# taz.de -- Kritik nach Facebook-Mordvideo: „Wir müssen besser werden“ | |
> Ein Mann postet ein Mordvideo auf seiner Facebook-Seite, wo es mehr als | |
> zwei Stunden lang nicht gelöscht wird. Der Konzern verteidigt sich. | |
Bild: Luftballons, Kuscheltiere und Blumen markieren den Ort, an dem Robert God… | |
BERLIN taz | Die Liste der meistgesuchten Straftäter des FBI wurde um einen | |
Namen erweitert: Steve Stephens. Der 37-jährige US-Amerikaner hat aller | |
Wahrscheinlichkeit nach am Sonntag einen 74-jährigen Rentner in Cleveland | |
im Bundesstaat Ohio auf offener Straße erschossen – und das ganze als Video | |
auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Zuvor postete er bereits eine | |
Aufnahme, in der er verkündete, jemanden töten zu wollen. Nur zwei Minuten | |
später folgte das Mordvideo, dann ein Video des Geständnisses. | |
Nun regt sich Kritik an Facebook, denn die Betreiber versäumten es über | |
zwei Stunden lang, die Videos und das Profil des Verdächtigen zu löschen. | |
In einer [1][Stellungnahme via Facebook Newsroom] distanzierte sich | |
Top-Manager Justin Osofsky im Namen des Konzerns von dem „entsetzlichen | |
Verbrechen, das keinen Platz bei Facebook hat“. | |
Allerdings verteidigte er das Unternehmen auch, indem er daraufhinwies, | |
dass das Mordvideo erst sehr spät von Nutzern gemeldet wurde. Das dritte | |
Video, in dem sich Stephens zu der Tat bekannte, war jedoch bereits direkt | |
nach der Veröffentlichung gemeldet worden. „Wir haben das Benutzerkonto 23 | |
Minuten nach dem ersten Bericht über das Mordvideo und zwei Stunden nach | |
der ersten Meldung überhaupt gelöscht“, teilte Osofsky mit. „Wir wissen, | |
wir müssen besser werden.“ | |
Der Fall schockt auf mehreren Ebenen. Besonders verstörend ist, dass | |
Stephens sein Opfer anscheinend vollkommen wahllos aussuchte. Im Video | |
sieht man ihn aus seinem Auto steigen und auf den 74-jährigen Robert Godwin | |
Jr. zugehen, der gerade auf dem Heimweg war. Stephens lässt den Großvater | |
und neunmaligen Vater einen Frauennamen – anscheinend den seiner | |
Ex-Freundin – wiederholen und erklärt, sie sei an dem Schuld, was ihm nun | |
zustoßen würde. Dann schießt er. | |
## Die Kamera in der Hosentasche | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Facebooks Umgang mit Gewaltinhalten | |
bemängelt wird. Besonders das neue Feature „Live“ steht seit dem Launch im | |
letzten Jahr in der Kritik. „Live ist wie eine TV-Kamera in seiner | |
Hosentasche zu haben“, [2][schwärmte CEO Mark Zuckerberg damals in einem | |
Post]: Jeder der ein Handy besitze, habe nun die Macht seine eigene Sendung | |
auszustrahlen. Und genau da liegt das Problem. | |
Denn neben Stars und Medienvertretern, die von Facebook für ihre | |
„Live-Feeds“ bezahlt werden, nutzten unter anderem vier Jugendliche die | |
Chance auf ihre eigene Sendung, als sie im Januar einen geistig behinderten | |
Mann folterten und das Video in Echtzeit ausstrahlten. Auch Morde und | |
Vergewaltigungen wurden bereits mit „Live“ verbreitet. Bis zur Sperrung der | |
Videos dauert es in der Regel einige Zeit, da Facebook sich auf die | |
Meldebreitschaft seiner User verlässt, anstatt sich selbst durch die Menge | |
an Beiträgen zu kämpfen. | |
Dieses System soll nun geprüft werden, kündigte Osofsky an und verwies auf | |
die Fortschritte, die Facebook in der Entwicklung künstlicher Intelligenzen | |
gemacht hat: Beispielsweise lässt es sich neuerdings mittels einer Art | |
digitalem Fingerabdruck vermeiden, dass gelöschte Videos in ihrer Gänze neu | |
verbreitet werden. Das gilt aber nur, wenn diese bereits gemeldet wurden. | |
Eine Bilderkennungs-Technologie untersucht dagegen schon beim Hochladen, ob | |
es sich bei einem Bild oder Video um Kinderpornografie handeln könnte. Auf | |
diese Art könnten Posts womöglich auch auf ihren Gewaltanteil überprüft | |
werden. | |
Bis Facebook sein Meldesystem überarbeitet hat, werden Mark Zuckerberg und | |
seine Mitarbeiter sich jedoch weiter der Kritik stellen müssen. Gerade | |
heute beginnt die Facebook Entwicklerkonferenz F8 – währenddessen habe sich | |
der so genannte „Facebook-Mörder“ nach einer Verfolgungsjagd selbst | |
erschossen, teilte die Polizei in Pennsylvania am Dienstag mit. | |
18 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://newsroom.fb.com/news/h/community-standards-and-reporting/ | |
[2] https://www.facebook.com/zuck/posts/10102764095821611 | |
## AUTOREN | |
Maxie Römhild | |
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