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# taz.de -- Obdachlosen-Auslese nach Aschenputtel-Prinzip in Kiel: Obdachlosenh…
> Bei der Planung von Hilfsmaßnahmen für Obdachlose will das Kieler
> Sozialdezernat Nicht-Kielern den Zugang zu städtischen
> Unterstützungsmaßnahmen verweigern.
Bild: Wenn die Stadt die Hilfe verweigert, müssen die Obdachlosen für sich se…
HAMBURG taz | Die Stadt Kiel will zukünftig nur noch Obdachlosen Hilfe
zukommen lassen, die vor ihrem Wohnungsverlust in der
Schleswig-Holsteinischen Landeshauptstadt gewohnt haben. Das sieht ein
offizielles Arbeitspapier aus dem zuständigen Amt für Wohnen und
Grundsicherung des Kieler Sozialdezernats vor, das der taz vorliegt. Eine
Grafik in dem Papier zeigt eindeutig auf, dass die zuständigen
Beratungseinrichtungen beim „Erstkontakt“ mit den Obdachlosen überprüfen
sollen, ob es sich bei dem Hilfesuchenden um einen „Kieler Bürger“ handelt.
Ist das der Fall, so sieht das Papier umfangreiche Maßnahmen der
„Hilfeplanung“, „Beratung“ und „Unterstützung“ vor. Kommt die betr…
Person jedoch nicht aus Kiel, sind in dem Papier nur zwei akute
Hilfsmaßnahmen aufgeführt: Eine kostenlose „Fahrkarte“ an den Heimatort
oder die „Unterbringung in Schlichtwohnraum“ – für eine Nacht. Damit, so
steht es in dem Arbeitspapier, ist das „Ende“ jeglicher Hilfe erreicht.
Jo Tein, vom Kieler Straßenmagazin Hempels findet diese Pläne „skandalös
und gefährlich“. Mit der wohnortabhängigen Unterscheidung in Obdachlose
erster und zweiter Klasse, würden „populistische Stimmungen bedient“.
Dahinter stehe „die These, dass wir für soziale Randgruppen zu viel tun“
und die Tendenz „des Abschottens und des Einigelns“. Tein: „Menschen, die
kein Dach über dem Kopf haben, sind in Not und brauchen Hilfe, um ihre
Lebenssituation zu verändern – und zwar egal, ob sie zuletzt in Kiel oder
woanders gewohnt haben.“
Für den Kieler Sozialdezernenten Gerwin Stöcken (SPD) ist solche Kritik an
dem Entwurf „etwas maßlos und überzogen“. Es gehe vor allem darum, die
Wohnungslosen dahingehend zu beraten, „dass es Sinn ergeben kann, die
persönlichen Probleme, die zur Obdachlosigkeit geführt haben, dort zu
lösen, wo sie entstanden sind“.
Rund 600 Obdachlose leben laut Stöcken in Kiel, 28 Prozent von ihnen seien
nach Verlust ihrer Wohnung zugereist. Rund 70 Plätze in den
Obdachloseneinrichtungen plus 200 Notunterkünfte reichten da nicht
aus.„Durch rund 5.000 Zuzüge allein im vergangenen Jahr ist der Kieler
Wohnungsmarkt derzeit sehr angespannt“, verrät Stöcken. Da hätten
Obdachlose kaum eine Chance, vernünftigen Wohnraum zu finden.
Stöcken weiß, dass die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit es
verbietet, Obdachlose zum Verlassen der Stadt zu zwingen. Deshalb stecke in
dem Entwurf, der in den kommenden Wochen mit den Sozialverbänden und
Trägern der Obdachlosenhilfe diskutiert werden soll, auch „kein
Vertreibungsansatz“ und schon gar keine „innerdeutsche Abschiebung“ von
wohnungslosen Menschen.
Auch einen Obdachlosen-Tourismus nach Kiel kann Stöcken nicht feststellen,
wenn er auch glaubt, „dass einige wohnungslos gewordene Menschen aus dem
Umland nach Kiel kommen, weil hier das Hilfesystem besser und
differenzierter ist“.Doch gerade das, so zeigt das unter Stöckens Regie
entstandene Arbeitspapier ganz deutlich, soll zugereisten Obdachlosen in
Zukunft verschlossen bleiben.
„Städte haben grundsätzlich eine besondere Anziehungskraft, auch für
Wohnungslose“, entgegnet Jo Tein. Der Hempels-Vorstand findet es allerdings
„völlig legitim, an einem anderen Ort neu zu beginnen, wenn man in
Schwierigkeiten geraten ist oder mit der Vergangenheit abschließen will“.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hält die Kieler Pläne
sogar für „komplett rechtswidrig“. Ihr Geschäftsführer Thomas Specht nen…
sie „ein Modell der Hilfeverweigerung“: Es gebe „keine andere Kommune in
Deutschland, die auf ähnlich dreiste Art und Weise gegen Obdachlose
vorgehen will.“
11 Apr 2017
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Obdachlosigkeit
Notunterkunft
Wohnungslosigkeit
Hamburg
Landtagswahl Schleswig-Holstein
Obdachlosigkeit
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