# taz.de -- Union Berlin vor dem Aufstieg: Erste Liga – ach du Scheiße! | |
> Der 1. FC Union steht vor dem Aufstieg in die 1. Bundesliga. Was bedeutet | |
> das für die Fans des Clubs, der sich als ewiger Underdog stilisiert? | |
Bild: FC-Union-Fans im Stadion An der alten Försterei, am. 20. März beim Spie… | |
Mesut Özil grüßt Köpenick: „Wenn du willst, kannst du alles bezwingen: den | |
Druck, die Erwartungen, die Schwerkraft“. Das steht auf einem großen Plakat | |
in der Hämmerlingstraße, von dem der Nationalspieler heruntergrinst, um für | |
seine Autobiografie zu werben. | |
Geht man die Straße ein paar Meter weiter, steht man vor einem Plattenbau, | |
der schäbiger nicht wirken könnte. Ostcharme eben. Wer darauf steht, ist in | |
der „Abseitsfalle“, der Fankneipe im Erdgeschoss, gut aufgehoben. Das graue | |
Monster hat früher die Geschäftsstelle von Union beherbergt. Nicht weit | |
dahinter liegt das Stadion des Vereins, der gerade die Schwerkraft | |
überwinden will, die ihn so lange in den unteren Ligen des Fußball gehalten | |
hat. Union führt die Tabelle der zweiten Liga an. | |
„Scheiße, wir steigen auf!“ ist der Slogan, den die Union-Fans anstimmen, | |
seit es nach Aufstieg riecht in Köpenick. Die erste Liga ist den Fans nicht | |
ganz geheuer: Viele fühlen sich wohl in der Rolle des Kleinen. Die große | |
Fußballwelt ist zum Greifen nah – und doch weit weg. | |
## „Ein Hammer!“ | |
Für Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) wäre der Aufstieg „ein Hammer�… | |
Wird sich für den Bezirk etwas ändern, wenn Union erstklassig ist? Igel | |
erhofft sich im Senat mehr Gehör für Köpenick. Und eine bessere | |
Verkehrsanbindung. Die ist hundsmiserabel: Alle zehn Minuten kommt eine | |
S-Bahn vom Ostkreuz. Selbst an Spieltagen, an denen 22.000 Zuschauer das | |
Stadion füllen, fahren nicht mehr Züge. Wer mit der Straßenbahn von | |
Schöneweide anreist, muss sehr viel Zeit für die Anreise aus der Innenstadt | |
einplanen. | |
Und wenn ein Hochsicherheitsspiel ansteht, weil ein Gegner mit | |
Randalepotenzial anreist, kann es schon mal sein, dass die Polizei den | |
ganzen Stadtteil rund ums Stadion abriegelt. Dann fährt gar keine | |
Straßenbahn mehr. Es scheint bisweilen so, als gebe es jemanden, der | |
verhindern will, dass jemand ins Stadion kommt, der nicht zu Fuß ins | |
Stadion gelangen kann. | |
Dass es jemanden gibt, der verhindert, dass Union groß wird, gehört zur | |
Erzählung des Vereins. Zu Ostzeiten hat jemand dafür gesorgt, dass Union | |
nicht am stasigepäppelten BFC Dynamo vorbeikommt. Nach der Wende muss es | |
jemanden beim Deutschen Fußballbund gegeben haben, der den Unionern das | |
Aufsteigen in die zweite Liga partout nicht ermöglichen wollte: Zweimal ist | |
Union die Lizenz verweigert worden. In der Opferrolle haben sich die | |
Unionfans immer pudelwohl gefühlt. | |
Es ist dieser Blick in die Vergangenheit, von dem der Klub bis heute zehrt. | |
Im „FullHouse“, einer Union-Kneipe im Köpenicker Schmuckkästchenortsteil | |
Friedrichshagen, die immer dann besonders voll ist, wenn Union auswärts | |
spielt, liegen sich die Fans nach dem 2:1-Sieg auf St. Pauli vor einigen | |
Wochen glücklich in den Armen. Nun wird vom FC Bayern als Gegner geträumt | |
und von Borussia Dortmund. | |
Am Tag nach dem Spiel in Hamburg schleichen müde Männer mit geröteten Augen | |
durch Köpenick. Sie waren auf St. Pauli. Sie sind glücklich und ihnen ist | |
anzusehen, dass in Hamburg mehr im Spiel war als Fußball. | |
Manch einer der Auswärtsfahrer hat noch die Arbeitsklamotten an, die er | |
getragen hat, als er sich am Freitag nach Dienstschluss auf den Weg gemacht | |
hat. Echte Schlosserjungs im Nachrausch. Als wäre die vom ehemaligen | |
Champions-League-Trainer Jens Keller betreute Mannschaft kein von | |
Sportmanagern zusammengekauftes Team, sondern eine Betriebssportgruppe des | |
längst untergegangenen Kabelwerks Oberspree, werden die Spieler beim | |
Einlaufen in ihr Stadion Alte Försterei als „Schlosserjungs von | |
Schöneweide“ eingeführt. Eisern Union. | |
Trikots, Fan-Shirts, Gartenzwerge. Das beinahe noch nagelneue | |
Union-Zeughaus in einem Einkaufszentrum am S-Bahnhof Köpenick ist eine | |
Fußball-Merchandisinghölle in backsteiniger Industrie-Optik. Ostcharme 2.0. | |
Auch das Online-Geschäft boomt. Der Arbeiterklub ist seit Kurzem Mitglied | |
im Bundesverband E-Commerz. „Der Eintritt des Kultvereins in unseren | |
Verband ist einmal mehr ein Zeichen dafür, dass emotionale Kauferlebnisse | |
über viele Kanäle initiiert werden können“, heißt es in einer Mitteilung | |
des Verbands. | |
## Fast immer ausverkauft | |
Denn auch ein Arbeiterverein lebt nicht von Liebe allein. Sondern von den | |
Einnahmen aus der TV-Vermarktung, dem Sponsoring und seinen konsumfreudigen | |
Fans. Deren gibt es immer mehr. Das Stadion mit seinen drei | |
Stehplatztribünen ist fast immer ausverkauft. Für das nächste Heimspiel am | |
kommenden Mittwoch gegen Erzgebirge Aue gibt es schon keine Tickets mehr, | |
obwohl das Spiel bereits um 17.30 Uhr beginnt. Zum Vorglühen an der | |
Union-Tanke unweit des Stadion werden viele Fans in Arbeitsklamotten | |
aufschlagen. | |
Mehr als 14.000 Vereinsmitglieder hat Union jetzt. Sie werden bei der | |
Kartenvergabe bevorzugt behandelt. Der Ausbau des Stadions ist schon | |
beschlossen. Doch ein Superduper-Komfort-Stadion wird der Fußballplatz, der | |
zur Hälfte im Wald steht, wohl nie werden. Wenn wirklich alles gut läuft, | |
gibt es also bald Erstligafußball im Zweitligastadion. | |
Zweitligafußball im Erstligastadion gibt es am morgigen Samstag bei Spiel | |
gegen Hannover 96. Der Erstligaabsteiger ist einer der größten Konkurrenten | |
im Kampf um den Aufstieg. 7.000 bis 8.000 Köpenicker werden in | |
Niedersachsen erwartet. Mesut Özil wird an der Hämmerlingstraße einen | |
ruhigen Tag haben. | |
31 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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