# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Südkorea: Linksrutsch in Seoul | |
> Die Neuwahl wurde nach der Amtsenthebung von Staatschefin Park nötig. | |
> Moon Jae In konnte diese deutlich für sich entscheiden. | |
Bild: Der Kandidat und seine Ehefrau Kim Jung-suk am Wahltag | |
SEOUL taz | Am Ende ist es der erwartete Erdrutschsieg für Moon Jae In | |
geworden: 41 Prozent der Stimmen gewinnt der linksliberale Politiker den | |
ersten Hochrechnungen nach. Weit abgeschlagen folgt der konservative | |
Hardliner Hong Joon Pyo mit knapp 20 Prozent. | |
Das Wahlergebnis ist ein Ausrufezeichen der Bevölkerung für einen | |
grundlegenden Politikwechsel. Moon hat in den nächsten fünf Jahren viele | |
Baustellen vor sich: Asiens viertgrößte Volkswirtschaft wächst so | |
schleppend wie seit 2012 nicht mehr, die Haushaltsschulden steigen massiv | |
und die Einkommensschere zwischen arm und reich geht weiter auseinander. | |
Zudem altert Südkorea rasanter als jedes andere Land. | |
Der 64-jährige Moon hat versprochen, gründlich am Status quo zu rütteln. | |
Das Hauptanliegen der vor allem jungen Wählerschichten wird sich jedoch nur | |
schwer umsetzen lassen: eine grundlegende Reform des Chaebol-Systems. Die | |
familiengeführten Konglomerate, deren zehn größten knapp 80 Prozent der | |
Bruttoinlandsprodukts generieren, waren einst das Fundament des | |
Wirtschaftswunders am Han-Fluss. Mittlerweile hindert deren massive | |
Dominanz die Volkswirtschaft aber an einem nachhaltigen Wachstumsmodell. | |
Die Chaebol genießen Steuerprivilegien und Gesetzeslücken für dubiose | |
Geschäftspraktiken, doch stellen sie immer wenige heimische Arbeitskräfte | |
ein. Sie verhindern das Gedeihen eines gesunden Mittelstandes und haben | |
dekadente Familienvorstände, die sich in dritter Generation über den | |
Gesetzen wähnen. | |
Linke und Rechte in Südkorea sind über den Umgang mit den Mischkonzernen | |
tief gespalten. Der konservative Hong Joon Pyo, dessen Freiheitspartei die | |
zweitgrößte Parlamentsfraktion hat, meint, die Regierung solle die „Chaebol | |
nicht wie Kriminelle behandeln“. Auch wenn der 62-Jährige keine Chancen auf | |
den Sieg hatte, kann seine Fraktion Gesetze der künftigen Regierung | |
blockieren. Wahrscheinlich wird die Politik auch weiter am lähmenden | |
Stillstand der letzten Jahre leiden. | |
Doch dürfte Moon volksnaher und transparenter regieren als die inzwischen | |
amtsenthobene öffentlichkeitsscheue Park Geun Hye. Moon hat angekündigt, | |
sich nicht in das durch hohe Mauern abgeschiedene Präsidentenhaus | |
abzuschotten, sondern seine Amtsgeschäfte direkt am Gwanghwamun-Platz zu | |
verrichten – jenem Ort, an dem samstäglich Hunderttausende mit Kerzen für | |
den Rücktritt von Präsidentin Park demonstriert hatten. Noch am Wahlabend | |
kündigt Moon in einer Geste an die linke Zivilgesellschaft an, Angehörige | |
von Opfern der Unglücksfähre „Sewol“ zu besuchen. Auch verspricht er, sein | |
Kabinett mit Politikern aus dem gesamten politischen Spektrum zu besetzen. | |
Im Ausland wird Moons Nordkoreapolitik mit Argusaugen betrachtet: Der Sohn | |
eines nordkoreanischen Flüchtlings möchte die Sonnenscheinpolitik wieder | |
aufnehmen, die er einst als Stabschef des liberalen Präsidenten Roh Moo | |
Hyun mitgeprägt hat. Die Sonderwirtschaftszone Kaesong und ein | |
südkoreanische Tourismusressort in Nordkorea sollen wieder eröffnet werden. | |
9 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
Moon Jae In | |
Südkorea | |
Park Geun Hye | |
Südkorea | |
Südkorea | |
Südkorea | |
Südkorea | |
Schwerpunkt Korruption | |
Fake News | |
Nordkorea | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verkürzung der Arbeitszeit in Südkorea: Die 52-Stunden-Woche ist das Ziel | |
Südkoreas Regierung will die Work-Life-Balance der Bevölkerung verbessern. | |
Eine Verkürzung der maximalen Arbeitszeit ist geplant. | |
Südkoreas Ex-Präsidentin vor Gericht: 30 Jahre Haft gefordert | |
Park Geun Hye steht wegen Bestechlichkeit vor Gericht. Die | |
Staatsanwaltschaft fordert 30 Jahre Haft und rund 90 Millionen Euro | |
Geldbuße. | |
Japanische Kriegsverbrechen: Streit um Zwangsprostitution | |
Ein Video zeigt erstmals koreanische „Trostfrauen“ im Zweiten Weltkrieg. Er | |
bestärkt Südkoreas Regierung, ein Abkommen mit Tokio abzulehnen. | |
Südkoreas Präsident trifft Trump: Debüt mit Stolpersteinen | |
Der linke Präsident Moon Jae In dürfte bei seinem ersten Treffen mit Donald | |
Trump jeden Streit zu vermeiden suchen. | |
Präsidentschaftswahl in Südkorea: Eliten am Pranger | |
90 Prozent wollen am Dienstag wählen gehen. Favorit ist | |
Oppositionspolitiker Moon Jae In. Er steht für den Wandel, den viele | |
herbeisehnen. | |
Medien und Manipulationen in Südkorea: Paranoia im Hightech-Land | |
Vor der Präsidentschaftswahl in Südkorea fürchten viele digitale | |
Falschmeldungen. Diese bestimmen den politischen Diskurs. | |
Südkoreas Reaktion auf Nordkorea: Bevölkerung bleibt cool | |
Während der Konflikt um Nordkorea eskaliert, bleiben Seouls Bewohner | |
gelassen. Die Politik spielt Trumps Drohungen herunter. |