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# taz.de -- Konzert zum Tag der Pressefreiheit: Kommt zusammen!
> Am Mittwochabend spielen Indie-Bands wie „Die Sterne“ zum Tag der
> Pressefreiheit ein Solikonzert mitten in Berlin. Deren Sänger erklärt,
> warum.
Bild: Singen und rocken für alle inhaftierten Journalisten weltweit: am 3. Mai…
Berlin taz | Das Line-up liest sich wie das eines der großen deutschen
Indie-Festivals: Heute Abend spielen die Antilopen Gang, The Notwist, Die
Sterne, Jasmin Tabatabai, PeterLicht, Mikail Aslan, Andreas Dorau, Die Liga
der gewöhnlichen Gentlemen, Christiane Rösinger und Sultan Tunc auf dem
Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.
Die Initiative Freundeskreis [1][#Free Deniz] hat unter dem Motto „Auf die
Presse! – Freiheit für alle inhaftierten Journalisten in der Türkei und
anderswo“ dazu aufgerufen. Sinnigerweise am internationalen Tag der
Pressefreiheit.
Ein Rückgriff auf die frühen neunziger Jahre: Die Hymne „Kommt zusammen“
von Die Regierung beschreibt ein Gemeinschaftsgefühl der gerade im
Entstehen begriffenen Hamburger Schule. Im Erscheinungsjahr des Songs,
1992, sind irgendwie alle miteinander verbunden. Aufgerüttelt von
Fremdenhass und Neonationalismus, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Schnauze
Deutschland“ (von der Band Kolossale Jugend) tragend, bildet man eine
schlagkräftige Gemeinschaft, die auch von den Medien nicht ignoriert werden
kann.
Kurze Zeit später aber ist es schon wieder vorbei mit dem Zusammenhalt –
die „Hamburger Schule“ wird ein Opfer des Distinktionsgewinnlertums. Jetzt
aber, auf einmal, im Jahr 2017, scheint da wieder etwas zu gehen.
Künstler, die es gewohnt sind, sich voneinander abzugrenzen, und Medien,
die es gewohnt sind, miteinander im Clinch zu liegen, einigen sich auf eine
gemeinsame Geste des Protests. Woran liegt das?
Erstens gibt es eine große persönliche Nähe zwischen den Künstlern und
Journalisten. Welt-Korrespondent Deniz Yücel wird für viele der
Auftretenden zum direkten oder erweiterten Bekanntenkreis gehören. Somit
verschwindet die Entfernungsschranke, welche die Ereignisse außerhalb eines
gewissen Horizonts sonst ausblendet oder abschwächt. Istanbul ist uns
näher, wenn wir dort Bekannte haben.
Zweitens handelt es sich bei ihm um einen Journalisten, dessen Rechte,
unabhängig von seiner Staatsbürgerschaft, unbedingt geschützt gehören, weil
die Pressefreiheit ein wichtiges Regulativ der politischen Macht darstellt.
Drittens ist er nur einer von etwa 150 eingeknasteten Medienleuten in der
Türkei und diese wiederum nur ein Teil von Tausenden anderen Verhafteten,
die im Zusammenhang mit der Verfolgung der Gülen-Bewegung einsitzen.
Etliche andere haben das Land verlassen, viele verloren, gerade auch in den
letzten Tagen wieder, ihren Job.
## Hier geht es um Macht
Wenn dem Journalisten Deniz Yücel, dessen Fall uns menschlich am nächsten
ist, irgendein Vorwurf gemacht werden würde, über dessen Rechtfertigung man
streiten könnte, dann hätten wir eine politische Auseinandersetzung. Das
ist aber genau nicht der Fall. Hier geht es um eine Macht- und
Prestigeangelegenheit im Zusammenhang mit der diplomatischen
Auseinandersetzung zweier oder mehrerer Staaten.
Der türkische Präsident Erdoğan hat gesagt, dass der Mann nicht freikomme,
solange er im Amt sei. Später fügte er hinzu, dass der Grund für seine
Inhaftierung sowieso kein Verstoß gegen irgendeinen Presseparagrafen,
sondern schlichtweg die Tatsache ist, dass von Erdoğan gesuchte Gülen-Leute
in Deutschland Asyl gefunden haben.
Insofern stimmt es auch nicht, wenn Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt
behauptet, dass rechts und links in dieser Situation zusammenrücken, weil
sich die Begriffe „rechts“ und „links“ auf politische Haltungen beziehe…
die in diesem Fall überhaupt keine Rolle spielen, es sei denn, man meint
den gemeinsamen Protest gegen Autokratie und Willkür, den ich selbst eher
links verorten würde.
Die Spekulationen darüber, was genau in den diplomatischen
Auseinandersetzungen zwischen allen beteiligten Staaten im Nahen Osten vor
sich geht, könnten hier ganze Seiten füllen. Das liegt vor allem daran,
dass sie im Geheimen und hinter verschlossenen Türen stattfinden.
## Menschen brauchen Werte
Niemand legt seine Karten offen auf den Tisch, wenn er oder sie das Spiel
gewinnen will, und natürlich wird Erdoğan uns nicht verraten, ob und unter
welchen Bedingungen er Yücel (oder auch andere Presseleute) dann doch
freilassen wird, noch bevor er sein Ziel erreicht hat. So ist das in
Verhandlungen. Verhandlungen, von denen man nur hoffen kann, dass es sie
überhaupt gibt.
Nach Meinung des Juristen und Journalisten Thomas Darnstädt, dessen Vortrag
zur internationalen Politik ich vor einiger Zeit beiwohnen durfte, geht es
auf diesem Feld ohnehin weniger um Werte und Moralvorstellungen als
vielmehr um nationalstaatliche Interessen. Internationales Recht existiere
faktisch nicht. Die Basis der internationalen Beziehungen bildeten demnach
im Wesentlichen immer noch die Eckwerte des Westfälischen Friedens von
1648, die vor allem die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten
eines Landes festschreiben.
Staaten brauchen also keine Werte, weil sie Macht haben. Menschen brauchen
Werte, um sich gegen Macht und Willkür zu wehren. Und dafür gehen wir auf
die Straße.
3 May 2017
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/FreundeskreisFreeDeniz/
## AUTOREN
Frank Spilker
## TAGS
Pressefreiheit in der Türkei
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