Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Keine Pressefreiheit in Ägypten: Einfach weggesperrt
> Mahmud Abu Zeid, Künstlername Shawkan, hat auf einer Demo der
> Muslimbrüder fotografiert. Deswegen sitzt er seit fast vier Jahren in
> Haft – ohne Urteil.
Bild: Aufgenommen durch Sicherheitsglas: Der Fotograf Shawkan im August 2016 be…
Kairo taz | Zum dritten Mal wird der Prozess vertagt. Ohne Verhandlung. Es
ist Mai 2017, im Saal des Sondergerichts im Gefängnis der ägyptischen Stadt
Tura. Seit dreieinhalb Jahren sitzt Mahmud Abu Zeid, bekannt unter seinem
Künstlernamen Shawkan, im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen, einer
terroristischen Vereinigung anzugehören. Aber Shawkan ist Fotograf. Und
genau das ist ihm zum Verhängnis geworden.
Shawkan hatte am 14. August 2013 für eine Bildagentur als Pressefotograf am
Rabaa-Adawiya-Platz in Kairo ein Protestlager der Muslimbrüder
fotografiert. Er befand sich hinter der Linie der Sicherheitskräfte, als
Armee und Polizei das Camp auflösten. Damals war offiziell von hunderten
Toten die Rede, Human Rights Watch spricht von mehr als tausend und
bezeichnet das Blutbad als „Ägyptens Tiananmen“, in Anspielung an das
chinesische Massaker im Jahr 1989. Viele der Demonstranten vom
Rabaa-Adawiya-Platz wurden 2013 von Scharfschützen erschossen, etliche
weitere festgenommen. So auch Fotograf Shawkan, zusammen mit einem
französischen und einem amerikanischen Kollegen. Beide kamen noch am selben
Tag frei. Shawkan hingegen sitzt nach wie vor in Haft.
Vor dem Gerichtssaal steht Shawkans Bruder, Muhammad Abu Zeid, sichtlich
enttäuscht. Abu Zeid besucht seinen Bruder einmal pro Woche im Gefängnis.
„Es geht ihm schlecht. Er ist depressiv und leidet an Hepatitis C und
Anämie, ohne angemessen behandelt zu werden“, erzählt er. Shawkan teile
seine Zelle mit 22 Menschen. Hofgang gebe es ein-, zweimal pro Woche. Den
Rest der Zeit verbringe er eingepfercht.
Vor eineinhalb Jahren, ganze zwei Jahre nach der Festnahme, begann der
Prozess gegen Shawkan und 400 weitere Menschen. Sie alle sollen
Muslimbrüder sein, so die Anklage. Dass Shawkan im Gegensatz zu den meisten
seiner Mitangeklagten nicht als Demonstrant, sondern als Reporter unterwegs
war, scheint vor Gericht kein Gewicht zu haben. Die Dokumente, die seine
Anwälte vorgelegt haben, die nachweisen, dass er an diesem Tag bei der
Fotoagentur Demotix unter Vertrag stand, haben die Richter nicht als
Beweismittel zugelassen. Shawkans Kamera wurde bei seiner Festnahme
konfisziert, zusammen mit den Fotos, die er im Protestlager gemacht hat.
Sie ist seitdem verschwunden.
## „Das ist doch kein Verbrechen“
„Ich habe nur fotografiert, Herr Richter, das ist doch kein Verbrechen“,
hatte sich Shawkan an einem Prozesstag verteidigt. „Ich habe das Gleiche
getan wie die Fotografen hier im Gerichtssaal, von denen ich viele
persönlich kenne.“
Nach zwei Jahren Untersuchungshaft ohne Urteil habe Shawkan laut Gesetz
eigentlich freigelassen werden müssen, sagt sein Anwalt Karim Abdel Radi
der taz. Das Gericht habe das einfach ignoriert. In der ganzen Zeit seien
keine Beweise vorgelegt worden, dass Shawkan irgendetwas anderes als seine
Arbeit gemacht habe, sagt Abdel Radi weiter. Zudem entbehre die Anklage, er
gehöre der Muslimbruderschaft an, jeder Grundlage. Im Gegenteil, Shawkan
sei dafür bekannt gewesen, politisch gegen die Muslimbrüder zu sein. So
hatte er beispielsweise an Demonstrationen gegen Mohammed Mursi
teilgenommen, dem Muslimbruder, der als Nachfolger des 2011 gestürzten
Mubarak gewählt worden war. 2013 wurde Mursi vom Militär abgesetzt.
