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# taz.de -- Pro & Contra Erdoğan in Deutschland: Gerangel um einen Bühnenplatz
> Soll der türkische Präsident in Deutschland auftreten dürfen oder nicht?
> Zwei Meinungen.
Bild: Als Pappmaché-Figur hat er es schon bis nach Deutschland geschafft. Komm…
JA
Kommt er? Kommt er nicht? Schon allein die Annahme, dass der
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erneut nach Deutschland kommen könnte,
um bei hier ansässigen Türkischstämmigen für das anstehende Referendum
einer Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, verursacht in der
Bundesrepublik eine Magenverstimmung. Soll Deutschland dem Beispiel
Österreichs folgen und einen möglichen Auftritt verbieten?
Eher nicht. Die politischen Tricks der AKP entzaubert man nicht dadurch,
dass man einfach verbietet, was auf der Hand liegt: dass Türkischstämmige
von der türkischen Regierung bisher als Devisenbringer gesehen wurden – und
nun auch noch als Wahlvolk.
Ja, Erdoğan soll kommen, mit allem, was dazu gehört. Aber er soll aufhören,
uns gegeneinander aufzuwiegeln. Genau diese Gefahr sollte nämlich gesehen
werden: dass die permanente Anspannung einer autoritär geführten Regierung
im Inland, aber auch im Ausland nur zu mehr Stimmen verhilft. Ein Verbot
käme der AKP-Regierung und auch vielen türkischstämmigen Erdoğan-Fans sehr
gelegen, wäre es doch eine plausible Erklärung für ein gängiges Narrativ:
Es würde sie bestätigen in dem Gefühl, dass der „Westen“ nur Demokratie
kann, wenn es dem „Westen“ dient. Deshalb sollte gelten: Meinungsfreiheit
für alle, aber die Regeln bestimmt letztendlich der Hausherr.
Die AKP kennt das Spiel, dass man seinen politischen Gegnern nicht den
zentralen Taksim-Platz in Istanbul anbietet, sondern in den 11 Kilometer
entfernten Randbezirk Kazlıçeşme drängt. Anstehende Reden führender
türkischer Regierungsmitglieder könnten doch an besonders schönen und
leeren Plätzen in Brandenburg oder im Saarland stattfinden, ohne das ganze
Medienbuhei drumherum. Warum nicht gleich auf dem BER-Rollfeld? Das wäre
doch mal was.
Ebru Tasdemir
***
NEIN
Soll der demokratische Staat dem türkischen Superpräsidenten Erdoğan eine
Bühne geben, damit er vor deutsch-türkischem Publikum für sein
neoosmanisches Reich und seine beabsichtigte Regentschaft auf Lebenszeit
agitieren kann? Es gibt viele, die meinen: Ja. Die deutsche Demokratie sei
stark genug, die halte das aus.
Andere sagen: Nein. Auf keinen Fall. Feinden von Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechten sollte man nicht, zumindest nicht jederzeit, die freie
politische Entfaltung gewähren. Es mache schließlich einen Unterschied, ob
sich der neue Sultan vom Bosporus bei einem Staatsbesuch mit Kanzlerin
Merkel trifft, um sich auf diplomatischer Ebene zu besprechen. Oder ob er
versucht, die zwischen Deutschland und der Türkei hin und her gerissenen
Migranten für sein autoritäres Projekt selbst zu gewinnen.
In Deutschland lebende Türken oder Deutschtürken können ihr Wahlrecht gemäß
Nationalität und Staatsbürgerrecht ausüben. Es stellt keine Unterdrückung
einer Minderheit dar, wenn man von allen in Deutschland agierenden
politischen und religiösen Akteuren verlangt, in Zielsetzungen und
Praktiken nicht gegen deutsche Verfassung und Grundgesetz zu verstoßen.
Was schadet aus demokratischen Gesichtspunkten mehr: Erdoğan in Deutschland
Propaganda betreiben zu lassen – oder ihm dies zu verbieten? Taktische
Erwägungen sind zulässig, wie sie zuletzt auch beim gescheiterten
NPD-Verbotsverfahren zur Geltung kamen. Auch muss Diplomatie flexibel sein.
Doch wer so bewusst an der Eskalationsschraube dreht wie Sultan Erdoğan I.
mit der Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel, dem ist an einer
Verschränkung innen- und außenpolitischer Konflikte gelegen. Man verschärft
diese nicht weiter, indem man ihm territorial eine Grenze setzt.
Andreas Fanizadeh
1 Mar 2017
## AUTOREN
Ebru Tasdemir
Andreas Fanizadeh
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Recep Tayyip Erdoğan
Präsidialsystem
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