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# taz.de -- Komparse bei Düsseldorfer Zombiefilm: Immer schön zucken
> Hubert Balint macht Videos für Hundefriseure und Senioren-TV. Nun dreht
> er den Horrorfilm „Düsseldorf 2039“. Unser Autor ist einer der
> Darsteller.
Bild: Ist Brillenträger-Zombie der Anführer? Das erfahrt ihr in „Düsseldor…
Dass die Apokalypse nun also ausgerechnet in Düsseldorf stattfinden soll,
wirft Fragen auf: Haben die Düsseldorfer irgendwas verbrochen, sind sie
böser als andere Menschen? Gibt es eine Art Düsseldorf-Verschwörung, so wie
die Bielefeld-Verschwörung, nur in echt? Und schließlich: Wenn Düsseldorf
untergeht, bleibt Restdeutschland verschont?
Pünktlich zu hundert Jahren Zweiter Weltkrieg wird im Horrorfilm
„Düsseldorf 2039“ die Welt von einem „plötzlichen außerirdischen
Bakterienangriff“ heimgesucht, der alle Menschen in Zombies verwandelt.
Einzig die Protagonisten Tom und Lisa bleiben unverändert, so will es die
Handlung, weil sie sich zur Zeit des Angriffs im (weitgehend abgeschirmten)
Keller befinden. Als sie rausgehen, merken sie, was passiert ist. „Der
Überlebenskampf beginnt“, heißt es für alles Folgende in der Ankündigung
nur noch.
Für mich beginnt der Überlebenskampf damit, den Schlager „Wärst du doch in
Düsseldorf geblieben“ der Sängerin Dorthe Kollo aus dem Kopf zu löschen,
den ich mir zur Vorbereitung angehört habe und der sich nun zu einem
veritablen Ohrwurm auszuwachsen droht: „Wärst du doch in Düsseldorf
geblieben, schöner Playboy, du wirst nie ein Cowboy sein“. Der Regisseur
des Films Hubert Balint hat im Internet nach Zombie-Statisten gesucht für
den „ersten Horrorfilm, der in Düsseldorf spielt“ – und ich habe mich
gemeldet. Geld gibt es keines, auch nicht für die Hauptdarsteller. Low
budget? No budget.
„Ständig wechselnde Gerichte“ steht auf dem Werbeschild eines
Industrieimbisses im Gewerbegebiet, auf das ein Wohngebiet folgt, auf das
ein Gewerbegebiet folgt. Ich bin auf dem Weg zum Drehort, einem
Schrottplatz in Flughafennähe, die Gegend zerfurcht von schier 28-gleisigen
Bahnstrecken, Umgehungsstraßen, Flächenausgleichstümpeln, einer Schwebebahn
und zwei Autobahnen. Nicht ein einziger Mensch ist auf der Straße, doch,
da, ein paar Kinder, aber die laufen weg, als sie mich sehen.
## Zombies, voller Enthusiasmus
Am Ende der Straße nähert sich mir ein Mops, knurrend, schwanzlos, braun.
Ich umschreite ihn vorsichtig. Vorne steht ein Auto mit ein paar Menschen,
die bestimmt auch irgendwie dazugehören, aber zu denen mag ich mich nicht
stellen, ich bin ja etwas sozialphobisch und warte lieber auf zentral
ausgegebene Anweisungen, an die ich mich dann halten kann.
Der Hund kommt langsam wieder auf mich zu und bleibt zwischen meinen Füßen
stehen, wie ein Klumpen, unbewegt, minutenlang, bevor er einen Stein in den
Mund nimmt, der dort liegt, auf ihm herumkaut und lutscht, ihn ausspuckt
und von Neuem aufzufressen scheint. Ein Auto kommt, ich gehe zur Seite. Er
läuft mir hinterher.
Um kurz nach acht beginnt es allmählich, die Leute und ich betreten den
Schrottplatz. Vorne eine Art Werkstatt mit weit geöffneten Autoklappen,
dahinter amorph übereinander gestapelte Schrottautostapel. Langsam kann ich
unterscheiden, wer wer ist: Balint, ein fülliger Mann mit Gesichtsspeck und
Brille; die Visagistin (die Assistentin der Visagistin, die Mutter der
Visagistin), die nacheinander alle der zehn Zombiedarsteller grün grundiert
(Hände, Gesicht), dann mit Schwarz ein Atomkraftsymbol zentral auf Mund und
Augen pinselt und eine Art Zebramuster auf den Mund sprüht, außerdem
Kunstblut, das die meisten allerdings mit der Begründung „das geht so
schlecht ab“ verweigern; den spitzbärtigen, langhaarigen Hauptzombie, der
seit sieben Jahren als Menschenerschrecker im „Holiday Park“ arbeitet,
sagt er jedenfalls, und zusammen mit dem Hauptdarsteller ab und zu so
machohaft Liegestütze macht, „zum Aufwärmen“.
