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# taz.de -- Beate Zschäpe im NSU-Prozess: Angeklagte bleibt zurechnungsfähig
> Die Verteidigung bemüht sich, Zschäpe verminderte Schuldfähigkeit zu
> attestieren – bisher erfolglos. Ein Gutachter wird vorerst nicht gehört.
Bild: Beate Zschäpe (li.) und ihr Verteidiger Grasel am Mittwoch im OLG Münch…
München taz | Anette Greger lässt keinen Zweifel. „Klar, eindeutig und
sicher“ sei Gutachter Henning Saß zu dem Ergebnis gekommen, dass Beate
Zschäpe an keiner Persönlichkeitsstörung leide, sagt die Bundesanwältin.
Über „reichhaltiges“ Beobachtungsmaterial habe Saß verfügt, seine
forensische Erfahrung sei „überdurchschnittlich“. Die Frage der
Schuldfähigkeit Zschäpes sei damit bereits erwiesen. Ein weiteres Gutachten
brauche es nicht.
Der Auftritt der Bundesanwältin am Mittwoch im Münchner NSU-Prozess ist
eine weitere Klatsche für Beate Zschäpe. Ihr Anwalt Mathias Grasel scheint
überrumpelt. Mit keinem Wort reagiert er auf den Vortrag. Dabei hatte
Grasel erst vergangene Woche ein überraschendes Gegenmanöver versucht: Er
brachte ein neues Gutachten ins Spiel, das Saß entkräften soll und
festhält, Zschäpe sei sehr wohl vermindert schuldfähig. Erstellt hat es
Joachim Bauer, ein Psychiater vom Uniklinikum Freiburg, seit wenigen Tagen
emeritiert.
Zschäpe ließ ihn im Februar und März viermal in die JVA Stadelheim kommen,
für insgesamt zwölf Stunden. Heraus kam ein 48-seitiges Gutachten: Zschäpe
leide an einer „schweren dependenten Persönlichkeitsstörung“. Soll heiße…
Sie sei krankhaft abhängig von ihren Untergrundbegleitern Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt gewesen, dass sie deren Unrecht nicht erkannte. Eine volle
Schuldfähigkeit, so Anwalt Grasel, sei damit nicht mehr gegeben.
Es ist der Versuch, doch noch eine Höchststrafe für Zschäpe abzuwenden, auf
die es im NSU-Prozess bisher hinausläuft. Henning Saß, der vom Gericht
beauftragte Gutachter, hatte für diese Strafe im Januar bereits einen
Grundstein gelegt. Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung gebe es nicht,
heißt es in seinem Gutachten. Vielmehr zeige sich Zschäpe selbstbewusst und
„durchsetzungswillig“. Ihre Angaben vor Gericht, sie habe sich gegen die
Morde und Anschläge ihrer Kumpanen nicht erwehren können, seien kaum
glaubwürdig. Saß hatte Zschäpe über Dutzende Prozesstage beobachtet und
Ermittlungsakten studiert. Ein direktes Gespräch hatte diese verweigert.
## „Hilfloses Manöver“
Nicht nur Bundesanwältin Greger, auch die Richter scheinen Saß’ Urteil zu
folgen. Bereits für Donnerstag hatten sie zwar Zschäpes Wunschgutachter
Bauer in den Prozess geladen – aber nur als Zeugen, nicht als
Sachverständigen, wie von Grasel beantragt. Direkt im Anschluss war Saß
geladen. Wohl um Bauers Bericht zu bewerten – und die Sache dann abzuhaken.
Grasel kündigte daraufhin an, unter dieser Prämisse hebe Zschäpe die
ärztliche Schweigepflicht für Bauer nicht auf. Der Senat lud den Psychiater
kurzerhand ab. Inzwischen hat Grasel eigenständig Bauer als
Sachverständigen in den Prozess beordert, mit einer sogenannten
Selbstladung. Anfang Mai soll er aussagen. Ob dies Zschäpe rettet, bleibt
zweifelhaft. Von einem „hilflosen Manöver“ spricht Nebenklageanwalt Yavuz
Narin.
Auch Mehmet Daimagüler, Anwalt zweier Nürnberger NSU-Opfer, sieht keine
Verwendung für Bauer. Zschäpe sei durch den „angesehenen Fachmann“ Saß
bereits „eingehend“ untersucht worden. Bauer dagegen verteidigt sich in
einer Stellungnahme: Er besitze „eine jahrelange klinische Erfahrung“ in
der Psychiatrie, habe dabei auch forensische Patienten behandelt und mit
der JVA Freiburg zusammengearbeitet. Auch, betont Bauer, nehme er für seine
Tätigkeit kein Honorar. „Um unabhängig zu sein.“
## Fast vier Jahre NSU-Prozess
Nebenklageanwalt Thomas Bliwier kündigt am Mittwoch derweil an, noch einen
ganz anderen Sachverständigen in den Prozess laden zu wollen: Eyal Weizman
von „Forensic Architecture“ der Londoner Goldsmith University. Die Forscher
hatten jüngst den NSU-Mord in Kassel neu untersucht und den Tatort, ein
Internetcafé, nachgebaut. Ihr Resümee: Der damals anwesende
Verfassungsschützer Andreas Temme müsse, anders als von ihm angegeben, den
Mord mitbekommen haben.
Das Institut sei „über jeden Zweifel erhaben“, sagt Bliwier. Deren
Ergebnisse seien „eindrucksvoll“. Er halte es für „zwingend“, diese in…
Prozess einzuführen. Richter Manfred Götzl signalisiert Entgegenkommen: Man
werde für Weizman den 10. Mai reservieren. Der NSU-Prozess geht damit, nach
fast vier Jahren, weiter in die Verlängerung. Noch vor einem Monat hatte
Götzl ein Ende der Beweisaufnahme angekündigt und eine Frist für letzte
Anträge gestellt. Die Frist ist inzwischen aufgehoben – bis auf Weiteres.
5 Apr 2017
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
NSU-Prozess
Beate Zschäpe
Bundestag
Rechtsextremismus
Anja Sturm
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
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