# taz.de -- Friedensmarsch nach Syrien: „Noch geben wir nicht auf“ | |
> Der „Marsch für Aleppo“ erreicht Thessaloniki. Ob die türkischen Behör… | |
> die Einreise der Friedensläufer erlauben, sei unklar, erklärt der | |
> Sprecher der Initiative. | |
Bild: Beim Start auf dem Tempelhofer Feld im Dezember 2016 | |
taz: Herr Olényi, wo ist der Civil March for Aleppo gerade? | |
Sebastian Olényi: Der Marsch ist vor ein paar Tagen in Thessaloniki | |
angekommen. Er besteht aus einem Kern von 15 bis 20 Leuten, die großenteils | |
seit Berlin dabei sind. Aber es kommen auch immer wieder Leute dazu, | |
aktuell laufen 27 mit. | |
Gerade war von Problemen zu lesen. Worum geht es? | |
Es geht darum, welche Route wir jetzt weiterlaufen, genauer gesagt, ob und | |
wie wir durch die Türkei kommen. Wir haben Verbindung aufgenommen zu den | |
türkischen Behörden, wie wir das auch mit Behörden in den anderen Ländern | |
getan haben. Wir haben den Marsch immer als Demonstration angemeldet. Und | |
wir denken mehr und mehr über die Sicherheitssituation nach: Je näher wir | |
Syrien kommen, desto schwieriger wird die natürlich. Wir müssen einfach von | |
der lokalen Regierung toleriert werden, mindestens, damit wir gefahrlos | |
weiterlaufen und für den Frieden demonstrieren können. | |
Haben Sie denn von türkischer Seite signalisiert bekommen, dass Sie dort | |
nicht erwünscht sind? In einer Zeitung stand, dass Sie überlegen | |
aufzugeben. | |
Der Tagesspiegel hat das ein bisschen übertrieben. Zwar denken wir darüber | |
nach, und die Sicherheitsfragen sind ganz wichtig. Wir denken auch über | |
alternative Routen nach, etwa über Zypern. Aber so weit, dass wir aufgeben, | |
sind wir noch nicht. Aber ja, wir brauchen eine Genehmigung und eine | |
realistische Perspektive, dass wir überhaupt reinkommen. Das ist nicht so | |
einfach. | |
Wie war denn das bislang: Sind Sie überall mit offenen Armen aufgenommen | |
worden? | |
Wir haben sehr viel Gastfreundschaft erlebt. Aber wir haben auch Gegenwind | |
bekommen, in Deutschland etwa von ein paar Reichsbürgern, die gegen uns | |
demonstriert haben, genauso wie Leute von der AfD. Wir haben mal | |
nachgefragt, warum denn, und die Antwort war: Ihr seid Gutmenschen, die | |
total verblendet sind. Sich für Syrer einsetzen, das geht gar nicht! Auch | |
in anderen Ländern gab es hie und da ein paar Nationalisten, die meinten, | |
wenn sich die Syrer gegenseitig abschlachten, ist das deren Problem. Dabei | |
könnte man meinen, dass solche Leute auch ein Interesse am Frieden haben, | |
weil es dann weniger Flüchtlinge gibt. | |
Ja eben! | |
Aber bei einigen ist diese Erkenntnis wohl noch nicht so durchgedrungen. Im | |
Großen und Ganzen sind die Menschen aber sehr positiv. Eine Feuerwehr in | |
Tschechien hat uns ihr Haus zur Übernachtung überlassen, ebenso ein | |
österreichischer Kinobesitzer oder auch das Kulturzentrum in Dresden. Wir | |
wurden von einer Moschee eingeladen, von mehreren Kirchen. Aber es gibt | |
auch kritische Stimmen, Leute, die sagen, das bringt nichts. Oder Syrer, | |
die verlangen, wir sollen die Rebellenfahne tragen. | |
Das war auch ein Streit am Anfang in Berlin. | |
Später kam das Thema noch einmal hoch unter den Teilnehmern. Wir hatten | |
einige Syrer, die wieder gegangen sind, weil sie unbedingt die | |
Rebellenflagge tragen wollten. Aber der Marsch steht für den Frieden, und | |
das richtet sich an alle Parteien. | |
Wie hat man sich den Marsch überhaupt vorzustellen: Ist alles vorab | |
organisiert, die Verpflegung, die nächste Übernachtung? | |
Wir versuchen möglichst viel vorzuorganisieren, auch von Berlin aus wird | |
viel telefoniert. Dazu gibt es drei, vier Leute vor Ort mit einem | |
Transporter mit Anhänger, die transportieren die Zelte und Taschen der | |
Leute. Wenn mal 200 Leute mitlaufen, wird das eng, aber meistens sind es | |
zwischen 50 und 70, das geht. Die Leute laufen dann zwischen 20 und 30 | |
Kilometer am Tag. | |
Ist das wie eine Demonstration mit Schildern? | |
Wir tragen weiße Flaggen oder das Civil-March-Logo. In den größeren Städten | |
gibt es auch schon mal Auftritte mit Megafon. Aber eine Riesendemo ist es | |
nicht. | |
Aber eine alternative Route über Zypern wäre dann nicht so sinnvoll, da | |
trifft man ja wenige Leute auf dem Weg. | |
Ja, genau, das ist die Diskussion, die wir gerade untereinander führen. | |
Deswegen haben wir uns ein paar Tage freigenommen vom Marsch, um das zu | |
klären. Es ist ein spannender Moment, nächste Woche wissen wir mehr, dann | |
erfahren wir die Antwort der türkischen Behörden, ob wir die Genehmigung | |
für die Demo bekommen – und auch, ob es mit den Visa klappt. Manche | |
brauchen keine, etwa die Deutschen, andere wie die Polen schon. Es könnte | |
sein, dass die Teilnehmer einfach keine Visa bekommen und wir deswegen | |
schon nicht weiterkommen. | |
10 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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