Außerdem gibt es da noch den Besitzer des Schrottplatzes, Lederjacke,
herzensgut, mit Feuer dabei, obwohl er nur zuguckt und Kaffee anbietet in
einem Slang, in dem an jeden Haupt- wie Nebensatz ein „hörrma“ oder
„sachischdir“ kommt; seine Angestellten, Türstehertypen, Lederbejackte auch
sie; einen schwitzenden Lokaljournalisten mit Kinnbart, Typus
„Bild-Leserreporter“, der mit dem Smartphone einen verwackelten Livestream
macht. Und schließlich: die Zombies, allesamt voller Enthusiasmus. Ein
Liebespaar um die 40, eine fröhliche Österreicherin, „die zwei Sergeis“,
ein Glatzkopf und Teenagermädchen, von Müttern begleitet.
## Sie nannten mich „Zerstörer“
Warum die Maske so hulkmäßig grün sein muss, verstehe ich nicht. Anspielung
auf: Metafiktionalität im postmodernen Film (Greenscreen)? Waldmeister? Der
Glatzkopf renoviert im Hauptberuf Häuser und erzählt von seinen Engagements
bei der Sat1-Vorabendserie „Ruhrpottwache“ und den „Trovatos“, da habe …
neulich sogar eine Hauptrolle gespielt, leider habe RTL ihm aber nicht
Bescheid gesagt, wann das ausgestrahlt würde. Außerdem sei Chefdetektiv
Jürgen Trovato ein arrogantes Arschloch. Lieblingsfloskel des Glatzkopfs
ist: „und hastenichgesehn“.
Es ist 23.30 Uhr, als endlich die erste Szene gedreht werden soll: Tom und
Lisa flüchten, rennend, vor den Zombies. Der Holiday-Typ positioniert mich,
ich soll unbewegt und zombiehaft-zuckend den Mond anschauen: „Wir brauchen
noch was Statisches, du bist der bedrohliche Faktor.“ Nichts leichter als
das – schließlich hat schon ohne Schminke jeder vor mir Angst. In der
Schule nannten sie mich den „Zerstörer“. Und siehe da, nach fünf Minuten
bekommt die Hauptdarstellerin einen „Krampf“ und muss pausieren.
Dann werden Erschießungsszenen gedreht: Der Hauptdarsteller feuert eine
Plastikknarre ab; einige der Zombies fallen um, deren „Impact“ simulierend;
der Rest trottet trottelig weiter. Einer der beiden „Sergeis“ (sie spielen
die Zombies mit Abstand am besten) hampelt auch zwischen den Drehs total
glaubwürdig hirnlos besessen herum. O-Ton Visagistin: „Das war bei James
Dean auch immer so, der kam auch nur ganz schwer aus den Rollen wieder
raus.“
Wie viele andere habe ich zu wenig angezogen und zucke mittlerweile auch
außerhalb der Szenen unaufhörlich, vor Kälte. Um ein Uhr schenkt der Chef
in seiner Butze Selbstgebrannten ein, der 90 Prozent haben soll, und
erzählt von seinem Dampfbad. Sein Mitarbeiter Mehmet überredet mich, Kuchen
zu essen, der würde sonst ohnehin weggeschmissen: „Setz disch, mein Junge.“
Irgendwie mag Mehmet mich. „Von Oktober bis März tragisch lange Unterhosen,
scheiß drauf, ob das gut aussieht.“
## Erdoğan und BMW
Er gibt mir noch mehr Kuchen und hat verführerischen Körpergeruch und
tollen Arsch, allerdings auch Frau und Kind, und lenkt jetzt das Gespräch
auf die politische Situation in der Türkei, es sei „alles Lüge“, und
Erdoğan sei von Gülen, PKK und CIA umringt. Im anderen Zimmer erklärt der
Chef, er wolle morgen „so rischtisch schön den Jarten aufräumen“, „den
janzen Scheiß saubermachen, hörrma“ und den BMW seines Sohnes sowie die
Garage des BMWs seines Sohnes mit Dampfstrahlern reinigen.
In den folgenden Szenen klemmt die Hauptdarstellerin mit dem Bein unter
einem Schrottauto und verschreckt die Zombies mit einer Fackel, oder so
ähnlich. Wichtigstes Stilmittel ist aber eindeutig die Nebelmaschine.
Jemand entdeckt einen Filmfehler, Unterschiede zwischen den Szenen. Was
ergibt denn hier schon Sinn, fragt der Glatzkopf.
Ein letztes Mal wird noch der Standort gewechselt, finale Kampfszene im
Autopark, es ist drei Uhr nachts. Die Zombiedarsteller dürfen sich
abschminken, ja, wenn das mal so leicht ginge. Nach zehn Minuten wildem
Rubbeln sehe ich immer noch aus wie erbrochen. Ein letztes Mal ans Set: Der
Hauptdarsteller gibt dem Zombie eins aufs Maul, springt auf ein Auto, beide
würgen sich. Cut.
1 May 2017
## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
Zombies
Düsseldorf
Lesestück Recherche und Reportage
Horrorfilm
Zombies
Weihnachten
Biennale
Jugendwort des Jahres
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