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# taz.de -- Neues Album von Molly Nilsson: Heute nicht, Satan
> Cool und mit subversivem Witz: Die Berliner Synthie-Pop-Musikerin Molly
> Nilsson veröffentlicht „Imaginations“ und geht auf Tour.
Bild: Gibt dem Teufel einen Korb: Molly Nilsson
Das Instrument ihrer einstigen Mitbewohnerin ist Schuld! So erzählt es
Molly Nilsson an einem drückend heißen Mainachmittag auf der Terrasse des
Karstadt-Cafés am Hermannplatz. Inmitten von Rentnern spricht sie über
ihren Werdegang.
Nilsson – wasserstoffblondes Haar, pinker Lippenstift, kristallblaue Augen
– erinnert sich an ihre Anfänge in den späten Nullerjahren, als sie noch
ganz neu in Berlin war. „Zur Musik kam ich eher zufällig. Ich zeichnete zu
der Zeit vor allem Comics und Bilder. Dann habe ich auf dem Keyboard meiner
Mitbewohnerin zu spielen begonnen.“
Der Synthesizer sollte in ihrem Musikstil zur tragenden Säule werden. Was
naheliegt, bezieht sich die Schwedin doch auf den Ruling Sound der
Achtziger, New Wave und New Romantic. Cool bis unterkühlt, reserviert bis
unnahbar wirkt ihr minimalistischer Synthie-Pop, was ihr Signalinstrument
betont. Die heute 31-jährige Berlinerin debütierte 2008 und blickt
inzwischen auf sechs Alben zurück – nun erscheint mit „Imaginations“ ein
neues Werk.
Dass ihre Stücke von subversivem Humor durchsetzt sind –Songtitel wie „I
Hope You Die“ und „Not Today, Satan“ lassen das erahnen -, macht sie zu
einer der spannenderen Künstlerinnen, die diese Epoche wieder aufleben
lassen. Wie schon damals unter der Oberfläche aus Ballonseide und Gelfrisur
eine Düsternis lauerte, verweisen auch Nilssons Songs zuweilen auf
schluchtentiefe Abgründe.
## Tragende Säule
„Guter Pop ist nie oberflächlich“, erklärt sie, „er nimmt sich das
Essenzielle und verarbeitet es in einer Weise, dass es bei den Hörern
hängen bleibt. Man wirft mir oft Nostalgie vor. Ich denke aber, meine Art
und Weise in die Zukunft zu gucken, ist es zurückzublicken.“ Epigonal
ehrfürchtig wirkt ihre Musik nie.
Aufgewachsen ist Nilsson in in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, wo
sie auch lebte, bis sie 19 war. Dann kam sie nach Berlin. Bevor sie als
Musikerin reüssierte, arbeitete sie im Berghain, an der Garderobe. Heute
hat sie Fans in aller Welt, tourte bereits durch Argentinien, Peru, Mexiko,
Georgien und Russland. Ihre Karriere nahm sie von Beginn an selbst in die
Hand. Von Label, über Booking, bis zu Videoclips und Aufnahme: Sie holt
sich zwar Unterstützung, aber am Ende hat Frau Nilsson die Hosen an.
Ob sie nie damit geliebäugelt hat, bei einem großen Label zu
unterschreiben? „Wenn ich genau das machen will, was mir vorschwebt, muss
ich es selbst machen. Und ich vertraue auf meine Arbeit. Wenn ich gute
Songs komponiere, dann werden sie ihre Fans finden – auch ohne großes Label
im Rücken.“
Während sie selbst etwas Geheimnisvolles ausstrahlt, überrascht so manches
sehr eindeutige politische Statement von ihr. Beispielsweise verwendet sie
als Logo für ihr Label Dark Skies Association die Flagge der EU.
Was es damit auf sich hat? „Ich mag es, Bilder und Symbole, die inhaltlich
stark aufgeladen sind, in andere Kontexte zu setzen. Dann sieht man, was
sie ohne diesen bedeuten. Die Idee der EU – und damit meine ich das
vereinte und friedliche Europa und nicht so manche politische Realitäten –
ist etwas Schönes, Visionäres. Die einfache Botschaft, zusammenzuarbeiten
statt sich im Wettbewerb oder in Kriegen zu bekämpfen.“
Einer größeren Öffentlichkeit wurde Nilsson erst bekannt, nachdem der
US-Weirdo John Maus ihren Song „Hey Moon“ coverte. So sehr sie Maus
schätzt, ärgert sie sich über derlei patriarchale Mechanismen des Pop: „Aus
vielen männlichen Künstlern werden Genies gemacht, während gute
Künstlerinnen übersehen werden“, erklärt sie. Sie hätte ihren Weg auch oh…
dessen Würdigung gemacht, sagt sie, und zündet sich die erloschene
Zigarette neu an. An ihrer Aussage zweifelt man nicht einen Moment.
23 May 2017
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Synthie-Pop
DIY
Synthie-Pop
Hamburg
Julia Holter
Elektro
Hendrik Otremba
Damon Albarn
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