# taz.de -- Weihnachten im Kino: Klimpert, ihr Schellen | |
> Weihnachtslieder, Zombie-Elfen, Deko-Fabriken: Das Weihnachtsfilmfestival | |
> im Kino Moviemento hat für jede Stimmung den richtigen Film. | |
Bild: Alternative für das Liebesfest: Sich von Zombie-Weihnachtselfen jagen la… | |
Weihnachten, das ist das Fest der Wiederholungen. Nichts anderes | |
schließlich sind Traditionen. Jahr für Jahr kommt man zusammen, huldigt | |
ihnen, geht wieder auseinander. So sehen es jedenfalls einige Protagonisten | |
in Mitchell Kezins Dokumentarfilm „Jingle Bell Rocks!“, der ausschließlich | |
Plattenliebhabern und ihrer Sammelleidenschaft gewidmet ist – genau | |
genommen ihrer Sammelleidenschaft für Weihnachtsmusik. | |
Meterweise Vinyl ist da zu sehen, und zieht man eine Platte aus dem | |
Zusammenhang, hat man es nicht selten mit einem sehr obskuren Cover zu tun. | |
Allein ihretwegen lohnt die Suche, findet ein ehemaliger A&R von Def Jam | |
Recordings, der von der Musik selbst oft nicht viel hält. | |
Trotzdem sind wohl auch einige Schätze darunter, weiß Experte Kezin, der | |
für seinen Film die halbe USA bereist hat, um einige seiner | |
Lieblingskünstler ausfindig zu machen oder mit anderen Sammlern zu | |
plaudern. Auch kann man in „Jingle Bell Rocks!“ kurz in die Aufnahmestudios | |
von Radiosendern zur „holiday season“ reingucken. | |
Dennoch: Weihnachtsmusik?! Kezin selbst liefert eine Erklärung für seine | |
Obsession: ein Kindheitstrauma – nie war der Vater an Heiligabend zugegen. | |
Das Hören von Weihnachtsliedern wirkt seither therapeutisch auf ihn, sagt | |
er – so wie auch auf seine Sammler-Freunde. Auf viele andere hat das | |
Weihnachtsfest dagegen eher einen traumatischen Effekt. | |
## Hau mir ab mit Weihnachten | |
Etwa wegen: Streit zwischen Familienmitgliedern, eingeforderten | |
Kirchenbesuchen, Gefühlen der Erniedrigung beim Aufsagen dümmlicher | |
Gedichte, unpassender Geschenke, unheimlicher Weihnachtsmänner, Ruten, | |
brennender Bäume, „Drei Haselnüssen für Aschenbrödel“ und so weiter. | |
Unzählige Gründe gibt es, auf das traditionelle Weihnachtsfest zu pfeifen. | |
Dieses Jahr ist sowohl ein neuer Grund hinzugekommen als auch eine | |
Anlaufstelle für alle Traumatisierten: das [1][Weihnachtsfilmfestival] im | |
Kino Moviemento, das am Nachmittag des 24. Dezember von „Jinge Bell Rocks!“ | |
eröffnet wird. Hier kann man einige tröstliche Minuten im Beisein von John | |
Waters oder Joseph „Run DMC“ Simmons verbringen. Und natürlich auch mit | |
Mitchell Kezin, der mal eben einen halben Amoeba Music Record Store in | |
Kalifornien leerkauft. | |
Sowieso gibt es beim Weihnachtsfilmfestival zahlreiche Alternativvorschläge | |
zum Begehen des Liebesfestes. Man könnte sich etwa von | |
Zombie-Weihnachtselfen jagen lassen. So jedenfalls geschieht es in „A | |
Christmas Horror Story“, dem kanadischen Spielfilmbeitrag der drei | |
Regisseure Grant Harvey, Steven Hoban und Brett Sullivan. | |
Oder mit einer Gruppe sadistischer Weihnachtsmänner anderen die Köpfe | |
abschlagen gehen. Das wäre die Liverpooler Variante, zu sehen im zweiten | |
Horrorfilm des Programms, „Good Tidings“ von Stuart W. Bedfort. Aus einigen | |
hundert Einreichungen hat Festivalleiter André Kirchner diese erwählt. | |
## Keine Liebe | |
Mit dabei außerdem: Hu Jinyans Dokumentarfilm „Father Christmas“, der beim | |
Weihnachtsfilmfestival am 26. Dezember seine Weltpremiere feiern wird und | |
Einblicke in chinesische Fabriken gewährt – Orte, die sich der Produktion | |
von Weihnachtsdekorationen verpflichtet haben, den Geburtsstätten des | |
Plastikspektakels. Vom Fest, für das hier gesägt, geklebt und geschmolzen | |
wird, haben die Arbeiter indes keinen Schimmer. | |
Sehenswert auch: „Problemski Hotel“ des belgischen Filmemachers Manu Riche, | |
eine lakonische Komödie, die in einem multinationalen Wohnheim in einer | |
unbestimmten europäischen Stadt kurz vor Weihnachten spielt. Seine Bewohner | |
kommen aus Russland, dem Nahen Osten – oder von nirgendwo her. Letzteres | |
betrifft gewissermaßen den hochintelligenten Bipul (Tarek Halaby), der ohne | |
Papiere auf einem Flughafen-WC aufgefunden wurde, mehrere Sprachen | |
beherrscht, aber sein Gedächtnis verloren hat. | |
Er vermittelt zwischen den Bewohnern, bleibt dennoch im Hintergrund, rollt | |
ihnen Zigaretten und verliebt sich in die Russin Lidia, die mit einer | |
schwangeren Freundin eingetroffen ist und sich an Heiligabend in einem | |
Container nach London verschiffen lassen will. | |
In den Armen seiner Lieben ist hier niemand. Wem das ähnlich geht, der kann | |
das Weihnachtsfilmfestival besuchen und sich „Problemski Hotels“ ansehen – | |
auch ein gelungener Film kann schließlich beste Gesellschaft sein. | |
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
22 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://weihnachtsfilmfestival.de/ | |
## AUTOREN | |
Carolin Weidner | |
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