# taz.de -- Kolumne Draussen im Kino: Den Zeppelin übersehen | |
> Martin Schulz, problemlose Akkreditierung, Promo-Taschen, Sabu-Filme, | |
> „House in the Fields“ und immer wieder Fassbinder. | |
Bild: Auf „Mr. Long“ von Regisseur Sabu freut sich unser Autor | |
Als ich am Mittwoch am Willy-Brandt-Haus vorbeigehe, bin ich ein bisschen | |
irritiert. Statt der üblichen freundlichen Worte, mit denen die SPD die | |
Gäste der Berlinale begrüßt, grinst ein vergnügter Martin Schulz mit den | |
Worten „Zeit für mehr Gerechtigkeit – Zeit für Martin Schulz“ von der | |
SPD-Zentrale. | |
Martin Schulz erinnert an Fritz, den neuen Knut und auch ein bisschen an | |
den Berlinale-Bären, der sich an die Pfähle der U-Bahn-Station kuschelt. Am | |
Po-Platz ist noch nicht so viel los. Die Akkreditierung verläuft ohne | |
Probleme. Weil die MitarbeiterInnen so nett sind, ist man gleich gut | |
gelaunt und bekommt in den Katakomben des Berlinale-Palasts die diesjährige | |
Berlinale-Tasche überreicht. Sie macht einen stabilen Eindruck und lässt | |
sich gut als Rucksack tragen. | |
Besonders schön, dass man neben der Tasche auch einen Thermokaffeebecher | |
der Firma „Nespresso“ geschenkt bekommt. Einen solchen Becher hatte ich mir | |
schon lange gewünscht, und ich bin so froh wie der Mops im Paletot. | |
Leider gibt es am Mittwoch noch gar keine Filme, die Berlinale beginnt | |
nämlich erst am Donnerstag: Ich Schaf! Zum offiziellen Beginn des | |
Festivals ist der verschmitzte Kanzlerkandidat wieder durch den Gruß der | |
SPD an die Berlinale-Gäste ersetzt worden. | |
Ständig gibt es Fassbinder | |
Zu Hause werden die Programme studiert. Schön, dass es einen neuen Film von | |
Romuald Karmakar gibt. „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ handelt von | |
„fünf Pionieren der elektronischen Musik“ und davon, wie sie das so sehen. | |
Ricardo Villalobos ist auch wieder dabei. Ein bisschen ärgere ich mich, | |
dass auch Fassbinder wieder dabei ist, diesmal in einer neu restaurierten | |
Fassung von „Acht Stunden sind kein Tag“. Ständig gibt es Fassbinder, so | |
als hätte es Achterbusch, der nie wiederholt wird, nie gegeben. | |
Besonders freue ich mich auf den neuen Film, „Mr. Long“, von Sabu, den es | |
diesmal in den Wettbewerb verschlagen hat. Die Berlinale-Jahrgänge, in | |
denen Filme des genialen japanischen Regisseurs gezeigt wurden, waren oft | |
noch besser als die ohne einen neuen Sabu-Film. | |
Am Donnerstag lohnt sich der Film von Amman Abasi, heißt „Dayveon“, spielt | |
im Süden der USA und erzählt von einem 13-jährigen Jungen, dessen großer | |
Bruder als Mitglied einer Gang erschossen wurde. Der Junge möchte auch in | |
eine Gang. Der Freund seiner großen Schwester möchte sein Bruder sein. Es | |
wird viel gekifft, aber ohne rechte Freude. | |
Die Dokumentation „House in the Fields“ von Tala Hadid spielt in einem Dorf | |
im Hohen Atlasgebirge in Marokko. Aus der Perspektive der 16-jährigen | |
Khadija wird von der Berbergemeinschaft erzählt. Khadija liebt die Schule | |
und alle Lehrer. Später möchte sie gerne Rechtsanwältin werden. Ihre | |
Schwester wird heiraten und nach Casablanca gehen. Wie Khadija von | |
Frauenrechten singt, ist einer der ersten Höhepunkte des Festivals. | |
2010 war der japanische Regisseur Yuya Ishii mit dem großartig humorvollen | |
Film „Sawako Decides“ im Forum vertreten. Sein neuer Film, „Tokyo Night S… | |
Is Always the Densest Shade of Blue“, variiert teils virtuos die | |
vorherrschenden Themen des jungen japanischen Kinos: Entfremdung, | |
Außenseitertum, Liebe, Verunsicherung, Sehnsucht. Mika arbeitet tagsüber | |
als Krankenschwester und nachts in einer Karaokebar. Shinji ist auf einem | |
Auge blind und verdient sein Geld auf einer der vielen Baustellen Tokios. | |
Der nächtliche Himmel ist wunderschön. Weil alle auf ihre Handys gucken, | |
sehen sie nicht den Zeppelin, der plötzlich zwischen den Hochhäusern | |
auftaucht. | |
10 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
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