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# taz.de -- Studie zu „dicken Kindern“: Kleiner Dickmann – was nun?
> Wissenschafter*innen haben die bislang aufwändigste Studie über das
> Gewicht von Kindern vorgestellt. Machen wir zu viel Aufhebens um
> Babyspeck?
Bild: Übergewicht? Sport hilft!
„Satans dicke Kinder sind da!“ Was Rapper Prinz Pi dichtet, beruht auf:
Dicke Kinder können nur der Hölle entstiegen sein.
Die Pummelchen-Panik der Eltern ist ein guter Anlass, zu forschen. Für die
bislang größte und aufwändigste Studie haben Forscher*innen 11.000 Kinder
aus acht EU-Ländern über Jahre hinweg begleitet. Sie haben den
Proband*innen Bewegungssensoren umgeschnallt, ihre Eltern befragt, ihre
Gene sequenziert und ihren Stuhl nach Bakterien durchforstet. Koordiniert
wurde die Studie von der Universität Bremen.
Die Kohorte setzt sich aus normal-, unter und übergewichtigen Kindern
zusammen, die sich regelmäßig wiegen lassen mussten. Die Forscher*innen
wollten herausfinden, warum manche Kinder mehr zunehmen als andere. Ihre
Ergebnisse stellten sie am Mittwoch in Brüssel vor – die Studie wurde unter
anderem von der EU finanziert.
## Zu Recht?
Eigentlich gibt es Übergewicht schon immer. Doch so richtig
auseinandergesetzt hat sich bisher niemand mit zu dicken Kindern. Was heute
krank ist, hieß früher einfach „Babyspeck“. „Das verwächst sich“,
achselzuckten die Eltern.
Bloß hat sich inzwischen herausgestellt: Das verwächst sich nicht. Je älter
das Kind wird, desto wahrscheinlicher bleibt das Fett. Und echte Adipositas
wird nicht nur gesellschaftlich geächtet, sondern führt zu Diabetes,
Rückenschmerzen und Herzinfarkt – wahrscheinlich in dieser Reihenfolge.
Wer jetzt sein Moppelchen mobben will, damit es weinend aus dem Haus rennt
und sich bewegt, sollte erst mal ein paar Arzttermine ausmachen. Denn im
Gegensatz zu Adipositas und vor allem Fettdepots im Bauchraum macht gut
verteiltes leichtes Übergewicht nicht krank. Manche Forscher*innen sagen
sogar, dass es gesünder ist als Untergewicht.
Das Ergebnis der neuen Langzeitstudie ist übrigens, dass Bewegung, veganes
Essen und Schlaf dem Übergewicht bei Kindern vorbeugen.
Die Wissenschaftler*innen heben hervor, dass Fernsehen fett machen kann:
Familien, die beim Essen oder länger als eine Stunde am Tag fernsehen,
brachten dickere Kinder hervor. Das scheint nicht nur am Bewegungsmangel zu
liegen. Wer glotzt, isst nebenher oft Fettiges und trinkt Süßes. Außerdem
sprangen die jungen Proband*innen auf Werbespots für Junk Food an und
nervten ihre Eltern oft sehr hartnäckig damit.
Doch die meisten Familien können diese Probleme nicht einfach so beheben.
Eltern mangelt es besonders an Zeit, Geld und Nervenstärke.
Niemand will ständig sein Kind ermahnen. Kinder, deren Leben sich um Essen
und Gewicht dreht, nehmen vielleicht ab, werden aber weder glücklich noch
selbstbewusst. Niemand will einem Kind Komplexe einreden. Und Essstörungen
sind mindestens genauso hartnäckig wie Hüftspeck.
Zwar ist Untergewicht gesellschaftlich akzeptierter, und viele Menschen
finden dünne Menschen tendenziell schöner als dicke. Doch die wenigsten
Eltern werden dieses krumme Körperbild an den Nachwuchs vererben wollen.
Schlankheitswahn macht die Gesellschaft nicht netter. Häufig raten
Expert*innen, dass Eltern ihre Vorbildfunktion nutzen sollen. Also selbst
laufen gehen, Obst essen und den Fernseher ausschalten.
## Konfrontieren
Endgültig lösen wird das das Problem aber wohl auch nicht. Deshalb sollte
man vielleicht die Kinder konfrontieren und in die Diskussion
miteinbeziehen. Ab einem gewissen Alter verstehen sie ja, wenn ihre Eltern
sagen: Spatzi, dein Gewicht ist nicht das Wichtigste an dir. Wir wissen
auch nicht genau, was richtig ist. Aber lass uns zusammen darauf achten, ob
wir gesund genug leben.
Übrigens hat Prinz Pi vielleicht doch nicht ganz recht: Putten kommen ja
wohl aus dem Himmel, mitsamt ihren speckigen Ärmchen und Füßchen. Und die
will auch niemand auf Diät setzen.
9 Feb 2017
## AUTOREN
Jana Anzlinger
## TAGS
Übergewicht
Kinder
Studie
Fastenzeit
Lebensmittel
Ernährung
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