich fragte, wie man gängige Konflikte vermeide. „Einmal hat das | |
Ordnungsamt etwa schon im voraus auf der Facebookseite von einem illegalen | |
Open-Air gepostet und sich beschwert, dass sie gar nichts von der | |
Veranstaltung wüsste“, berichtet er. Das Open Air sei dann geplatzt. | |
Andere wiederum berichten von Veranstaltungen, die nach einer | |
Facebook-Ankündigung überlaufen wurden. Viel Werbung machen die | |
unangemeldeten Raves darum meist nicht. „Das ist natürlich ein Dilemma“, | |
meint Lukas Drevenstedt, „man muss schon ein bisschen an der Szene dran | |
sein, um von Veranstaltungen zu erfahren.“ | |
## Bremer Modell | |
Beim Workshop wurde besonders über das sogenannte Bremer Modell diskutiert. | |
Die Hansestadt geht seit 2015 anders um mit den Raves. Seitdem können | |
Veranstalter*innen mit einem einzigen Formular so ein Open Air auf die | |
Beine stellen. „Der Antrag ist direkt auch die Genehmigung“, erklärte Tom | |
Lecke-Lopatta, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr in Bremen, der zum | |
Workshop angereist war. | |
Dem Amt bleibt nach Antragstellung eine Einspruchsfrist von 24 Stunden. | |
„Das hat in Bremen einiges gebracht. Seitdem sind alle Beteiligten | |
zufriedener, vom Veranstalter über Anwohner bis zur Polizei.“ Wenn es ein | |
Problem gebe, habe man direkt eineN AnsprechpartnerIn. In den 18 Tagen nach | |
der Veranstaltung sei die genutzte Fläche außerdem für weitere | |
Veranstaltungen gesperrt. „So können die Anwohner sicher sein, dass hier | |
nicht andauernd gefeiert wird.“ | |
Die Feierfreudigen auf dem kleinen Rave in Treptow scheinen heute niemanden | |
zu stören – und tanzen noch in der Abenddämmerung. | |
*Name geändert | |
25 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Anne Pollmann | |
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