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# taz.de -- Die Wahrheit: Cooles, lautes England
> Tagebuch einer Inselreisenden: Zwischen quietschenden jungen Hennen und
> kleinen alten Damen brennt es im Welterbe.
Flughafen Berlin-Schönefeld vor Ostern. Wer nach einem albtraumhaften
Kreuzweg durch labyrinthische Gänge, Menschenmassen und Mitbringselschrott
erledigt ist, es aber endlich ins Flugzeug nach Bristol geschafft hat, dem
winkt am Zielort die Auferstehung. Die Reisenden erwarten lichtdurchflutete
Ankunftshallen, Autovermieter, die – „You can do it!“ – zum Linksverkehr
ermutigen, und süßer Frühlingsduft.
Britannien, Land des Dauerregens und düsterer Moore, empfängt – take that,
Berlin! – mit Sonne und grünen Wiesen. Little old Ladies in geblümten
Schürzen balsamieren von nun an – „Some more tea, my Love?“ – mein Inn…
mit Scones und Clotted Cream, und ein Schild über einem Pubtresen bestätigt
einen langgehegten Verdacht: „Kalorien: Winzige Wesen, die in deinem
Schrank leben und deine Kleidung jede Nacht ein bisschen enger nähen.“
Bald schon senkt sich Seelenruhe über die Reisenden. Ostersamstagabend in
einem Pub in Barnstaple, das männliche Tresenpersonal bedient mit
Hasenohren und blanker Hühnerbrust die durstigen Horden, bewacht von
muskelbepackten Security Hulks, die auf Anfrage erklären, der Engländer sei
grundsätzlich ein gelassener Mensch, aber einmal die Woche, Samstagnacht so
zwischen zwei und drei, schlüge er sich gegenseitig gern die Köpfe ein.
Weshalb schon mal vorsorglich die Barhocker entsorgt werden.
Aber nicht nur der männliche Brite hat seine Bedürfnisse, die Damenwelt
kennt eigene Rituale in Form von „Hen Parties“, mit denen Junggesellinnen
in die Ehe verabschiedet werden. Zu diesem Anlass zwängen die Freundinnen
der Braut ihre an Fish and Chips genährten Formen in von winzigen Wesen
nachts enger genähte und stark gekürzte Ausgehstücke, schmücken sich, um
nicht mit Konkurrenzklubs verwechselt zu werden, mit farbenfrohen Schärpen
und liefern sich alsdann bis in die Puppen einen Wettbewerb um den Pokal
für das lauteste Feierbiest. England im Heiratsfieber. Und wer je ein
Dinner, umzingelt von drei verschiedenen Hennenklubs, überstanden hat,
kennt den schrillen Pfeifton, der ihm die nächsten zwei Tage in den Ohren
gellt.
Aber von den Engländern lernen heißt Gelassenheit lernen, weshalb man hoch
oben auf dem Touristen-Doppeldecker auch dann entspannt bleibt, als Polizei
und Feuerwehr sirenenheulend überholen. Beim Anblick der tiefschwarzen
Rauchsäule, die vor uns aus einem historischen Kleinod der Stadt Bath
quillt, entfährt der Reiseführerin nach einem kurzen Blick auf die
Verkehrslage und das brennende Unesco-Welterbe ein Seufzer der
Erleichterung: „O, traffic will be fine, thank God“, klingt es aus dem
Bordlautsprecher, „the last time this happend, I missed my bus home.“
Sorry, cool Britannia, ich übe noch, auf den Schreck müssen ungeschulte
deutsche Nerven mit viel Clotted Cream, mehreren Scones und reichlich Gin
beruhigt werden. Aber eine Bitte hätte ich: Könnt ihr bitte euren
Flughafenarchitekten aus Bristol herüberschicken? Hier warten eine Menge
Aufgaben.
27 Apr 2017
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
England
Großbritannien
Berlin
Hunde
Taxifahrer
Donald Trump
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