Seit dem Sturz der Muslimbrüder gehen Regierung und Justiz systematisch
gegen Medien und Journalisten vor, bei denen sie Verbindungen zu oder auch
nur Sympathien für die Organisation vermuten. Auf der neuesten Weltkarte
von Reporter ohne Grenzen über die Lage der Pressefreiheit ist Ägypten
[1][ganz schwarz eingezeichnet]. „Sehr ernste Lage“ für Journalisten, hei�…
das. Die Nichtregierungsorganisation listet das Nilland auf Rang 161. Vor
allem für lokale Journalisten sei die Arbeit gefährlich. So mancher landet
für Jahre im Knast, oft ohne Anklage. Aus diesem Grund sei Selbstzensur in
den Medien verbreitet. „Viele ergreifen offen Partei für Armee und
Regierung, nur wenige ägyptische Journalisten wagen Kritik“, heißt es bei
Reporter ohne Grenzen.
## Schon jetzt mehr als genug bestraft
Festgenommene Journalisten würden jedoch nie direkt wegen ihrer Arbeit
angeklagt, sagt Abdel Radi. „Sie erfinden irgendetwas, um nicht zugeben zu
müssen, dass die Haft mit ihrem Job zu tun hat.“ Shawkan werde womöglich am
Ende für unschuldig erklärt, meint der Anwalt. „Aber durch die lange
Haftzeit haben sie ihn für seine Arbeit bestraft.“
Nicht nur Amnesty International hat sich in der Zwischenzeit des Falls
angenommen. Auf der Facebookseite [2][„Freedom for Shawkan“] zeigen sich
viele solidarisch. Die Nachrichten, die er dort für die Freilassung
Shawkans bekomme, habe er früher ausgedruckt, erzählt Shawkans Bruder
Muhammad Abu Zeid. Aber jetzt dürfe er sie nicht mehr ins Gefängnis
mitbringen. „Also lerne ich sie auswendig, um ihm davon zu berichten.“
Manchmal gelingt es auch, einen Brief Shawkans aus dem Gefängnis zu
schmuggeln. In einem davon appelliert Shawkan an alle Fotografen auf dieser
Welt: „Kämpft für die Fotografie. Wir sind jene, die Geschichte gemacht
haben, nicht die Historiker, unsere Fotos haben den Moment festgehalten“,
schreibt er und endet: „Ich bitte euch alle: Hört nicht auf zu
fotografieren – für mich.“
An diesem Tag im Mai hat sich wieder nichts bewegt für Shawkan. „Wenn ich
ihn besuche, fragt er mich nach Neuigkeiten im Prozess“, erzählt sein
Bruder: „Was soll ich ihm sagen?“
Vielleicht, dass es einen winzigen Fortschritt gegeben hat: Das Gericht hat
einen medizinischen Bericht über den Gesundheitszustand Shawkans zu den
Akten genommen.
6 Jun 2017
## LINKS
[1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/%C3%A4gypten/
[2] https://www.facebook.com/Freedomforshawkan/
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Ägypten
Schwerpunkt Pressefreiheit
Reporter ohne Grenzen
Schwerpunkt Pressefreiheit
Katar
Ägypten
Ägypten
Ägypten
Mohammed Mursi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Vereinten Nationen und Pressefreiheit: Keine Straffreiheit mehr
Als erstes Parlament der Welt fordert der Bundestag einen
UN-Sonderbeauftragten für Journalisten. Was könnte der ausrichten?
Diplomatische Krise in Nahost: Arabische Staaten brechen mit Katar
Die Golfstaaten und Ägypten haben überraschend ihre Beziehungen zu Katar
abgebrochen. Saudi-Arabien will auch die Grenze zum Nachbarstaat
dichtmachen.
Anschlag auf Kopten in Ägypten: Mehr als 20 Tote bei Angriff auf Bus
Immer wieder werden Christen in Ägypten zum Ziel von Attentaten. Erst im
April starben bei einem Doppelanschlag mehr als 45 Menschen.
Schwere Vorwürfe gegen Ägyptens Militär: Morde und Vertuschungsversuche
Menschenrechtler werfen Ägypten außergerichtliche Hinrichtungen vor. Mit
platzierten Waffen sollte die Tat vertuscht werden.
Ägyptens Präsident in Washington: Zwei Pharaonen im Weißen Haus
Donald Trump hat aus seiner Bewunderung für autoritäre Herrscher nie einen
Hehl gemacht. Am Montag traf er Abdel Fattah al-Sisi.
Prozess gegen Ägyptens Ex-Staatschef: Internationale Kritik an Urteilen
Mohammed Mursi war Ägyptens erster frei gewählter Präsident. Seit seinem
Sturz laufen mehrere Verfahren gegen ihn. Nun erhält er erneut eine hohe
Haftstrafe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.