# taz.de -- Kommentar EU und Macron: Worauf wartet Deutschland? | |
> Macron gibt Europa nicht nur ein Gesicht, sondern will auch mehr Macht | |
> für die Gemeinschaft. Die Merkel-CDU sollte jetzt darauf eingehen. | |
Bild: Wie soll Europa aussehen? Emmanuel Macron vor dem Bundeskanzleramt (Archi… | |
Da zaubern die Franzosen also auf einmal Emmanuel Macron auf die Bühne. Der | |
EU-Kennedy, der EU-Messias, die perfekte Projektionsfläche für alle, die | |
hoffen, dass Europa aufwacht und die Nationalisten in ihre Löcher | |
zurückkriechen. Macron hat vorerst geschafft, was lange niemandem gelungen | |
ist – Europa hat wieder ein Gesicht, einen Ort, eine Bewegung. | |
Worauf warten wir in Deutschland? Macron hat nicht nur ein emotionales | |
Momentum für Europa geschaffen; Europa hat gerade auch ein ökonomisches. | |
Ein Jahrzehnt war die EU nur Krise. Nach wie vor sind viel zu viele | |
arbeitslos, die Schulden gewaltig, die Populisten pöbeln. Trotzdem ging es | |
der europäischen Wirtschaft seit Langem nicht mehr so gut. Deutschland | |
schwimmt in Steuermilliarden, Frankreich wächst, und Spanien erlebt ein | |
kleines Wirtschaftswunder. | |
Europa braucht dieses Durchatmen – und Macron liefert Vorschläge, wie die | |
Zeit zu nutzen ist. Er will, dass die 19 Länder der Eurozone einen | |
gemeinsamen Haushalt bekommen, einen eigenen Finanz- und | |
Wirtschaftsminister, dass sie gemeinsam Schulden machen können. Der | |
entscheidende Punkt: Wofür das Euro-Budget eingesetzt wird, darüber sollen | |
die Abgeordneten der 19 Eurostaaten im EU-Parlament entscheiden dürfen. | |
Der Vorschlag ist nicht neu, aber revolutionär. Nur wer über den Haushalt | |
bestimmt, hat echte Macht. Die Euroländer könnten sich im Parlament | |
öffentlich über ihr Schicksal fetzen, hätten klare Abstimmungen, klare | |
Regeln, klare Kontrollen. Keine seltsamen Ministerrunden mehr, deren | |
Entscheidungen so intransparent sind wie eine Papstwahl. | |
Macrons Pläne umzusetzen, das geht nur zusammen mit Deutschland. Die | |
Merkel-CDU, allen voran Wolfgang Schäuble, winkt aber ab und vermasselt so | |
eine historische Chance, Europa voranzubringen. | |
## Ausgeburt des deutschen Nationalismus | |
Vor allem Schäuble ist nicht mehr der große Europäer, der er einmal war. | |
Sein eigenes Konstrukt ist eine Ausgeburt des deutschen Nationalismus: Dazu | |
zählt der europäische Fiskalpakt, der die Euroländer seit 2012 zur | |
Haushaltsdisziplin verpflichtet; über die Einhaltung wacht die | |
EU-Kommission und der EU-Rat, in dem Deutschland das Sagen hat. Dazu kommt | |
der Europäische Stabilitätsmechanismus mit Sitz in Luxemburg; er soll | |
Euro-Staaten helfen, wenn ihnen das Geld ausgeht. | |
Fiskalpakt, Stabilitätsmechanismus – klingt nach zwei spannenden | |
Institutionen, zu denen die BürgerInnen des Euroraums ehrfürchtig | |
aufblicken und sich sagen: Wow. Hier also wird über die Zukunft diskutiert. | |
Haben die eigentlich eine Klingel? | |
Nein, damit ist keine Identität zu schaffen. Europa muss immer wieder neu | |
erdacht und in Krisen zusammengehalten werden; das kann nur in von | |
Nationalstaaten unabhängigen, machtvollen Institutionen geschehen. Nehmen | |
wir die Europäische Zentralbank. Nicht Angela Merkel hat den Euro gerettet, | |
sondern Mario Draghi, der 2012 erklärte, er werde den Euro um jeden Preis | |
verteidigen. Seitdem hat die Bank massenweise Schulden der Euroländer | |
aufgekauft und damit übrigens auch die Deutschen mit Milliarden in Haftung | |
genommen. Hierzulande wettern Union und FDP heuchlerisch gegen gemeinsame | |
Schulden – ist längst passiert. | |
Über den Sinn der Geldpolitik der EZB lässt sich streiten. Unstrittig ist, | |
dass es die Unabhängigkeit der Zentralbank war, die Europa kurzfristig | |
gerettet hat. Nur ein Parlament, das frei über ein Budget verfügen kann, | |
rettet Europa langfristig. | |
## Schulz/Macron gegen Merkel/Macron | |
Ob das so kommt, hängt vor allem von der Bundestagswahl ab. Zur Wahl | |
stehen: Schulz/Macron gegen Merkel/Macron. Die erste Konstellation stünde | |
für mehr Europa. Die zweite für ein Europa, dass aus Angst vor rechten | |
Populisten ängstlich stehen bleibt. | |
Bis zur deutschen Wahl ist noch Zeit. Bis dahin ein Hinweis an Monsieur | |
Macron: Europa würde sehr, sehr gern über Ihr Europa-Manifest diskutieren. | |
Leider aber steht es nur auf Französisch auf Ihrer Website. | |
12 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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