# taz.de -- Myfest in Berlin-Kreuzberg: Mehr Klos, weniger Köfte | |
> Die Mega-Maiparty in Kreuzberg findet erneut als politische Versammlung | |
> statt. So kann die Polizei den Zustrom begrenzen. Es wird weniger Bühnen | |
> geben. | |
Bild: Tanzen auf der Partymeile in Kreuzberg am 1. Mai | |
Die Container in der Manteuffelstraße müssten noch weg. Auch die Baustelle | |
in der Waldemarstraße sei zu sichern. Alle paar Meter bleibt Susanne Hilmer | |
stehen und macht mit ihrem Smartphone ein Foto. Seit ein paar Stunden schon | |
streift die Leiterin des Bürgermeisterbüros von Friedrichshain-Kreuzberg | |
zusammen mit Halis Sönmez, Vorstand des Myfest-Vereins, durch Kreuzberg. | |
„Wir laufen das Gefahrengebiet ab“, sagt Hilmer, eine Frau mit | |
schulterlangen dunkelblonden Haaren, und lacht. | |
In dem Areal zwischen Kottbusser Tor, Oranienplatz, Görlitzer Bahnhof und | |
Mariannenplatz findet wie alle Jahre am 1. Mai das Myfest statt. Am | |
kommenden Montag ist es so weit. Auch dieses Jahr werden wieder mehr als | |
40.000 Festbesucher erwartet. Sie alle wollen essen, trinken, feiern und | |
aufs Klos. Einen halbwegs geordneten Ablauf zu sichern ist für die | |
Myfest-Crew, ein Gruppe Ehrenamtlicher aus dem Kiez, jedes Mal eine große | |
Herausforderung. | |
Fröhlich feiern ist kein Selbstläufer. Die Bilder von Menschen, die sich im | |
Gedränge durch enge Straßen schieben, und von Urinlachen in den | |
Hauseingängen sind hinlänglich bekannt. Das Myfest, das 2003 von Anwohnern | |
und Bezirksamt als Mittel gegen das früher übliche Krawallritual am 1. Mai | |
in Kreuzberg initiiert wurde, ist längst an seine Grenzen geraten. | |
## Kulminationspunkt 2015 | |
Der Kulminationspunkt war am 1. Mai 2015 erreicht: Danach war ein genervter | |
Kreuzberger mit einer Klage gegen den Fortbestand des Festes vor das | |
Verwaltungsgericht gezogen. Auf einmal stand groß die Frage im Raum: Wer | |
übernimmt eigentlich die Verantwortung, wenn Panik ausbricht und es – wie | |
2010 bei der Loveparade in Duisburg – auf dem Myfest Verletzte und Tote | |
gibt? | |
Das war der Weckruf für Festcrew, Bezirksamt und Polizei, das | |
Sicherheitskonzept gründlich zu überarbeiten. Am 1. Mai 2017 wird | |
fortgesetzt, was im Vorjahr begann: Fluchtwege und Rettungskorridore sind | |
großzügig ausgewiesen. Um das Festareal nicht ausweiten zu müssen, ist die | |
Anzahl der Bühnen und Imbissstände deutlich reduziert worden. Statt einst | |
18 Bühnen gibt es nun nur noch 8. Hatte das Bezirksamt in der Hochphase bis | |
zu 350 Köfte- und Verkaufsstände von Anwohnern genehmigt, sind es jetzt nur | |
102. | |
Und auch das ist Teil der Neuerungen: Die Myfestcrew hat das Fest bei der | |
Polizei erneut als politische Versammlung angemeldet. Das heißt: Die | |
Polizei kann den Zulauf begrenzen, wenn es zu voll wird. „Davor muss sie | |
aber mit uns Rücksprache halten“, betont Vereinsvorstand Sönmez, ein | |
kräftiger Mann Anfang 50. | |
## Nie genug Toiletten | |
Auch diesmal steuert der Senat wieder 185.000 Euro bei. Finanziert werden | |
davon laut Sönmez die Bands, ein privater Sicherheitsdienst, Reinigung und | |
Sanitäranlagen. Acht große Klowagen, 12 Dixi-Toiletten und ebenso viele | |
Ökoklos seien bestellt. Wegen neuerlicher Beschwerden habe man noch mal | |
aufgestockt, sagt die Leiterin des Bürgermeisterbüros, Hilmer: „Toiletten | |
sind aber nie genug.“ | |
Klos, Bühnen und Verkaufsstände dürfen keine Fluchtwege versperren. In der | |
Adalbert- und der Oranienstraße gibt es deshalb überhaupt keine Bühnen | |
mehr. Auch Gastwirte dürfen vor ihren Lokalen in der Oranienstraße keine | |
Musikanlagen mehr aufstellen. So soll verhindert werden, dass Festbesucher | |
stehen bleiben, um zu tanzen, und es zum Stau kommt. | |
## Politisches Motto | |
Das revolutionäre 1.-Mai-Bündnis, das in der Vergangenheit zumeist die | |
18-Uhr-Demonstration angemeldet hatte, lehnt das Myfest als unpolitische | |
Kommerzveranstaltung ab. Sönmez findet das ungerecht. „Okay, viele Anwohner | |
verdienen ganz gut“, räumt er ein. Aber die Stände seien auch ein Beitrag | |
dazu , dass der Tag friedlich verlaufe. | |
Politisch sei auch das Motto des Myfestes – „Hold your grounds“ – und d… | |
Programm vieler Bühnen: gegen Gentrifizierung, Rassismus und Sexismus. Die | |
internationale Bühne am Feuerwehrbrunnen „MyCepkiDay“ lade unter der | |
Überschrift „Hand in Hand gegen Krieg“ zum Tanzen ein. Wenn Türken, Kurde… | |
Araber, Sunniten, Schiiten, Aleviten, Erdoğan-Gegner und -Anhänger beim | |
Tanz Feindschaften ruhen ließen, „ist das ungemein politisch“ findet | |
Sönmez, selbst Alevit. „Man fasst sich an den Händen und hat | |
Körperkontakt.“ | |
Das gesamte Festgebiet ist autofrei. „Die Parkverbotsschilder sind schon | |
da“ registriert Hilmer beim Rundgang durch den Kiez. Montag um 6 Uhr | |
beginne die große Abschleppe. „Aber das hat sich inzwischen | |
herumgesprochen.“ Was das Flaschenverkaufsverbot betrifft, sei es Aufgabe | |
von Ordnungsamt und Polizei, gegen entsprechende Händler vorzugehen. | |
„Fehlt nur noch gutes Wetter“, sagt Sönmez. Hilmer zückt ein letztes Mal | |
ihr Smartpone: „Meine App zeigt 13 Grad und Regen.“ Sömnez guckt auf sein | |
Handy: „Meine 21 Grad und Sonne.“ Er lacht. Beim Karneval der Kulturen habe | |
es oft geregnet. „Wir hatten bisher immer Glück.“ | |
25 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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