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# taz.de -- Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich: Brutalität der „Sich…
> Das Image der „Flics“ war nie besonders gut in diesem Land. Das kommt
> nicht von ungefähr. Ihre Gewalt richtet sich besonders gegen Migranten.
Bild: Protest in Paris
Paris taz | Im Kampf gegen den Terrorismus werden die Sondereinheiten der
Polizei als Helden der Nation gefeiert. Neben „Je suis Charlie“ konnte man
nach den Attentaten auf Charlie Hebdo und das Bataclan auch „Je suis Flic“
aus Solidarität mit den attackierten Polizisten lesen. In manchen
Vorstadtquartieren dagegen werden die Patrouillen, die sich in „feindliche“
Quartiere wagen, mit Steinen und Molotowcocktails „begrüßt“. Das Image der
„Flics“ oder „Poulets“, wie die Gesetzeshüter in Uniform oder Zivil
abschätzig genannt werden, war in der Bevölkerung nie besonders gut.
Dazu haben leider gewisse Beamte selbst beigetragen. Mehrere Fälle von
unverhältnismäßiger oder sogar rassistischer Brutalität haben Schlagzeilen
gemacht. Mindestens ebenso schlimm wie diese „Polizeigewalt“ selber ist aus
der Perspektive dieser Bevölkerung am Stadtrand, wie die Justiz und die
Politik mit diesem weitgehend verdrängten Thema umgeht. Eine eindrückliche
Demonstration am vergangenen Wochenende hat die Präsidentschaftskandidaten
gemahnt, sich darüber Gedanken zu machen. Laut der politischen
Forschungsstelle CEVIPOF haben mehr als die Hälfte der Polizisten die
Absicht, bei den Präsidentschaftswahlen 2017 die Rechtsextremistin Marine
Le Pen zu wählen.
An der Spitze des Demonstrationszugs wurde wie eine Anklage ein Transparent
mit der Forderung „Gerechtigkeit und Würde“ mit Porträts von mutmaßlichen
Opfern einer „straflosen Polizei“ getragen. Ihre Vornamen sagen einiges
aus: Mourad, Lamine, Hocine, Babacar etc., aber bezeichnenderweise kein
Nicolas oder François. Die Illusion einer Gleichbehandlung vor dem Gesetz
haben genau diese Jugendlichen aus den Vorstädten oft verloren.
„Polizei überall, Gerechtigkeit nirgendwo!“ Der Slogan ist so alt wie die
Vorwürfe an die Adresse der Ordnungshüter. An Anlässen für solche Proteste
vorwiegend seitens der aus der Immigration stammenden Jugend in den
Vorstadtquartieren mangelt es in den letzten Monaten wirklich nicht.
Unmittelbarer Auslöser der jüngsten Demonstration von mehr als 7.000 Leuten
war der Fall des 22-jährigen Théo. Bei einer äußerst brutalen
Polizeikontrolle in Aulnay-sous-Bois im Nordosten von Paris wurde ihm
gewaltsam ein Gummiknüppel in den Anus eingeführt.
## Vergewaltigung auf dem Revier
Ein bedauerliches Versehen, versicherte danach der für dieses unglaubliche
Vorgehen verantwortliche Beamte, der sofort von seiner Hierarchie gedeckt
wurde. Eine Form der Vergewaltigung, protestierte Théo, der ins Krankenhaus
gebracht werden musste. Dort bestätigten die Ärzte bei ihrer Untersuchung
der Verletzungen, dass ihnen Théos Schilderung sehr plausibel erscheine.
Auch die später die Bilder der Überwachungskameras lassen Zweifel an der
Darstellung der Polizei aufkommen. Théo ist ein schwarzer junger Mann aus
der Banlieue, aber eben kein Kleinkrimineller, sondern ein talentierter und
von allen geschätzter Amateurfußballer. Sein Fallbeispiel wird nun zu
einem Test. Seine Geschichte aber hat über die Nachbarschaft hinaus
schockiert. Während Wochen organisierten Mittelschüler Protestaktionen aus
Solidarität mit Théo.
Von den PräsidentschaftskandidatInnen haben sich die wenigsten dazu
geäußert. Auch haben die Favoriten unter ihnen andere Prioritäten: mehr
Polizisten und mehr Handlungsspielraum im Einsatz. Unter dem Eindruck eines
brutalen Angriffs von Jugendlichen auf Polizisten in Viry-Châtillon, bei
dem zwei Beamte schwere Verbrennungen erlitten, hat das französische
Parlament im Gegenteil die Bedingungen des Waffengebrauchs über die strikte
Notwehr hinaus erweitert.
23 Mar 2017
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Grenoble
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Thügida
François Fillon
Schwerpunkt Rassismus
Lesestück Recherche und Reportage
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