| # taz.de -- Kolumne Lügenleser: Die Toten von Dresden | |
| > Busse sind plötzlich wieder ein Thema: In Dresden sollen sie eine Brücke | |
| > schlagen zwischen den „Gräueltaten von damals und heute“. | |
| Bild: Am Neumarkt in Dresden ist immer was los – meistens im Kopf | |
| Der Bus kommt nicht. Das war auch nicht anders zu erwarten, ich sitze | |
| nämlich in einer Wirtschaft. Der einzige Bus, der hier manchmal vonnöten | |
| wäre, ist der Telebus. „Darüber macht man keine Witze“, heißt es vom | |
| Nebentisch. | |
| Ich sehe das anders. Dennoch ist der Bus ein Thema. Es sind sogar drei | |
| Busse, die hier diskutiert werden. Sie stehen in Dresden, hochkant. Sie | |
| sollen eine Brücke schlagen zwischen den „Gräueltaten von damals und | |
| heute“, so erklärt es einer, der offenbar sehr viel von der Aktion hält. Am | |
| Montag wurde mal wieder gedacht. Der Toten von Dresden. Wie immer treffen | |
| sich dazu eine Menge Menschen zu einer Lichterkette. Much Wow! | |
| Lichterketten, das sind diese Dinger, die man sich zu Weihnachten in die | |
| Wohnung hängt, wenn man nicht risikobereit genug ist, Kerzen aufzustellen. | |
| Lichterketten sind aber auch diese Aktionen, die Politiker ins Leben rufen, | |
| wenn sie nicht risikobereit genug sind, die Wurzel des Übels anzugehen, | |
| oder wenn sie sich nicht distanzieren wollen vom Wahlvolk, welches auch mal | |
| „an die armen Deutschen denken möchte“. | |
| Die Busse in Dresden, aufgestellt von dem deutschsyrischen Künstler Manaf | |
| Halbouni, sind mittlerweile behangen mit Briefen und Bildern, Blumen liegen | |
| davor. Es handelt sich um die Briefe von Menschen, die 1945 bei den | |
| Bombenangriffen der Alliierten Angehörige verloren. | |
| Warum diese Bombardements vergleichbar sein sollen mit dem derzeitigen | |
| Krieg in Syrien, bleibt ein Geheimnis des Oberbürgermeisters der Stadt | |
| Dresden. Man wollte wohl irgendwie ein Zeichen setzen. Und diese senilen | |
| Pegida-Opas sind ja auch gegen das Kunstwerk, dann wird es schon alles Sinn | |
| machen. | |
| Die Idee des Künstlers, gestartet als Tiger, landet dank der merkwürdigen | |
| Melange mit den „Meine Vorfahren waren unschuldig“-Rentnern als | |
| Bettvorleger der Stadt Dresden und ihrer seit Jahren unangenehm | |
| auffallenden Führer. „Führer sagt man nicht“, quakt es erneut von links | |
| hinten. | |
| Seit die militante Neonaziszene das Gedenken in und um Dresden aufgegeben | |
| hat, da der Widerstand derer, die „Lichterketten gegen Nazis“ in mehreren | |
| Kilometern Entfernung für Unfug halten, zu massiv wurde, wird der Angriff | |
| auf die Stadt, die sowohl Nazihochburg als auch wichtiger Standort von | |
| Rüstungsfabriken war, wieder äußerst still begangen. Lasst uns an die | |
| Kinder in Aleppo denken. Sie erleiden derzeit das gleiche Schicksal wie | |
| damals Opa Siegmund. | |
| Tun sie eben nicht. Und vor allem gehen euch die Kinder am Arsch vorbei, | |
| wenn ihr sie nicht gerade für eure Relativierungen missbraucht. | |
| Dynamo Dresden war dieses Wochenende beim FC St. Pauli zu Gast. Der Verein, | |
| der sich immer wieder in seinem linken Kapitalismus gefällt, entschuldigte | |
| sich nach dem Spiel. Einige Anhänger hatten den gegnerischen Fans ein | |
| Banner mitgebracht. „Schon eure Eltern haben für Dresden gebrannt – Gegen | |
| den doitschen Opfermythos“ war dort zu lesen. | |
| „Darüber macht man keine Witze!“, röhrt es schon wieder vom Nebentisch, | |
| aber das ist jetzt wirklich Unsinn. Jede Minderheit hat ihre Witze | |
| verdient. Auch die vom Volkstod bedrohten Deutschen. | |
| 15 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Juri Sternburg | |
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| Jahr 2016 | |
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