# taz.de -- Sommer in Berlin: Schön – für euch! | |
> Jetzt sagen wieder alle, dass man raus müsse bei dieser Hitze in Berlin, | |
> raus in die Cafés, Parks, an die Seen. Nur: Da draußen ist es | |
> schrecklich! | |
Bild: So sieht das Klischee von Sommer in Berlin aus: Badende am Wannsee… | |
Die Sonne scheint. Und schon heulen sie wieder, die Tag- oder besser | |
Sonnenwölfe: „Rauuus!“, heulen sie im Rudel, „die Sonne scheint, geht al… | |
rauuuus, rauuuuuus!!“ | |
Bereits wenn ich am frühen Morgen – die Sonne scheint schon, die Luft ist | |
frisch und kühl, schön! – das Radio einschalte, schallt es mir entgegen: | |
Ich solle „rauus, rauuuus“, am besten sofort und den ganzen Tag und in den | |
Park. | |
Selbst seriöse ModeratorInnen sonst eher trübsinnig klingender | |
öffentlich-rechtlicher Sender hören sich plötzlich an wie die stets bis | |
zur Hysterie gut gelaunten KollegInnen von Jam FM: „Rauuus! Rauuuus! Die | |
Sonne scheint!“ Schließe ich das Radio und öffne Facebook, teilt mir das | |
als Erstes die wichtigste Nachricht des Tages mit: „Alke! Geh raus! Die | |
Sonne scheint! Heute 30 Grad!“ | |
Okay. Ja. Schönes Wetter ist schön, wow. Aber was schön ist, ist – wie so | |
vieles andere auch – Ansichtssache. Wer es mag, Schulter an Schulter mit | |
Fremden in überfüllten Parks zu liegen, die nach Grillanzünder riechen, als | |
sei dort gerade ein Kerosintank explodiert, und auf deren zertretenen | |
Wiesen die stets frei laufenden Berliner Hunde neben die Müllhaufen kacken, | |
die sich auf den kleinen Freiflächen zwischen den Decken angesammelt haben, | |
dem sei es gegönnt. Ich steh da nicht so drauf. | |
Auch nicht darauf, mich nach der Arbeit zwischen klebrig-verschwitzen | |
Körpern, auf deren großflächig nackter Haut sich die feuchtheiße, vom | |
Abgasstaub cremig angereicherte Luft wie ein samtweicher Film abgelegt hat, | |
in einen stets überhitzten Bus zu klemmen, wo sich die Hand dann vor dem | |
Aussteigen nur mit einem leisen Schmatzgeräusch von der Haltestange löst. | |
Ich nehme deshalb für mich das Recht in Anspruch, bei Temperaturen ab 26 | |
Grad gern mal zu Hause zu bleiben. Alles bis 25 Grad: okay. Alles drüber: | |
nein, danke. Im Urlaub gern, im Berufsalltag der Großstadt aber Mist – | |
meine Meinung. | |
Dafür Verständnis zu finden, ist allerdings selbst im sonst äußerst | |
toleranten Berlin nicht leicht. FreundInnen rufen auf dem Festnetz an, um | |
mich, wenn ich den Anruf annehme, grußlos empört mit dem Vorwurf zu | |
konfrontieren: „Bei dem schönen Wetter bist Du zu Hause? Geh rauuus!“ | |
Doch es gibt auch Menschen, die mein Daheimsein honorieren: Unter Berlins | |
PaketbotInnen finde ich an heißen Sommertagen neue FreundInnen. Sie werden | |
dann die Lieferungen für die gesamte Nachbarschaft bei mir los – denn die | |
sind ja alle raus. | |
29 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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