# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Ça va | |
> Emmanuel Macron gewinnt die Wahl gegen die rechtsradikale Marine Le Pen. | |
> Sie erhält weniger als 35 Prozent der Stimmen – das wird interne Folgen | |
> haben. | |
Bild: Sie hatten die Wahl | |
PARIS taz | Laut Hochrechnungen hat Emmanuel Macron die Stichwahl gegen | |
Marine Le Pen mit 65,5 zu 34,5 Prozent gewonnen. Das Ergebnis ist deutlich. | |
Doch dahinter verbirgt sich auch ein Protest von Wahlberechtigten: 13 | |
Prozent der abgegebenen Stimmen waren ungültig oder leer. Auch die | |
Enthaltung verzeichnete mit mehr als 25 Prozent einen Rekord für | |
Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Das tat aber am deutlichen Sieg des | |
Kandidaten, der schon in der ersten Runde an der Spitze lag, keinen | |
Abbruch. | |
Am Sieg von Emmanuel Macron wurde schon Stunden vor dem Auszählen der | |
abgegebenen Stimmzettel nicht gezweifelt. Auf den neuen Präsidenten warten | |
große Aufgaben und das Problem einer politischen Mehrheitsbildung, | |
eventuell auch unter Einbezug von Sozialisten und Konservativen in eine | |
breite Union. Weil die Veröffentlichung der Befragungen vor den Wahllokalen | |
nicht zulässig sind, mussten die Franzosen bis 20 Uhr warten, erst dann | |
wurde wie üblich zu Beginn der Tagesschau das Ergebnis bekannt gegeben. | |
Mit mehr als 65 Prozent der Stimmen hat Macron ein besseres Resultat | |
erzielt, als dies die Umfragen in den Tagen zuvor erwarten ließen. Macron, | |
der bereits die Glückwünsche des amtierenden Präsidenten François Hollande | |
erhalten hat, meinte zu seinem Triumph: „Die neue Seite, die heute | |
aufgeschlagen wird, soll nach meinem Willen für Frankreich die der Hoffnung | |
und des wiedergefunden Selbstvertrauens sein.“ | |
Marine Le Pen akzeptierte sofort ihre Niederlage und wünschte in einer | |
kurzen Ansprache „im höheren Interesse des Landes“ dem Sieger Macron | |
Erfolg. Sie sieht das Ergebnis aber auch als Ermutigung und geht davon aus, | |
dass ihre Allianz der Patrioten die wichtigste Oppositionskraft darstellen | |
werde. Zu diesem Zweck wolle sie ihre Partei, den Front National, erweitern | |
und reorganisieren. | |
Auf dem Platz vor der Pyramide des Louvre hatten sich um 20 Uhr bereits | |
mehr als 10.000 Anhänger von Macron zum Feiern eingefunden. Sie brachen bei | |
der Bekanntgabe des Resultats in Jubel aus. In ersten Kommentaren und | |
Reaktionen im Fernsehen wurde häufig unterstrichen, dass mit dem Wahlsieg | |
von Macron eine neue Ära beginne, da er mit seiner Blitzkampagne die | |
bisherigen Parteien überrumpelt hat. Eine völlige Umgestaltung drängt sich | |
auf. Macrons Leitmotiv dafür ist, jetzt die Kräfte von links und rechts | |
hinter einem Programm des Fortschritts zu versammeln. | |
## Hochspannung bis zum Schluss | |
Am Wochenende herrschte bis zum Schluss Hochspannung. Hacker hatten | |
Gerüchte verbreitet und mit den „Macron-Leaks“, der Publikation von neun | |
Gigabytes an internen Daten des Wahlteams, für Unruhe gesorgt. Der noch | |
amtierende Präsident François Hollande, der wie üblich in Tulle in der | |
mittelfranzösischen Corrèze zur Wahl ging, kündigte dazu an, solche | |
gesetzwidrigen Praktiken müssten Konsequenzen haben. | |
Wie schon bei der ersten Runde am 23. April wurde wegen des permanenten | |
Terroralarms zum Schutz der rund 70.000 Wahllokale und der 47 Millionen | |
Wahlberechtigten ein massives Aufgebot von Polizei und Militär eingesetzt, | |
