# taz.de -- Anschlag am Breitscheidplatz: Die Opfer in den Fokus rücken | |
> Sechs Monate nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz plant der Senat eine | |
> zentrale Stelle, die sich um Opfer und Angehörige von Anschlägen kümmern | |
> soll. | |
Bild: Gedenkstelle für die Opfer des Anschlags an der Gedächtniskirche | |
Die Ungewissheit muss für die Angehörigen furchtbar gewesen sein. Am Abend | |
des 19. Dezember versorgten Rettungskräfte auf dem Breitscheidplatz die | |
Verletzten des Terroranschlags. Menschen, die ein Familienmitglied oder | |
einen Freund unter den Opfern vermuteten, bekamen vor Ort keine Auskünfte, | |
sie mussten selbst in die Krankenhäuser fahren und nachfragen. Die Hotline | |
der Polizei war stundenlang überlastet, später meldeten sich Mitarbeiter, | |
die nicht weiterhelfen konnten. | |
Die Gerichtsmediziner hatten die Getöteten schon in der Nacht zum 20. | |
Dezember identifiziert, alle trugen Ausweise bei sich. Die Mitteilung an | |
die Angehörigen erfolgte aufgrund von Auflagen aber erst am Nachmittag des | |
22. Dezember. | |
So schildert der Opferbeauftragte des Landes, Roland Weber, die Lage der | |
Angehörigen nach dem Anschlag. Ein halbes Jahr ist es her, dass der | |
Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt fuhr, 12 | |
Menschen tötete und über 50 teils schwer verletzte. Die Rettungskräfte | |
wurden danach sehr für ihren Einsatz gelobt. Im Umgang mit Betroffenen und | |
Angehörigen lief jedoch einiges schief, wie die Versäumnisse zeigen, die | |
Weber in einem Papier aufgelistet hat. Daraus wird deutlich: Die Behörden | |
waren überfordert. | |
So kritisiert Weber, dass das Land Berlin auch Wochen nach dem Anschlag | |
noch über keinen verlässlichen Datensatz der Betroffenen verfügt habe. | |
Offizielle Stellen hätten sich deshalb zunächst nicht bei Angehörigen | |
gemeldet. Zu besonderen Irritationen führten Briefe der Charité: Das | |
Institut für Rechtsmedizin hatte nur wenige Tage nach dem Anschlag | |
Rechnungen für die Untersuchung der Toten an die Angehörigen verschickt – | |
wofür sich der Direktor, Michael Tsokos, später entschuldigte. | |
Aufgrund all dessen fordert Weber, dass Berlin eine zentrale Stelle | |
einrichten müsse, die die Informationen bündelt und eine schnelle | |
Kommunikation zwischen Behörden und Betroffenen herstellt. Polizisten | |
sollten für den Umgang mit Angehörigen geschult und die starre Anwendung | |
von Auflagen bei der Identifikation von Toten angepasst werden. | |
Schon im März hatte Weber die Auflistung der Versäumnisse inklusive | |
Lösungsvorschläge dem Senat übergeben. Das Anliegen nahm man dort offenbar | |
sehr ernst: Die Senatsverwaltung für Inneres teilte Mitte letzter Woche | |
mit, dass das Land Berlin und das Bundesinnenministerium eine Checkliste | |
erstellt hätten, „mit der der Umgang und die Betreuung von Opfern und | |
Angehörigen nach terroristischen Anschlägen verbessert werden sollen“. Auch | |
andere Bundesländer sollten aus den Erfahrungen von Berlin lernen. | |
Ziel sei es, direkt nach einem Ereignis wie einem Anschlag eindeutige | |
Ansprechpartner zu haben, die auch die nötigen Auskünfte geben könnten. Wie | |
vom Opferbeauftragten Weber gefordert, soll eine zentrale Stelle | |
eingerichtet werden, die auch in den folgenden Wochen und Monaten nicht nur | |
die psychosoziale Betreuung der Betroffenen übernimmt, sondern auch deren | |
Interessen vertritt. Die Prozesse der Identifizierung müsse man auf das | |
notwendige Minimum reduzieren, um eine lange Phase der Unsicherheit zu | |
vermeiden. | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: „Wir dürfen die Menschen, die | |
direkt oder indirekt Opfer des Terrors geworden sind, mit ihrer Trauer und | |
ihren Nöten nicht alleine lassen.“ Roland Weber begrüßte die Neuerungen. | |
„Die Checkliste geht in ihrer Präzision sogar über meine Forderungen | |
hinaus.“ | |
19 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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