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# taz.de -- Verschwundene Klausuren: Bremischer Freischuss
> 36 Staatsexamensklausuren verschwinden auf dem Postweg. Die Bremer
> Jura-Studierenden haben jetzt die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Bild: Vielleicht vom Laster gefallen: 36 Staatsexamensklausuren
BREMEN taz | Wenn angehende JuristInnen ihre Staatsexamensklausuren
schreiben, haben sie in den Monaten davor viel Zeit, Nerven und Geld
investiert: Viele besuchen ein kostenpflichtiges privates Repetitorium und
lernen buchstäblich Tag und Nacht, um der Stofffülle irgendwie Herr zu
werden und ihr Wissen schließlich in fünfstündigen Klausuren auf den Punkt
zu bringen.
Für 36 Bremer Studierende war der ganze Aufwand nun vergebens: Ihre
Klausuren sind weg. Vom Paketdienstleister DHL verbaselt. Trotz
Sendungsnummer unauffindbar. Die Klausuren sollten zur Korrektur dem
zuständigen Professor nach Süddeutschland geschickt werden, aber da kamen
sie nie an. Die Studierenden haben nun die Wahl, ob sie die
Zivilrechtsklausur wiederholen wollen oder sich damit einverstanden
erklären, dass aus den restlichen Klausurnoten ein Durchschnittswert
ermittelt wird.
Für viele dürfte das die Wahl zwischen Pest und Cholera sein: Wer in der
nun abhandengekommenen Klausur die Jura-Sternstunde seines Lebens hatte,
kann diese Leistung vielleicht nicht reproduzieren. Wer bei den anderen
Klausuren nicht so gut abgeschnitten hat, kann sich rechnerisch nicht
erlauben, nur auf den Durchschnittswert zu setzen. „Das wird von vielen als
unfair empfunden“, sagt eine Bremer Jurastudentin, die ihren Namen nicht in
der Zeitung lesen möchte, der taz. „Die meisten werden wohl nochmal
schreiben – oft vielleicht aus Angst, dass der Schnitt aus den übrigen
Klausuren nicht reicht“. Dass die Klausuren überhaupt per Paket verschickt
wurden, kommt nach Angaben des Justizprüfungsamtes nur „in Einzelfällen“
vor. Ortsansässige PrüferInnen erhalten die Klausuren vom Justizprüfungsamt
üblicherweise per Botenpost.
Auch in diesem Fall wurden die Klausuren per Bote geschickt – zur
Universität. Da der zuständige Professor seinen Wohnsitz jedoch in
Süddeutschland hat, wurden die Klausuren per Paket zu ihm geschickt. Die
Korrektur sei „in die vorlesungsfreie Zeit“ gefallen und, da sie „innerha…
einer kurzen Frist erfolgen muss“, daher per Post verschickt worden, hieß
es aus der Uni-Pressestelle.
Dass die Universität solche sensiblen Dokumente wie unkorrigierte
Staatsexamensklausuren der Post anvertraut, wundert die Studierenden: „Alle
sind erstaunt, dass sowas überhaupt passieren kann“, sagt eine Studierende
der taz. „Vor allem wundern sich alle, dass vom Prüfungsamt die Klausuren
persönlich an die Uni Bremen übergeben werden müssen, es eine solche
Vorschrift für die Verteilung an die Professoren von der Uni aus aber nicht
gibt“. Selbst Abiturklausuren, so die Studentin, müssten persönlich
übergeben werden, dürften weder ins Fach gelegt noch mit in den Urlaub
genommen werden.
Vielerorts leidet der Unibetrieb darunter, dass ProfessorInnen zwar dort
lehren, ihren Lebensmittelpunkt jedoch woanders haben – und damit oft nicht
vor Ort sind. Dies gilt insbesondere für die vorlesungsfreie Zeit. Manche
Universitäten wie etwa die Uni Magdeburg haben deshalb verbindliche Regeln
für die Präsenz der ProfessorInnen aufgestellt.
Auf Anfrage der taz, wie die Uni Bremen das Thema handhabt, sagte
Pressesprecherin Kristina Logemann, die WissenschaftlerInnen seien „dazu
angehalten, national und international zu kooperieren, um ihre Forschung
und damit auch die Universität Bremen überregional und weltweit sichtbar zu
machen.“ Es sei also, so Logemann weiter, „originär mit ihrer Arbeit
verbunden, dass sie sich nicht immer am Standort der Universität
aufhalten“. Und: „Ihre Lehr- und Betreuungsverpflichtungen nehmen die
Hochschullehrenden aber selbstverständlich vor Ort wahr.“ Und wenn der
zuständige Professor die Universität Bremen gerade an seinem süddeutschen
Heimatort „sichtbar macht“, gibt’s ja DHL. Oder beim nächsten Mal besser:
Hermes.
12 Apr 2017
## AUTOREN
Karolina Meyer-Schilf
## TAGS
Bremen
Studierende
DHL
Universität Bremen
Juristen
Exzellenzinitiative
Kirchenmusik
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