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# taz.de -- Kommentar Alterspräsident: Keine gute Entscheidung
> Der Bundestag hat seine Geschäftsordnung geändert, um einen
> AfD-Alterspräsidenten zu verhindern. Das nutzt nur den Rechtspopulisten.
Bild: Mit Verfahrentricks zum Alterspräsidenten des Bundestages? Wolfgang Sch�…
Norbert Lammerts Absicht war gut. Der scheidende Bundestagspräsident will
verhindern, dass ein AfD-Abgeordneter die erste Sitzung des neugewählten
Parlaments im Herbst mit einer Rede eröffnen darf – dazu vermutlich einer,
der den Holocaust als „Mythos“ bezeichnet hat.
Deshalb hat das Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD am frühen
Freitagmorgen auf Lammerts Vorschlag hin die Geschäftsordnung geändert:
Alterspräsident des Bundestags soll künftig nicht mehr der an Jahren
älteste Abgeordnete, sondern der mit den meisten Dienstjahren sein. Statt
des befürchteten AfD-Mannes Wilhelm von Gottberg wird dies nun vermutlich
der CDU-Abgeordnete und Finanzminister Wolfgang Schäuble werden.
Ohne jeden Zweifel ist Schäuble die bessere Wahl. Und dennoch: Die
Entscheidung ist falsch, schlecht für die Demokratie und sie wird vor allem
der AfD nutzen. Denn diese kann sagen: Schaut her, die Regierungsparteien
haben eine solche Angst vor uns, dass sie zu Verfahrenstricks greifen
müssen. Auch können sich die Rechtspopulisten wieder mal als ausgegrenzt
und damit als Opfer darstellen. Das dürfte ihnen im Wahlkampf eher nutzen.
Wichtiger Bestandteil der Demokratie ist, dass die Spielregeln für alle
gelten, auch für jene, die mitunter schwer erträgliche Meinungen vertreten.
Mit Blick auf die AfD heißt das: Solange die Rechtspopulisten gewählt
werden und nicht gegen das Grundgesetz verstoßen, stehen ihnen die gleichen
Rechte wie allen anderen Parteien zu. Das muss und kann man aushalten – und
sie inhaltlich bekämpfen.
## Nach wenigen Stunden hat sich der Job erledigt
Warum so ängstlich? Unsere Demokratie ist stark genug, um eine Rede von
Gottbergs im Bundestags zu ertragen. Zu befürchten wäre wohl nicht, dass er
dort seine kruden Äußerungen zum Holocaust wiederholen würde. Das würde
vermutlich selbst die AfD nicht zulassen. Diese Äußerungen hat von Gottberg
übrigens 2001 im Ostpreußenblatt publiziert, damals war er noch Mitglied
der CDU. Konsequenzen sind nicht bekannt.
Abgeordnete können mit Zwischenrufen, fehlendem Applaus oder einfach, indem
sie den Plenarsaal verlassen, Missfallen oder gar Empörung über einer Rede
ausdrücken – die Union hat dies 1994 bei einem Alterspräsidenten
eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Als der Schriftsteller Stefan Heym für
die PDS den Bundestag eröffnete, veweigerte sie ihm fast geschlossen den
Applaus – nur Rita Süssmuth klatschte. Das Verhalten der Union war gemessen
an der Person und der Rede Heyms unangebracht und vor allem ideologisch
motiviert. Im Fall von Gottberg wäre das anders gewesen.
Ohnehin hat der Alterspräsident zwar zweifellos eine hohe symbolische
Bedeutung, nach wenigen Stunden aber hat sich der Job erledigt. Die viel
größere Herausforderung wird dem Bundestag bei der Wahl der Vizepräsidenten
bevorstehen. Laut Geschäftsordnung steht jeder Fraktion einer dieser Posten
zu – vermutlich also auch der AfD. Anders als den Alterspräsidenten ist das
eine Aufgabe für die gesamte Legislaturperiode.
Der Landtag in NRW hat sich am Donnerstag in einer ähnlichen Situation
[1][für eine Absprache aller Parteien jenseits der AfD entschieden]. Das
Ergebnis: Alle Fraktionen außer der AfD erhalten einen Posten als
Landtagsvizepräsident. Auch die Grünen, obwohl ihre Fraktion kleiner als
die der Rechtspopulisten ist. Im Sinne der Demokratie ist auch das keine
gute Entscheidung.
2 Jun 2017
## LINKS
[1] /Ausschluss-vom-NRW-Landtagspraesidium/!5417484
## AUTOREN
Sabine am Orde
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Schwerpunkt AfD
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aus der AfD.
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