| # taz.de -- Demo gegen Frauenrechte: Aggressiv betende Abtreibungsgegner | |
| > Selbsternannte LebensschützerInnen beten vor einer Beratungsstelle von | |
| > Pro Familia für „ungeborene Kinder“. Ernst genommen werden sie kaum. | |
| Bild: Ob die militanten Abtreibungsgegner je an den Schmerz der Frauen denken, … | |
| Frankfurt am Main taz | Sie stehen in der Frankfurter Palmengartenstraße im | |
| Halbkreis vor dem Eingang der Beratungsstelle von Pro Familia. Heute sind | |
| ein Dutzend Frauen und zwei Männer gekommen. Manche tragen Sonnenbrillen, | |
| eine Frau verhüllt ihr Gesicht mit der Hand. Sie wollen für ihr Anliegen | |
| einstehen, aber nicht erkannt werden. | |
| Fast alle tragen ein Plakat vor ihrem Bauch mit Aufforderungen wie | |
| „Entscheide Dich für das Leben, entscheide Dich für die Liebe“. Auf einem | |
| anderen steht: „Ich will leben!“ Unterschrift: „Ungeborenes Kind“. | |
| Seit Aschermittwoch müssen Frauen und Männer, die sich in Frankfurt am Main | |
| in der Sexual- und Familienberatungsstelle Pro Familia beraten lassen | |
| wollen, an dieser Mahnwache vorbei. Eine katholische Ordensfrau dirigiert | |
| an diesem Apriltag das Grüppchen. Sie liest liturgische Texte aus einem | |
| Buch vor, die anderen murmeln die Texte und Gebete nach. Ab und an stimmen | |
| sie ein Lied an. Eine Frau lässt einen Rosenkranz durch ihre Hände gleiten. | |
| Die wenigen Passanten verstehen kein Wort, denn die AktivistInnen singen | |
| und beten in kroatischer Sprache. Fotowünsche werden freundlich, aber | |
| bestimmt zurückgewiesen. Auch das Argument, dass Leute, die im öffentlichen | |
| Raum demonstrieren, es aushalten müssen, fotografiert zu werden, gilt | |
| nicht. Ein Mann mit dunkler Sonnenbrille sagt: „Wir demonstrieren nicht, | |
| wir beten für das ungeborene Leben.“ Das tun sie jeden Tag von 9 bis 15 | |
| Uhr. Auf einem Flugblatt kann man die Kampagne, die „40 Tage für das Leben“ | |
| heißt, nachlesen. | |
| ## Die Aggressivität gipfelt in einem Zitat aus dem Evangelium | |
| In der Fastenzeit, 40 Tage vor Ostern, demonstrieren [1][militante | |
| AbtreibungsgegnerInnen] in den USA und in Europa. Sie ziehen vor | |
| Arztpraxen, Kliniken und vor Beratungsstellen, die mit Abtreibungen zu tun | |
| haben. So geht das schon seit zehn Jahren. Die Idee stammt aus streng | |
| religiösen evangelikalen US-Kirchenkreisen. | |
| In Frankfurt haben Gemeindeglieder der kroatischen katholischen Kirche, die | |
| unweit der Pro-Familia-Beratungsstelle residiert, die Idee aufgegriffen. | |
| Auf dem Flugblatt heißt es, die Kampagne habe bereits „12.668 Leben | |
| gerettet“. Auf der Webseite der diesjährigen Aktion werden „383 | |
| Lebensrettungen seit dem 1. März“ reklamiert. Wie die Zahlen zustande | |
| kommen, ist unklar. Die Aggressivität gegen die angebliche | |
| „Abtreibungslobby“ gipfelt in einem Zitat aus dem Markusevangelium: „Diese | |
| Art kann nur durch Beten und Fasten ausgetrieben werden.“ | |
| Tomislav Cunovic, ein aus Kroatien stammender Rechtsanwalt, bezeichnet sich | |
| als Koordinator der Frankfurter Mahnwachen. Er gilt als strammer | |
| Konservativer. Als Aktivist der Bewegung U ime obitelji (Im Namen der | |
| Familie) erzwang das Bündnis im Jahr 2013 in Kroatien eine Volksabstimmung, | |
| mit der ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen durchgesetzt werden konnte. | |
| Dass in der kroatischen Kirchengemeinde im Rhein-Main-Gebiet der | |
| umstrittene Film „Jasenovac – die Wahrheit“ gezeigt wurde, wird ebenfalls | |
| ihm zugeschrieben. Der Film relativiert die Gräueltaten von Nazis und | |
| Kroaten im ehemaligen KZ Jasenevac. | |
| Nicht nur auf der Straße, auch in den Räumen der Pro-Familia-Beratungstelle | |
| sind die Lieder und die Gebete der Mahnwache zu hören. „Nicht schön“ sei | |
| es, wenn vor dieser Geräuschkulisse ihre MitarbeiterInnen eine | |
| Schwangerenkonfliktberatung durchführen müssten, sagte Regine Wlassitschau | |
| vom Pro-Famia-Bundesverband. Die Beratung erfülle einen gesetzlichen | |
| Auftrag, eine „ungestörte Beratung“ wäre allemal besser. Die | |
| Beratungsstelle sieht jedoch keine Handhabe, gegen die „Gebete“ vorzugehen. | |
| „Wir müssen das hinnehmen, da die Mahnwachen angemeldet und somit legal | |
| sind“, sagt Wlassitschau. | |
| ## Unklar ist, wann sie endet | |
| Aber es gibt Protest. Dreimal schon wurden die selbsternannten | |
| AbtreibungsgegnerInnen von GegendemonstrantInnen bedrängt, unter anderem am | |
| Weltfrauentag am 8. März. Anfang März kamen vermummte Gestalten, die sich | |
| als „satanische Jugend Offenbach“ bezeichneten und ein Pamphlet in Fraktur | |
| verteilten: „Für eine Zukunft voller Sex und Drogen“. | |
| Die Polizei, die mehrfach gerufen wurde, musste wieder abziehen – es | |
| konnten keine Straftaten festgestellt werden. In der rechtsgerichteten | |
| Wochenzeitung Junge Freiheit beschwerten sich später die MahnwächterInnen, | |
| „Linksradikale “ hätten sie mit „christenfeindlichen Parolen“ belästi… | |
| Auch das Internetportal Total Croatia News hat die Mahnwache aufgegriffen, | |
| allerdings kritisch. „Während andere Länder Autos exportieren, exportiert | |
| Kroatien konservativen Aktionismus“, bilanziert der Autor Vedran Pavlic. | |
| Ansonsten hält sich die öffentliche Aufmerksamkeit an der „Mahnwache“ in | |
| der Frankfurter Sackgasse in Grenzen. Unklar ist zudem, wann sie endet. | |
| Einer Pro-Familia-Mitarbeiterin zufolge könnte am Palmsonntag Schluss sein. | |
| Die Fastenzeit endet regulär erst Ostern. | |
| 9 Apr 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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