das in Paris und anderen Städten noch durch private Schutzleute verstärkt | |
wurde. | |
Wie nervös die Pariser Sicherheitsverantwortlichen waren, bewies die | |
Evakuierung des Pressezentrums, das für die Wahlfeier am Abend vor dem | |
Louvre eingerichtet worden war. Ein Polizeihund hatte angeblich beim | |
Schnüffeln an den Computern etwas verdächtig Riechendes entdeckt. Zum Glück | |
war das ein falscher Alarm. | |
Als wegen des Nieselregens in der nördlichen Landeshälfte am Morgen | |
zunächst weniger Andrang vor den Wahlurnen herrschte als vor zwei Wochen, | |
wurde bereits eine schwache Beteiligung befürchtet. In Le Touquet am | |
Ärmelkanal, wo das Ehepaar Macron ein Haus und sein offizielles Domizil | |
hat, wurde der Kandidat beim Verlassen des Wahllokals von einer jubelnden | |
Menge schon als Sieger und designierter Staatschef gefeiert. Etwas stiller | |
war die Stimmung nicht allzu weit davon entfernt, ebenfalls in | |
Nordfrankreich, in Hénin-Beaumont, wo die FN-Parteichefin in ihrem | |
Wahlkreis die Stimme abgab. | |
## Kein Achtungserfolg für Le Pen | |
Die eigentliche Frage, die sich aber bis zur Bekanntgabe des Resultats | |
stellte, war lediglich, wie hoch der Sieg der Linksliberalen und wie | |
deutlich die Niederlage der Rechtspopulistin ausfallen würde. Weniger als | |
35 Prozent für die Kandidatin des Front National sind kein Achtungserfolg | |
mehr, und das wird interne Folgen haben. | |
In dieser rechtsextremen Partei liefern sich hinter dem Rücken der (bisher | |
noch) unbestrittenen Parteivorsitzenden zwei Clans einen unerbittlichen | |
Kampf um Einfluss und Macht. Die identitäre und traditionalistische Tendenz | |
um Marion Maréchal-Le Pen, die Nichte des Parteigründers Jean-Marie Le Pen, | |
machte schon in den Tagen vor der Entscheidung den Vizepräsidenten Florian | |
Philippot mit seiner mehr sozial und souveränistisch orientierten Linie für | |
die sich abzeichnende Niederlage verantwortlich. | |
Auch für die zukünftige Präsidentenpartei, die Bewegung „En marche!“ des | |
siegreichen Macron, und ebenfalls für die anderen, mit ihren Kandidaten | |
ausgeschiedenen Parteien, war das Resultat von Bedeutung in Hinblick auf | |
die Regierungsbildung und die Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni. Der | |
Wahlsieg mit mehr als 65 Prozent schafft eine Dynamik, die Macron nun zur | |
Bildung einer Mehrheit nutzen muss. Die traditionellen Parteien, vor allem | |
die Sozialisten sowie die Konservativen (Les Républicains) und die | |
bürgerlichen Zentristen (UDI) sind in der Frage der Zusammenarbeit oder | |
eventueller Regierungsbeteiligung gespalten. | |
Der sozialistische Ex-Premier Manuel Valls und der bei den bürgerlichen | |
Vorwahlen unterlegene Bruno Le Maire und andere LR-Prominente plädieren | |
bereits für die Bildung einer „Präsidentenmehrheit“ unter Einschluss von | |
„mit Macron kompatiblen“ Politikern von links und rechts. Le Maire sagte | |
dazu am Sonntag, er betrachte dies nicht als Verrat seiner politischen | |
Familie. Seine Differenzen zu Macron seien „Nuancen, aber keine | |
Unvereinbarkeiten“. | |
Macron hatte sich bisher stets geweigert, eine Koalition ins Auge zu | |
fassen, und auch, den Namen des zukünftigen Premierministers zu nennen. Er | |
hatte indes erwähnt, dass er eher eine Frau nominieren wolle. Die | |
Amtsübergabe zwischen Hollande und Macron wird am Sonntag, den 14. Mai | |
stattfinden. | |
7 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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