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# taz.de -- Präsidentenwahl in Serbien: Schmutzig und erbarmungslos
> Die Kampagne für die Abstimmung ist unter der Gürtellinie. Besonders tut
> sich Premier Aleksandar Vučić hervor. Er will Staatschef werden.
Bild: Heiße Luft? Anhänger von Aleksandar Vučić in Novi Sad
Belgrad taz | In einem sind sich alle einig: Die Kampagne ist schmutzig,
unerbittlich und erbarmungslos. Zum Auftakt des Schlagabtauschs gab
Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić bekannt, persönlich für das Amt
des Staatspräsidenten zu kandidieren: Seine Konkurrenz bezeichnete er als
„Kriminelle, Diebe“ und Kräfte des alten Regimes, die an die Macht kommen
wollten, nur um wieder plündern zu können.
Die Regierungsparteien verzichteten auf eigene Kandidaten und stellten sich
geschlossen hinter Vučić. Sollte ein oppositioneller Kandidat an die
Staatsspitze kommen, würde das Serbien destabilisieren. Der „Reformator“
Vučić genieße nun mal das höchste Ansehen im Volk und habe die besten
Siegeschancen, lautete die Begründung.
Als Vučić seine Kandidatur bekanntgab, eröffneten die fast
gleichgeschalteten serbischen Medien das Kreuzfeuer auf die zwei
aussichtsreichsten von zehn oppositionellen Kandidaten: den ehemaligen
Ombudsmann Saša Janković und den früheren serbischen Außenminister und
Präsidenten der UN-Vollversammlung, Vuk Jeremić.
Janković beschuldigt man, einen Freund umgebracht zu haben, Jeremić wird in
Zusammenhang mit dem bis heute ungeklärten Tod von zwei Soldaten gebracht.
Ein hoher Funktionär von Vučićs Serbischer Fortschrittspartei (SNS)
beschuldigte sogar Frau Jeremić, eine ehemalige Journalistin, eine
„Narko-Bossin“ zu sein, die ein Drogenkartell leite.
## Saubermann Vučić
„Sie wollen das mazedonische oder das ukrainische Szenario in Serbien
herbeiführen“, donnerte Vučić in der Wahlkampagne. Sie wollten Serbien
destabilisieren, ihre Gegner hängen. Hinter ihnen stünden finstere
Machtzentren. Doch er, Vučić, werde das nicht zulassen. Der Premier, der
Staatspräsident werden will, präsentiert sich als Saubermann, der die
einfachen Menschen vor einer „gierigen Bande“ beschützen möchte.
Vučić dominiert die Wahlkampagne. Die Medienagentur Kliping gibt in einem
Bericht an, dass er zu 67 Prozent in TV-Programmen vertreten sei. An
zweiter Stelle liege Jeremić mit 7,75 Prozent. Die Opposition behauptet,
Vučić habe sogar befohlen, das Parlament bis zum Ende der
Präsidentschaftswahlen zu schließen, um Andersdenkende mundtot zu machen.
Parlamentssitzungen werden im Fernsehen übertragen.
Laut Umfragen hat Vučić gute Aussichten, in der ersten Wahlrunde zu siegen.
Für den autoritären Politiker, der sich wie ein Volkstribun geriert und
seine absolute Macht über Regierung, Parlament, Justiz und Polizei im
Volkswillen bestätigt sieht, wäre ein Ergebnis unter 50 Prozent eine
Niederlage. Ein zweiter Wahlgang würde sich in ein Volksbegehren für oder
gegen seine Herrschaft verwandeln.
Janković und Jeremić sind unabhängige Kandidaten. Der Erste setzt auf
linksliberale, der Zweite auf nationalkonservative Stimmen. Beide
bezeichnen Vučić als Diktator und notorischen Lügner, beschuldigen ihn der
Vetternwirtschaft und Korruption. Beide bezeichnen die Wahlen als
undemokratisch.
## Machthunger
Sie weisen darauf hin, dass die SNS Angestellte in Staatsbetrieben und im
öffentlichen Dienst einschüchtere und unter Druck setze, für Vučić zu
stimmen. Jeremić beschuldigte Vučićs Bruder Andrej, in der Familie für
kriminelle Geschäfte zuständig zu sein und vom Staat geschützt zu werden.
Vučićs Entscheidung, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, der
ähnliche Befugnisse wie in Deutschland hat, erklärt das Wochenmagazin Vreme
mit dessen „unersättlichem Machthunger“. Er würde nach einem Sieg eine
Marionette als Premier einsetzen und ein Präsidentschaftssystem einführen.
Für eine Sensation sorgt mit guten Umfragewerten Ljubiša Preletaćević Beli
– eine erfundene Person, hinter der Luka Maksimović (26) aus der
Provinzstadt Mladenovac steht. Seine Bewegung „Sarmu probo nisi“ (Du hast
die Krautwickel nicht probiert) ist eine Parodie auf das politische System
in Serbien.
Er könnte viele Wahlverweigerer und junge Menschen an die Urnen locken und
Vučić Probleme bereiten. Je größer die Beteiligung, desto schwieriger wird
es für Vučić, im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen zu kommen. Die
zweite Runde würde am 16. April stattfinden.
30 Mar 2017
## AUTOREN
Andrej Ivanji
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