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# taz.de -- Die Wahrheit: Felder für Fakten und Fakes
> Fake statt Recherche, Sampling statt Quellenangaben: eine Exkursion durch
> die bewährte Tradition journalistischen Schaffens.
Bild: Die Geschichte „Jaegers Grenze“, erschienen am 17. November 2018, lie…
Es herrscht ein buntes Durcheinander in Sachen Fake und Recherche, Sampling
und Quellenangaben, Journalismus und Belletristik sowie Reportagen, die
allein im Archiv gedeihen. Da ich eher zur Lichtsynthese neige, weniger zur
Spektralanalyse, stelle ich einfach aktuelle Kostproben vor.
Da wäre etwa Theodor Fontane (1819–1898). Es sei „schon lange bekannt“
gewesen, sagt die Germanistin Petra McGillen, dass er Zeitungsberichte
verfasst habe, „die er mit Fantasie und falschen Fakten frisierte“. Neu sei
die Erkenntnis, „wie gut sein Vorgehen zu dem heutiger
Fake-News-Produzenten passt“. In jener Zeit sei „aus den unechten
Korrespondenzen geradezu ein eigenes Genre“ geworden. Die Leser erwarteten,
dass die großen Zeitungen eigene Korrespondenten einsetzten,
Agenturmeldungen waren zu wenig. Kleinere Gazetten konnten sich das nicht
erlauben, so wie die Kreuzzeitung, für die Fontane schrieb: „So hat er
jahrelang angeblich weiter aus London berichtet, ohne in dieser Zeit je
wieder dort gewesen zu sein.“ Ein weites Feld.
Nun tritt Michael Naumann auf, tätig unter anderem als Kulturstaatsminister
unter Gerhard Schröder. In seiner soeben erschienenen Autobiografie
schreibt er laut einer Rezension von seinen ersten Jahren als Journalist
dies: „Reportagen des Zeit-Magazins fanden nicht selten als
Last-minute-Reisen ins Archiv statt.“ Sie führten ihn „nach Afghanistan,
China, Japan und andere erlesene Länder, ohne Visum, ohne Flugticket, aber
mit viel Chuzpe und einem wohlsortierten Vorrat an Pseudonymen.“ Heute
nennt er das eine „journalistische Schande“, wobei er auch auf den Spiegel
verweist: „Dort sei das Fake-Verfahren, damals noch ohne Verfasserangabe
Reisen ins eigene, legendäre Archiv als Vorortrecherchen auszugeben,
ebenfalls üblich gewesen.“
Unweigerlich kommt jetzt Tom Kummer zu Wort, Vertreter des von ihm
etikettierten „Borderline-Journalismus“. In das kulturelle Gedächtnis hat
sich insbesondere der „Presseskandal“ im Jahr 2000 eingeprägt. Die meisten
seiner Interviews mit Prominenten hatte er nie geführt, beide
Chefredakteure des SZ-Magazins wurden daraufhin entlassen.
Nun hat Kummer den Roman „Nina & Tom“ veröffentlicht. Flink entdeckte
Kritiker Tobias Kniebe darin „geklaute Passagen“, nämlich aus Romanen von
Frédéric Beigbeder, Richard Ford und Kathy Acker. Na und?, fragt man sich
plötzlich, oder: Ach was? Schon seine „Reportagen“ hatte Kummer ja als
„Sampling“ bezeichnet, das „von der Kunstfreiheit geschützt sei“. Und:
„Quellenangaben halte ich für ästhetisch störend.“
Im Gegensatz dazu recherchiert der Schriftsteller Peter Stamm für seinen
Roman wirklich. Er erzählt, pro Tag 600 Wörter zu verfassen, „mehr nicht!“
Er braucht nämlich viel Zeit für seine Nachforschungen, ist „draußen
unterwegs“. „Ich halte nicht viel von Schreibtischrecherchen. Google Earth
hat keinen Geruch und kein Wetter.“
Ein Fazit: Verlassen kann man sich eigentlich nur auf die Wahrheit-Seite.
Und nun zum Wetter.
7 Jun 2017
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Fake News
Recherche
Journalismus
Erinnerung
Unisex
Obdachlosigkeit
Weimar
Erinnerung
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