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# taz.de -- RAF-Attentat auf Siegfried Buback: Spuren verwischt, Akten vernicht…
> Seit zehn Jahren versucht Michael Buback, den Mord an seinem Vater
> Siegfried aufzuklären. Er hat einen unbequemen Verdacht.
Bild: Der Tatort am 7. Aprill 1977
Berlin taz | Tatort: Karlsruhe, Innenstadt. Tatzeit: 7. April 1977, 9 Uhr
15 Uhr. Auf dem Weg zur Arbeit werden der damalige Generalbundesanwalt
Siegfried Buback und seine beiden Begleiter Georg Wurster und Wolfgang
Göbel in ihrem Dienstfahrzeug von einem Kommando der Roten Armee Fraktion
(RAF) erschossen.
Die tödlichen Schüsse auf den Generalbundesanwalt und seine Begleiter
markieren den Beginn eines Terrorjahrs, wie es die Bundesrepublik
Deutschland bis dahin nicht erlebt hat. Mit der „Offensive 77“ soll die
Gründergeneration der RAF um Andreas Baader und Gudrun Ensslin aus der
Sonderhaftanstalt in Stuttgart-Stammheim freigepresst werden.
Dem Mord an Buback (RAF-intern mit dem Codewort „Margarine“ belegt) folgt
ein misslungener Entführungsversuch im Juli: Dabei erschießen die
Militanten den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto, der sich gegen seine
Verschleppung zu Wehr setzt.
Anfang September schließlich entführen RAF-Mitglieder den
Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. 44 Tage dauert die Geiselnahme.
In dieser Zeit kapert ein Kommando militanter Palästinenser zur
Unterstützung der RAF-Forderungen den Lufthansa-Ferienflieger „Landshut“
und bringt ihn nach Mogadischu. Der Jet wird am 18. Oktober von der
Polizeispezialeinheit GSG 9 erfolgreich gestürmt und die Passagiere
befreit. Wenig später werden die Häftlinge Baader, Ensslin und Jan-Carl
Raspe in ihren Zellen tot aufgefunden. Sie sollen sich selbst getötet
haben.
## Schlampereien der Behörden
Am 19. Oktober geht um 16 Uhr 21 im Stuttgarter Büro der Deutschen
Presse-Agentur der Anruf ein: „Hier RAF … Wir haben nach 43 Tagen Hanns
Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet.“
Bis heute sind die Täter des Buback-Mords nicht zur Rechenschaft gezogen
worden, ist Sohn Michael Buback überzeugt. Seit zehn Jahren sucht der
Chemieprofessor aus Göttingen nach den wahren Tätern.
Michael Buback recherchiert seither die unglaubliche Liste der
Schlampereien, Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten bei den Ermittlungen von
Justiz und zuständigen Behörden. Er hat zwei Bücher über den Tod des Vaters
geschrieben, ein neues Gerichtsverfahren erzwungen, das erfolglos blieb. Er
ist zuletzt als unbequemer Mahner in diesem Jahr in zwei
Fernsehdokumentationen aufgetreten.
Buback ist überzeugt: Der Staat hat seine Hand schützend über eine der
beteiligten Terroristinnen gelegt – gemeint ist Verena Becker, die sich mit
19 Jahren erst der „Bewegung 2. Juni“ und danach der RAF anschloss. Sie sei
die Schützin gewesen. Zwanzig Zeugen, darunter vier Tatortzeugen, hätten
eine zierliche weibliche Person auf dem Tatfahrzeug, eine Suzuki, in
Karlsruhe gesehen. Doch deren Aussagen seien nie berücksichtigt worden –
auch nicht im Nachfolgeprozess von Stuttgart im Jahr 2012.
## Aktenfund bei Mielke
Bestätigt ist, dass Verena Becker ab 1981 nach einem Haftkoller mit dem
Bundesamt für Verfassungsschutz für eine begrenzte Zeit kooperiert. Das
wiederum gesteht sie 1983 ihren inhaftierten GenossInnen, wird dafür aus
den Reihen der RAF-Gefangenen ausgeschlossen und in den „Normalvollzug“
verbannt. Becker wird (verurteilt, unter anderem wegen versuchtem
Polizistenmord zu zweimal „lebenslänglich“ und 13 Jahren) nach neun Jahren
und 53 Tagen Haft begnadigt. Sie kommt am 30. November 1989 frei. Am selben
Tag, an dem der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, von der RAF
ermordet wird.
Eines der Indizien, die Michael Buback für seine Behauptung heranzieht: Im
September 1990, wenige Tage vor der Deutschen Einheit, beschlagnahmte der
Generalstaatsanwalt der DDR in Erich Mielkes Privatwohnung 17 Aktenbände.
Unter Position 141 befand sich die Akte Verena Becker. Dort heißt es, dass
„die B. (Becker, d. Red) seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen
der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter
Kontrolle gehalten wird“.
1986 erfuhr die Stasi, dass Becker beim Verfassungsschutz geredet hatte.
Für Sohn Michael Buback ein weiterer Beleg, dass Verena Becker staatlichen
Schutz erfahren habe, möglicherweise schon vor dem Attentat von 1977.
Systematisch seien Belege verheimlicht oder verwischt worden. Tatsache ist:
1994 wurden alle BKA-Spurenakten zum Karlsruher Mord auf Weisung des
Generalbundesanwalts vernichtet – wegen „Platzmangel“.
Seit zehn Jahren gehen Michael Buback und seine Frau Elisabeth der Frage
nach, wer den Vater ermordet hat. Der 71-jährige Sohn sagt, das sei er
seinem Vater Siegfried schuldig. Denn Mord verjähre nicht.
6 Apr 2017
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Wolfgang Gast
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