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# taz.de -- Das war die Woche in Berlin II: Lieber Erdoğan als Steinmeier
> Referendumswahlkampf: Viele regen sich über die Erdoğan-UnterstützerInnen
> auf. Dass auch Erdoğan-GegnerInnen hier werben, hat kaum jemanden
> gestört.
Bild: Klar, für wen man hier ist: „Evet“ für Erdoğan
Evet oder Hayır, Ja oder Nein: Das Verfassungsreferendum, mit dem der
türkische Präsident Erdoğan noch mehr Macht erringen will, schlägt auch
in Berlin Wellen. Denn die Volljährigen unter den fast 100.000
BerlinerInnen mit türkischem Pass dürfen noch bis Sonntag im hiesigen
Konsulat ihre Stimme dafür oder dagegen abgeben. Deshalb wird seit Wochen
auch in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland für und gegen die
Änderung der Verfassung der Republik Türkei geworben.
Evet oder Hayır, Ja oder Nein: Bei aller Kritik an Erdoğan, der die
Demokratie in der Türkei massiv einschränken und dem Präsidenten erheblich
mehr Rechte geben will, kann man als BerlinerIn fast geneigt sein, ihm auch
etwas Dankbarkeit zu zollen. Denn durch den hiesigen Wahlkampf um das
Referendum sind 56 Jahre nach dem Anwerbeabkommen der BRD mit der Türkei
endlich immerhin zwei türkische Worte auch Herkunftsdeutschen geläufig:
Evet und Hayır, Ja und Nein.
Das ist nicht ironisch gemeint: Es hat durchaus etwas mit der Haltung der
Mehrheitsgesellschaft zu tun, wenn viele Türkeistämmige hier lieber
Erdoğan als Steinmeier als ihren Präsidenten ansehen.
Nach wie vor tut sich die deutsche Politik schwer mit den türkeistämmigen
EinwanderInnen: Das zeigt sich etwa, wenn nach dem Attentat eines
abgelehnten Asylbewerbers aus Tunesien prompt über die Abschaffung des
Doppelpasses diskutiert wird, von dem vor allem junge TürkInnen aus schon
lange hier lebenden Familien profitieren.
## Entrüstete Berichterstattung
Es zeigte sich auch in der geradezu entrüsteten Berichterstattung über den
Referendumswahlkampf hier – jedenfalls den der Erdoğan-UnterstützerInnen.
Dass auch Erdoğan-GegnerInnen hier werben, hat kaum jemanden gestört.
Obwohl man das beliebte, wenn auch meist etwas verklausulierter formulierte
Argument „Die sollen sich doch endlich mal hier integrieren“ genauso gut
den Nein-Werbern entgegenhalten könnte. Das ist genauso falsch, denn
Integration hier und Verbundenheit zum Herkunftsland stehen sich nicht im
Weg.
Was hinter all dem übersehen wird: Bei aller Brutalität, mit der Erdoğan
gegen seine GegnerInnen vorgeht, war der Wahlkampf in Berlin weitgehend
friedlich. Es gab Anschläge nationalistischer Gruppen gegen das Büro der
Anti-Erdoğan-Partei HDP: Doch beim Wahlkampf auf der Straße, zwischen den
türkeistämmigen Berlinerinnen und Berlinern, blieb es bei wenn auch oft
hitzigen Diskussionen – ein absolut zulässiges Mittel der politischen
Auseinandersetzung. Auch das wäre mal zur Kenntnis zu nehmen.
8 Apr 2017
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Verfassungsreferendum
Pressefreiheit in der Türkei
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Deniz Naki
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