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# taz.de -- Ausstellung in Österreich: Die 95 Thesen von Wien
> Alle reden von Luther, selbst im katholischen Wien. Denn dort hasste man
> die Pfaffen und war den Thesen Luthers durchaus geneigt.
Bild: Protestanten suchten selbst im Inneren des Stephandom Schutz
„Brennen für den Glauben“ – dieser Titel der Ausstellung über das
protestantische Wien hat einen makabren Doppelsinn. Denn so macher
Protestant, der seinem Glauben nicht abschwören wollte, landete auf dem
Scheiterhaufen. Es gehört zu den wenig beleuchteten Kapiteln der
Stadtgeschichte, dass Wiens Bevölkerung in den frühen Jahren der
Reformation zu mehr als 50, vielleicht sogar zu 70 Prozent der lutherischen
Lehre anhing.
Dass das Wien Museum zum Lutherjahr mehr als nur ein wenig kurioses
Lokalkolorit beizutragen hat, beweisen die hochkarätigen Dokumente, die
hier zu sehen sind. Neben einem von drei erhaltenen Originalen der 95
Thesen rückte das Österreichische Staatsarchiv für diesen Anlass auch die
Originale des Augsburger Bekenntnisses von 1530 und des mit dicken Siegeln
beglaubigten Augsburger Religionsfriedens von 1555 heraus. Noch nie sind
diese drei welthistorischen Zeugnisse gemeinsam gezeigt worden.
In den nicht ganz vier Jahrzehnten zwischen dem Thesenanschlag und der
Einigung, dass die Landesherren über das Bekenntnis auf ihrem Territorium
bestimmen durften, tobte in Wien der Glaubenskampf. Der Protestantismus
konnte gerade in Wien so schnell Fuß fassen, weil der „Pfaffenhass“ in der
Stadt besonders groß war, sagt der Historiker Karl Vocelka, einer der
Kuratoren.
Nach dem Tod von Kaiser Maximilian I. im Jahre 1519 versuchte die Stadt,
das kurzzeitige Machtvakuum zu nutzen, um sich größere Autonomierechte zu
sichern. Kaiser Karl V. schickte dann seinen jüngeren Bruder Ferdinand als
Statthalter, um Ordnung zu schaffen. Und der damals erst 19-jährige
Ferdinand, der Karl später als Kaiser nachfolgen sollte, griff brutal
durch.
Im Wiener Neustädter Blutgericht 1522 ließ er die Anführer der aufmüpfigen
Bürgerschaft enthaupten. Das haben ihm die Wiener nie verziehen. Ein Grund
mehr, dem katholischen Habsburger zumindest im Glauben die Gefolgschaft zu
verweigern. Sogar im gotischen Stephansdom wurde damals protestantisch
gepredigt. Als der Erzherzog die Wiener Kirchen für protestantische
Prediger sperren ließ, flohen die Gläubigen in die Vororte, wo adlige
Gutsherren das Sagen hatten und ihre Kirchen für die Lutherischen öffneten.
Nach dem toleranten Maximilian II., der Ferdinand als Kaiser nachfolgte,
setzte dann die Gegenreformation mit voller Wucht ein.
Die Jesuiten wurden nach Wien geholt, das „Auslaufen“ wurde verboten,
protestantische Prediger wurden vertrieben. Der Dreißigjährige Krieg
besiegelte die Spaltung Europas nach dem Bekenntnis. Erst Kaiser Joseph
II., der 1781 das Toleranzpatent erließ, beendete die Verfolgung der
Protestanten.
2 Apr 2017
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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Wien
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Martin Luther
Evangelische Kirche
Martin Luther
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katholisch
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